Chefarzt Dr. Norden Box 7 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
seines Chefs Dr. Daniel Norden.
»Was noch zu beweisen wäre«, murmelte er. Und etwas lauter fügte er hinzu: »Ich schicke eine Schwester, die dich in die Radiologie bringt, Nina. Wir sehen uns später!«
*
Unermüdlich fuhren die Linien auf dem Überwachungsmonitor auf und ab. Im Gegensatz zum ständigen Gemecker ihres Mannes war das gleichmäßige Piepen richtiggehend beruhigend. Zumindest empfand Anette Pastor es so. Ihr Mann, der erst vor ein paar Minuten von den Vorkommnissen der Nacht erfahren hatte, sah es anders.
»Eine Notoperation? Heißt das, du hättest sterben können?«
Am liebsten hätte sich Anette die Ohren zugehalten. Doch dazu war sie noch zu schwach. Sie begnügte sich mit einem müden Lächeln.
»Das heißt, dass es eilig war. Nicht mehr und nicht weniger.«
Hartmut zog sich einen Stuhl ans Bett. Er stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel, faltete die Hände und dachte nach.
»Bestimmt hängt diese Gallenblasen-Geschichte mit deinem Übergewicht zusammen«, teilte er ihr das Ergebnis seiner Überlegungen mit.
Anette schloss die Augen.
»Mein Übergewicht hat etwas mit deinen Ansprüchen zu tun«, seufzte sie.
Hartmut richtete sich kerzengerade auf dem Stuhl auf.
»Was soll denn das schon wieder heißen? Bin ich jetzt etwa schuld daran, dass du so viel isst?«
»Wer will denn jeden Tag Braten und Süßspeisen auf dem Teller haben? Ich jedenfalls nicht.«
Anette zuckte zusammen, als ihr Mann vom Stuhl aufsprang. Die Linie auf dem Monitor machte einen Satz.
»Sieh mich an!«, polterte er. »Bin ich etwa dick?«
»Du musst ja auch nicht ständig probieren und abschmecken und dann noch eine ordentliche Portion mitessen, weil ich mich sonst allein gelassen fühle«, verteidigte sich Anette mit all der Kraft, die nach den anstrengenden Stunden noch übrig geblieben war. Viel war es nicht.
Diese Schwäche nutzte Hartmut aus.
»Das war ja klar! Jetzt machst du mich wieder verantwortlich für all deine Probleme.«
Anette war den Tränen nahe.
»Es geht doch hier nicht um Schuld. Ich mache dir jedenfalls nicht ständig Vorwürfe.«
»Hauptsache, du hast einen Schuldigen. Das habe ich jetzt davon.« Hartmut wanderte im Zimmer auf und ab. »Dabei meine ich es nur gut mit dir.«
Unbemerkt von den beiden öffnete sich die Tür.
»Wenn Sie es wirklich gut mit Ihrer Frau meinen, dann lassen Sie uns jetzt bitte allein.«
Zwei Augenpaare richteten sich auf den Arzt, der eben das Zimmer betreten hatte. Vertieft in ihren Streit hatte das Ehepaar das Klopfen überhört.
Hartmut Pastor funkelte Dr. Weigand an.
»Ich bin der Ehemann. Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was mit meiner Frau ist.«
»Das wird Anette Ihnen im Anschluss an meine Untersuchung bestimmt selbst sagen.« Selten war Matthias ein Lächeln schwerer gefallen.
Pastor ballte die Hände zu Fäusten und marschierte aus dem Zimmer. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Anette schickte ihm einen waidwunden Blick nach. Dr. Weigand dagegen trat an den Geräteturm und kontrollierte die Werte seiner Patientin. Nachdem er die Tropfgeschwindigkeit der Infusion reguliert hatte, untersuchte er die Operationswunden.
»Das sieht alles sehr gut aus. Trotzdem müssen wir Sie noch eine Weile hierbehalten.«
»Wirklich? Wie lange noch?«
Täuschte sich Matthias, oder schwang wirklich Freude in Anette Pastors Stimme? Tatsächlich! Ein Lächeln spielte um ihre Lippen. Er wiegte den Kopf. Dieses Verhalten war ganz und gar untypisch. Normalerweise konnten es die Patienten kaum erwarten, endlich wieder entlassen zu werden. Bei Anette schien das Gegenteil der Fall zu sein.
»Das kommt ganz darauf an, wie schnell Sie sich erholen. Aber eine Woche halte ich durchaus für realistisch.«
»Sind nicht auch zwei möglich?« Sie blinzelte ihn an, als hätte sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Und das, obwohl er sie in Gefahr gebracht hatte.
Dr. Weigand verschränkte die Hände vor dem Oberkörper und musterte sie forschend.
»Was ist los, Frau Pastor? Warum wollen Sie nicht nach Hause?«
»Ach, wissen Sie …« Sie betrachtete das Pulsoximeter an ihrem linken Zeigefinger. »Unsere Ehe befindet sich in einer Sackgasse. In letzter Zeit reden mein Mann und ich ständig aneinander vorbei.«
»Das kenne ich irgendwoher«, entfuhr es Matthias.
Mit diesen Worten brachte er Anette Pastor zum Lachen.
»Ich bitte Sie, Herr Doktor. Ein Mann wie Sie hat doch bestimmt eine wunderschöne Frau, bezaubernde Kinder …« Sie hielt inne, sah ihn aus fragenden Augen an.
»Ich hatte eine wunderschöne Frau und eine bezaubernde Tochter.« Er seufzte tief. »Leider war ich zu dumm, um mein Glück zu bewahren.«
»Das klingt so, als ob Sie Ihre Frau noch lieben.«
»Und wie ich sie liebe! Das weiß ich jetzt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dieses Gefühl noch auf Gegenseitigkeit beruht.«
»Dann fragen Sie sie.«
»Wie bitte?« Der Liebeskummer des Arztes lenkte Anette Pastor zumindest kurz von ihren eigenen Sorgen ab. »Gehen Sie zu ihr und reden Sie mit ihr, solange es noch möglich ist. Mein Mann und ich haben diese Chance verpasst. Seien Sie nicht genauso dumm.« Sie zwinkerte ihm zu, streckte die Hand nach seiner aus und drückte sie. »Nur Mut. Sie können das.«
Matthias spürte die Schwielen, die raue Haut der Hausfrauenhand. Gleichzeitig dachte er an Sophie. War es nicht genau das, was Daniel von ihm verlangt hatte? Und nun gab ihm sogar eine wildfremde Frau denselben Rat.
War das ein Zeichen? Ein Wink des Schicksals?
»Sie haben recht. Ich muss mit Sophie reden.« Plötzlich hatte Matthias es eilig. Er hatte schon viel zu viel Zeit verschwendet. »Vielen Dank, Frau Pastor. Wir sehen uns später.«
»Wie lange kann ich denn jetzt hierbleiben?«, rief sie ihm nach.
Doch da fiel die Tür schon hinter ihm ins Schloss.
*
»Sie können sich wohl gar nicht losreißen?«
Die ein wenig spöttische Stimme ließ Dr. Milan Aydin innehalten. Ein geübter Griff, und er drehte sich mitsamt Rollstuhl um. Sah hinauf zu seinem Chef, der vor ihm Halt gemacht hatte.
»Wieso?«
Daniel Nordens Lächeln wurde tiefer.
»Das muss Ihnen nicht peinlich sein. Ganz im Gegenteil. Eine Frau wie Muriel …«
Aydin fuchtelte mit der rechten Hand durch die Luft.
»Was reden Sie da? Natürlich kann ich mich losreißen. Sonst würde ich ja wohl kaum heimfahren.«
Dr. Norden sah sich um.
»Ich kenne die Klinik schon eine ganze Weile. Deshalb bin ich ganz sicher, dass hier kein Ausgang ist.«
»Was?« Milan fuhr herum. »Und was ist das hier, bittesch … ?« Das Wort blieb ihm im Hals stecken. Dort, wo er den Seiteneingang erwartet hatte, war nichts weiter als ein raumhohes Fenster. Seine Blicke wanderten weiter. Ohne es zu bemerken, war er in dem Gang gelandet, in dem Muriels Krankenzimmer lag. Er schlug sich an die Stirn. »O Mann, ich bin völlig übermüdet.«
Unvermittelt fühlte sich Daniel an seinen Freund Matthias erinnert.
»Ich