Deutsche Geschichte. Ricarda HuchЧитать онлайн книгу.
fühlten, ermöglichten es Rudolf, Ottokar zu besiegen und sich in Besitz der entfremdeten östlichen Länder zu setzen. Mit einer Urkunde vom 27. Dezember 1282 belehnte er seine Söhne Albrecht und Rudolf mit den Ländern Österreich, Steiermark, Krain und Windische Mark und erhob sie zugleich in den Fürstenstand; ein höchst denkwürdiges, folgenschweres Ereignis. Auch damit führte er aus, was Friedrich II. geplant hatte. Seine Absicht, das Herzogtum Schwaben wiederherzustellen, das den Staufern entrissen war, glückte nicht; doch vergrößerte er sein Eigen zwischen Aare und Reuß und die Besitzungen seines Hauses im Elsaß und am Oberrhein. Gründete er sich eine Hausmacht, die dem König zugute gekommen wäre, wenn er die Nachfolge seiner Söhne und Enkel hätte durchsetzen können, so unterließ er doch auch nicht, entwendete oder verpfändete Königsgüter und Königsrechte wieder an das Reich zu bringen; doch musste das zum Teil an den Verpflichtungen scheitern, die er den Fürsten und ganz besonders den Wahlfürsten gegenüber hatte; denn diese fingen damals an, sich ihre Stimmen ausgiebig bezahlen zu lassen. Zur Verwaltung von Reichsgut setzte er Landvögte ein, die er zugleich als Landfriedensbeamte verwertete. Soweit es die Rücksicht auf die Fürsten erlaubte, hob er auch die ungerechten Zölle auf.
Wenn Rudolf in der Verwaltung an die Staufer anknüpfte, wich er ganz von ihnen ab in seinem Verhalten zum Papst. Die Niederlage der Kaiser in ihrem Kampf mit dem Papsttum war so entschieden, dass er nicht anders konnte als sie anerkennen und sich von ihrer Politik förmlich lossagen, indem er auf Sizilien verzichtete. Damit war die Möglichkeit friedlichen Zusammenwirkens zwischen Papst und Kaiser gegeben, wie es die mittelalterliche Anschauung eigentlich erforderte und wie es einst Kaiser Lothar durch Zugeständnisse erreicht hatte. Wenn Rudolf die Kaiserkrönung in Rom nicht erlangte, so lag das nicht daran, dass er ihren Wert unterschätzt, sie nicht aufrichtig angestrebt hätte. Während seiner Regierung wechselte fast regelmäßig ein italienischer Papst mit einem französischen ab, entsprechend der Parteiung unter den Kardinälen. Alle die italienischen Päpste, wie leidenschaftlich sie auch unter Umständen einen deutschen Kaiser bekämpften, gingen doch davon aus, dass ein Kaiser da sein und dass er deutscher Nation sein müsste; das war ein Stück ihrer Weltanschauung, abgesehen davon, dass sie mit einem deutschen König am ehesten fertig werden zu können glaubten. Die französischen Päpste waren im Grunde gar keine Päpste, sondern französische Geistliche, die die Deutschen hassten und das Kaisertum an Frankreich bringen wollten. Hatte sich Rudolf eben mit einem italienischen Papst verständigt und war eben der Termin der Krönung festgesetzt, so machte ein französischer Papst alles rückgängig und türmte neue Hindernisse auf. Vielleicht, wenn Rudolf länger gelebt hätte, wäre er doch zum Ziele gekommen und dann, wie so mancher Kaiser in früherer Zeit getan hatte, entschiedener aufgetreten, hätte vielleicht sogar den Verzicht auf die Romagna, die er auf päpstliches Drängen abgetreten hatte, zurückgenommen. Dass er seine Stellung dadurch verbessert hätte, ist nicht anzunehmen; zu einem ernsten Aufschwung der Kaisermacht waren keine Kräfte mehr zu schöpfen. Am meisten beleidigt das deutsche Empfinden, dass Rudolf dem Papst zu Gefallen eine seiner Töchter einem Enkel Karls von Anjou verheiratete. Als die Königin bald nach Vollzug dieser traurigen Ehe noch nicht fünfzigjährig starb, schrieben es viele dem Gram über eine solche Erniedrigung zu.
Die Veränderung, die stattgefunden hatte, zeigte sich in der Behandlung der Juden. Schon zurzeit Friedrichs II. war der Ausdruck Kammerknechte auf sie angewandt worden, was damals nur besagen sollte, dass ihre Abgaben, da sie unmittelbar unter dem König standen, der königlichen Kammer gehörten. Jetzt wurde er in dem Sinne gebraucht, als wären sie Sklaven des Königs, und als mit solchen verfuhr man mit ihnen. Als im Jahre 1286 eine Anzahl von Juden aus den rheinischen Städten, darunter ihr berühmtester Gesetzeslehrer, Rabbi Meir ben Baruch, nach Syrien auswandern wollte, zog Rudolf die Güter derselben ein und setzte den Rabbi, der unterwegs erkannt und festgehalten worden war, gefangen. Obwohl sich selbst Papst Nikolaus IV. für ihn verwendete, ließ der König ihn nicht frei; er ist nach ihm in der Gefangenschaft gestorben.
Es ist anzunehmen, dass das Verhalten Rudolfs gegen die Juden und gegen den Rabbi finanzielle Gründe hatte; er forderte für die Freilassung desselben ein bedeutendes Lösegeld, das die Juden nicht zahlen konnten, oder das der Rabbi, wie erzählt wird, ihnen zu zahlen verbot. War die Judensteuer von jeher eine wichtige Einnahmequelle für die Könige gewesen, so war sie es umso mehr für Rudolf, der zerrüttete Verhältnisse ordnen musste und der überhaupt Nachdruck auf die finanzielle Seite seines Amtes legte. Die Umstände waren so, dass er es tun musste; aber es scheint auch seine Anlage so gewesen zu sein, dass er es tun konnte. Auch die Art, wie er die Hand seiner Kinder zu politischen Zwecken ausbot und vergab, hatte etwas von der Geschäftigkeit eines Handelsmannes, selbst wenn man in Betracht zieht, dass fürstliche Ehen niemals zum Vergnügen geschlossen wurden. Er hatte drei Söhne und sechs Töchter; mancher hätte das viel gefunden, allein Rudolf hätte weit mehr verwerten können. Dennoch reihte er sich seinen Vorgängern würdig an, königlich in der Erscheinung, königlich in der Haltung. Er war sehr groß und sehr schlank; das, und der kleine Kopf, die schmalen Hände und Füße, die Adlernase gaben ihm etwas Aristokratisches. Sein Humor und seine Schlagfertigkeit machten ihn beim Volke beliebt, aber er fand auch, wenn die Gelegenheit dazu war, klangvolle Königsworte. Als er in Frankfurt die Huldigung entgegennahm und das Zepter fehlte, ergriff er ein Kruzifix und sagte: »Seht, das Zeichen, in welchem wir und die ganze Welt erlöst worden sind, das soll unser Zepter sein.« Und wenn er bei der Krönung gelobte, »ein Schirmer des Landfriedens zu sein, wie ich bisher ein unersättlicher Kriegsmann gewesen bin«, so war das kein leerer Redezierat, sondern er empfing die Würde, die ihm zugefallen war, als Verantwortung und Vertiefung seiner Lebensauffassung. Der Ritt des dreiundsiebzigjährigen Kaisers, dem die Ärzte gesagt hatten, dass er nur noch kurze Zeit zu leben habe, von Germersheim nach Speyer, damit, wie er sagte, niemand ihn dahin zu führen brauche, wo seine Vorfahren ruhten, wurde von den bewundernden und wissenden Augen eines dankbaren Volkes begleitet und ergreift uns noch heute. Es war der 14. Juli 1291; am folgenden Tage starb er.
Kaum ein Kaiser hat es sich so sauer werden lassen wie Rudolf von Habsburg; man glaubt es von den Linien abzulesen, die sein melancholisches Gesicht durchfurchen. Was ihm fehlte, war die umfassende Bildung, die überlegene Geistesfreiheit der Staufer und war vielleicht mehr als alles die blühende Zeit,