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Der Heidekönig. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.

Der Heidekönig - Max Geißler


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Glanze, der über seinem blühenden Lande lag in jedem jungen Jahr. Stijn Maris zeichnete auch — Gartenanlagen, die ihm vorschwebten, und die ihm unter den Landschaftsgärtnern wohl einen ausgezeichneten Ruf eingetragen, wenn er es hätte über sich gewinnen können, sich in den Dienst eines grossen Gemeinwesens zu stellen oder in menschlicher Gemeinsamkeit zu leben. Er zog es vor, ein armer König zu sein, dessen Reich die Moorheide war, über die der Fuchs strich — aber doch ein König; denn er schrieb diesem Reiche die Gesetze. — Das war Stijn Maris, den sie begraben hatten, als der Frühling vor den Toren stand.

      Dann war noch Flossy Maris, die Witwe, die ihre Zwillingssöhne Jakob und Willem vor zwei Wochen zu den Meistern nach Utrecht und Amsterdam geschickt hatte.

      Flossy Maris war der einzige Mensch der Welt, der um diese Zeit wusste, wie es mit Matheis Maris stand und wohin er zielte. Zuerst hatte sie lächelnd zugesehen und in hellem Erstaunen. Oder soll eine Mutter nicht erstaunt sein, wenn sie erkennt, dass der junge Sohn mit einem armen Stift oder mit einem noch ärmeren Stück verkohlten Holzes dem lieben Gotte die Welt nachschafft im Bilde? Die Namen vieler berühmter Maler kannte sie und hatte Bilder gesehen in den Museen der Städte. Aber von dem Sohne, den sie unter ihrem Herzen getragen, bis zu jenen berühmten Männern reichte ihre Erkenntnis nicht. Darum: als sie gewahr wurde, dass seine Liebe zu Stift und Pinsel heisser war als zu dem Werke seines Vaters — von Stund an verlegte sie sich aufs Schelten. Taugenichts sagte sie zu Mattheis, wenn die Bitterkeit über sie kam, und Tagedieb. Aber dann schämte sie sich ihrer Härte wieder; denn in Wahrheit war der Junge fleissig über die Massen, auch als Lehrling in den Kulturen. — Danach versuchte sie es mit mütterlichen Lehren: der Matheis sei nun in dem Alter, in dem der Mensch verständig würde. Er müsse diese Narrenspossen also ablegen und einsehen, dass ...

      Ja doch, Matheis sah ein. Aber Stift und Kohle liefen ungerufen in seine weise Hand. Und als er einmal den Holzverschlag, bei der Stiege nach oben, mit einer Moorlandschaft bemalt hatte und das Bild hernach mit himmelblauer Leimfarbe und einem Kalkpinsel übertünchte — da war es Flossy Maris, als habe ihr der Junge mitten ins Herz geschlagen. Sie aber sagte nur: „Und es war solch ein feines Bild.“

      Einmal am Ostermorgen trat in dem Verhältnis der Mutter zur Kunst ihres Sohnes abermals eine Wandlung ein. Die beiden Jüngsten waren fort. Und der Vater war begraben. Matheis hatte mit der Mutter Kaffee getrunken. Das Geschirr stand noch auf dem Tische. Flossy Maris hantierte draussen im Hausgange mit wundem Herzen. Der Matheis sass auf der Wandbank im Winkel zwischen den beiden Fenstern. Ostersonne jubelte von rückwärts herein. Aus der Uhr in dem schweren Holzkasten neben der Stubentür klang bedachtsam der Schritt der Zeit. Ein rauher Teller aus rotem Ton stand auf dem Tische. Matheis rückte den bäuerlichen Brotlaib zurecht, lehnte den Teller daran, ergriff den Kohlestift, der in der Wasserrinne der Fensterbank lag. Wehmütig und voll Erinnerungen für ihn war die Stunde. Aus leichten Linien, die er auf den Grund des Tellers warf, bildete sich das Antlitz seines Vaters. Schier im Traume wuchs es auf den roten Ton. Einmal erwachte der Zeichner und lehnte sich prüfend zurück gegen die Wand. Noch einmal erwachte er — da hielt er den Teller auf Reichweite fort von dem sinnvoll wägenden Auge. Dann stützte er den Kopf wieder mit der Linken, und die Kohle schurrte über den rauhen Malgrund. Mit der Spitze des vierten Fingers wischte er hier die harte Linie zu weichem Schatten, modellierte er dort Leben, wo der karge Stift nur Konturen gezogen. Die gleiche wundertätige Fingerspitze begann breithin über den Rock und Schulteransatz zu streichen, zuerst noch schöpferisch — in zwei Sekunden vielleicht schon zerstörend, wie ein übermütiger Junge die Wände eines Hauses durcheinanderwühlt, die er als ungefüge Striche in den Sand gezeichnet ... Da hatte die weisse Ziege im Stall ihre Osterlämmer geboren!

      Flossy Maris erschien im Rahmen der Tür und läutete die freudige Botschaft durchs Haus. Oh, Flossy Maris lachte ja wieder! Es war Ostern in der Welt.

      Matheis sprang ihr nach. Da ihm draussen noch allerlei unter die Hände kam, erschien die Mutter nach einer kleinen halben Stunde allein in der Stube. Sie trat an den Tisch, das Geschirr abzutragen, und erschrak vor Stijn Maris, der sie aus dem Grunde des Tellers anschaute — auferstanden!

      Ein Sprung lief ihr durchs Herz, ein Glück an dem Sohne— hinausjubeln hätte sie es mögen! Kein Photograph hätte die Züge des Stijn Maris so voller Leben auf seine Platte bannen können. Es hatte seit ihrem Hochzeitstag auch keiner die Aufforderung dazu bekommen. Stijn Maris — so wie sie ihn gesehen in seinem Hause, sinnend vor seinem Werke, mit all der Hingabe, die ihn bald zu einem Träumer, bald zu einem Wundertäter gemacht hatte inmitten seiner Blumen! Ein Stück verkohltes Holz hatte dies vermocht auf einer Scherbe aus rohem Ton!

      Flossy Maris fasste den Teller mit beiden Händen, als hielte sie einen grossen Schatz. So stieg sie die hölzerne Stiege nach oben in ihre Kammer. Sie legte aus einer kleinen verschliessbaren Kiste eine Menge Dinge heraus — Buchzeichen aus dem dicken Band ihres Lebens —, tat den Teller hinein und brachte den Kasten in Sicherheit zu unterst in ihrer Truhe.

      Es wurde von diesem Vorgange kein Wort geredet zwischen ihr und Matheis. Nicht an jenem Tag und nicht in der künftigen Zeit. „Sie wird den Teller gespült haben,“ dachte der Sohn. Das aber merkte er nicht, dass das Auge der Mutter in Stunden der Ruhe an ihm hing wie an einem schönen ungelösten Rätsel, wie an einem Besitze, der ihr gehörte, soweit er ... nun ja, soweit er irdisch war. Aber sie geriet in ihm an eine Grenze, darüber konnte sie nicht hinweg mit ihren einfältigen Sinnen.

      Eigentlich war das schon lange so gewesen. Ja. Aber zuvor hatte sie gescholten, so oft sie diese Grenze erkannte. Jetzt aber war ihr, als müsse sie in Demut ihre Stirne neigen vor der geheimnisvollen Kraft, die in diesen Menschen hineingeboren, der doch ihr Sohn war.

      Fortan schalt sie nicht. Sie schwieg sich an diesen Dingen vorüber in Furcht und Hoffnung. Aber die Furcht war stärker. — Ein zweischneidig Schwert ist das Gottgeschenk des Genies.

      Ein zweischneidig Schwert. Deshalb stellt sich die Welt auf diese gefährliche Gottesgabe gar nicht erst ein, ehbevor sie nicht ein Museumsstück geworden ist.

      Durch Nele Greefs ward es ruchbar: Matheis Maris will die Kulturen verkaufen. — Weil seine Jugend dazu kein Recht hatte, musste er die Mutter von dieser Notwendigkeit überzeugt haben.

      Wenn es nun geschah, dass Menschen aus dem Dorfe mit Flossy Maris zusammentrafen, brachten sie die Rede darauf; es sei eine Angelegenheit, die ihnen doch sehr am Herzen läge. Sie warteten mit Ratschlägen auf, um die sie niemand gebeten hatte. Sie liessen Weisheiten los, die Flossy Maris nicht von ihnen forderte. Sie machten die Frau bange vor dem Leben. Und verspürten doch keinen Hauch von den Dingen, auf die es in diesem Fall ankam. Es spielte sich in jenem Winkel das Trauerspiel ab, über dem der Vorhang nie heruntergeht, wo Menschen wohnen. An dem Kern der Sache redeten sie himmelweit vorbei. Aus Matheis Maris machten sie vor der Mutter einen Narren, der obendrein ein brutaler Junge sei, dem der Holzschuh hinter die Ohren gehöre. — Es sah aus, als hätten sie eins Meile im Umkreis nichts weiter zu denken. Über diesem Feuer gerieten die Sorgen von Flossy Maris in Treibhausluft. Sie redete mit ihrem Sohne von den Meinungen der Leute, abendelang. Und tagelang weinte sie heimlich in sich hinein. — So hatten die Menschen Flossy Maris mitten entzweigerissen.

      Flossy ward scheu und mied sie. Das ruhsame Gemüt des Matheis geriet zu Zeiten in Sturm. Die Menschen zertraten das Glück und den Frieden des kleinen Hauses. — Es ist keine Rettung vor ihnen, auch nicht für den, der zwischen sie und seine Zäune eine halbe Meile Weg legt.

      Zuerst — wenn sich einer an Matheis selbst herandrängte mit seinen Ansichten — gedachte der ihn zu überzeugen. Aber das ging nicht. Es war da wie bei Nele Greefs: ihre Welt war mit Brettern verschlagen an einer gewissen Stelle, über die sie hinweg mussten. Also: es ging nicht. Dann kam der Trotz über ihn, und er verbat sich jede Einmischung in Dinge, die sie nichts angingen und für die sie zu dumm wären. Da war die Feindschaft fertig. Die Revolution der Seele des Matheis Maris begann. Er wollte nichts von den Menschen: kein Almosen, keinen Rat, keine Freundschaft, keinen Handel. Es war niemand so still, friedsam und abseitig wie er. Nichts als diese Stille, Friedsamkeit und Abseitigkeit sollte man ihm lassen. Man weigerte es ihm. — Darüber wuchs eine Feindschaft zwischen dem Haus auf der Heide und draussen — eine Feindschaft, nicht zu sagen!

      Als alle Bande zerrissen waren


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