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Jockele und seine Frau. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.

Jockele und seine Frau - Max Geißler


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wollte weder aus dem Gedichte noch aus der Offenbarung, die sie davor gehabt hatte, ein Geheimnis machen. Sie kannte nun die Leute alle bis auf die letzten Kammern ihrer Herzen, die sich die Sturmschwalben nannten. Rolf Krake hatte mit jenem Namen ihren stolzen Flug zu den Höhen des Lebens kennzeichnen wollen, zu denen nur seltene Menschen den Aufschwung probieren. Er war ihm eingefallen in beglückter jugendlicher Überhebung und in einer Stunde, in der er die Masse zu sich und der Erde wohl einmal nicht bei der Hand hatte. Aber nun wusste Do: Rolf Krake war auch mit der Naturgeschichte der Sturmschwalbe nicht vertraut gewesen, sonst hätte er zu erhabenem Sinnbild nicht dies Geschöpf gewählt, das, nach alter Seemannsmär, weder fliegen noch schwimmen kann, sondern in ewigem Wechsel bald das eine versucht, bald das andere, und sein Element doch niemals findet. „Sturmvögel“ hatte Rolf Krake sagen wollen; denn in dem Namen sollte das Symbol des Kampfes einer hochgemuten Jugend mit den Stürmen des Lebens aufgestellt werden.

      Nun sprachen sie darüber. Es war abends an dem runden Tisch im Saal. Do dachte zwar, dass ihm das aus mangelnder Naturgeschichte passiert wäre — aber: es konnte auch aus überlegen spottender Erkenntnis gewesen sein.

      „Nein,“ gestand er, „es ist eine Dummheit gewesen ... Je nun, vielleicht war es das Gescheiteste, was mir je eingefallen ist; denn wir alle — mit Ausnahme von Jakobus und Doris — sind wir nicht die leibhaftigen Sturmschwalben der Seemannsmär? Zu leicht zum Gleiten am Grund, zum Fluge zu schwer?“

      Sie sassen bis gegen Mitternacht. Und weil sie sich voreinander nicht versteckten, war dies Gespräch für alle voller Erkenntnis und Gewinn.

      Am anderen Tage war Jockele mit Hanna schon vor Sonnenaufgang zum Karauschenteiche hinan auf das Fjeld gewandert. Die neuesten Werke über die Froschlurche stimmten seltsamerweise darin überein, dass der grüne Wasserfrosch ein Schattentier wäre — etwa wie die Kröte. Der Doktor aber hatte beobachtet, dass gerade dieser mit der Sonne an den Teichrand stieg und mit ihr um den Saum des Wassers wanderte, immer ängstlich darauf bedacht, in der vollen Bestrahlung zu sitzen. Auch anderen Irrtümern der neuesten Forschung war er auf der Spur. Sie betrafen alle die Lebensweise der Frösche und nicht die Kenntnisse, die man sich in den zoologischen Instituten der Hochschulen aneignen kann.

      Johnny und Gwendolin waren ebenfalls schon mit dem Malzeug fjordaufwärts gefahren. Do hatte eine Bergwanderung mit Rolf Krake vor. So blieb James allein daheim. Aber auch er ward von Nane Thord kaum gesehen; denn er steckte den Tag über mit seinem Boote im Rohr am Ende der Insel und strich Schilf und Ruder mit Zinkfarbe an, die in der Nacht leuchtet. Dabei setzte er ein sehr geheimnisvolles Gesicht auf.

      Es wurde wieder einmal ein ereignisvoller Tag.

      Droben am Karauschenteiche, dem Auge der Bergheide, sassen Jockele und Hanna. Sie hatten nun das brüderliche Du füreinander erfunden, und Hanna nannte ihn im fröhlichen Sonnenrausch ihrer Hochwelteinsamkeit den „Mann mit den drei Frauen“.

      „Na, hör mal!“ sagte Jockele in lustiger Entrüstung.

      „Es ist dennoch so! Du machst es der Gwendolin und mir furchtbar schwer, dich nicht über Gebühr liebzuhaben.“

      „Das könnt ihr halten wie ihr wollt,“ sagte Jockele.

      Da legte sie ihm den Arm um den Nacken und drei schwesterliche Küsse auf den Mund. „Ist das nicht über Gebühr, mein Herr?“

      „Ach Unsinn,“ sagte er.

      „Nun, so soll Do entscheiden!“ antwortete sie ein bisschen ärgerlich; denn sie hatte aus den rückwärtigen Tagen die Überzeugung gewonnen: ihre Wette von der Hochzeitstafel würde für sie verloren. Da fiel es auch dem Jockele wieder ein, dass er damals in überschiessender Lust dagegen gesetzt hatte. „Du hast Angst um deine Mark,“ spottete er.

      Da lachte sie: „Ach nein — um die Richtigkeit meiner Ansicht! Entweder hab’ ich damals Unsinn geredet oder — Jakobus Sinsheimer ist eine Ausnahme von der Regel.“

      „Nach so kurzer Zeit lässt sich das noch nicht mit Sicherheit feststellen,“ scherzte er. „Wir müssen wohl warten bis zu meinem Tode.“

      „Du hast fürchterliche Angst um deine Mark!“ vergalt sie ihm nun. Sie küsste ihn in jähem Übermute noch dreimal und sagte: „So, nun hast du deine Wette verloren! Es ist rein zum Verzweifeln.“

      „Ich finde: weder das eine noch das andere,“ sagte er.

      „Nun, wir werden ja hören, was Do dazu meint.“

      Dann sprachen sie über Liebe und Ehe und auch von den Erlebnissen, die er in seiner jungen Zeit mit Gwendolin gehabt hatte. Es war Hanna furchtbar interessant, wiewohl Do und Gwendolin ihr das alles schon einmal erzählt hatten. „Wenn ich Do wäre, so litte ich nicht, dass Gwendolin und Hanna Fellner die gleiche Luft mit dir atmeten.“

      „Ja, so halten es die Menschen,“ sagte er, „weil sie einander nicht vertrauen bis zum nächsten Busche — und weil sie ihre Liebe nicht reif werden lassen vor der Hochzeit.“

      Dann schlich er wieder einmal auf den Zehen um den Karauschenteich. „Es sind annähernd dreihundert grüne Wasserfrösche da!“

      Hanna betrieb inzwischen ein nachdenkliches Spiel mit Heidehalmen. So oft er an ihr vorüber kam, warf er ihr ein kluges und schönes Wort von der Ehe hin oder von der Liebe. Das fing sie wie eine seltene Blume und schmückte sich das Herz damit — das wirbelige törichte Herz, das einst gemeint hatte: es hätte die Liebe nach allen Himmelsrichtungen erprobt. —

      Wie es indessen um Gwendolin und den langen Mister Johnny aussah? Auf der Fahrt den Fjord hinauf war es morgendlich kühl in dem kleinen Schiffe. Als sie dann an ein sehr schönes Naturtheater kamen, auf dem sich die Kulissen sommerbunt und kühn durcheinanderschoben, sagte Gwendolin: „Sie, lassen Sie mich heraus — das muss ich malen!“ Sie war noch genau so wie damals in der wilden Jockele-Zeit: vor einer romantischen Aufführung der Natur konnte sie nicht vorübergehen. Das strich sie dann keck und aufgeblüht aus ihrem jauchzenden Herzen, und es wurde ein ungeheueres Farbenerlebnis daraus.

      Sie hatte sich seit dem Tage, da ihr der Freund verlorengegangen war, nicht gewandelt. Nein, Gwendolin Vogelgesang war nicht von der Art jener, die die Tür unbedacht ins Schloss werfen und dann davorstehen mit Reu’ und „Hätt’ ich doch“. O, die Entgleisung Henriks war ihr nicht gleichgültig — ihr am wenigsten. Aber sie hatte von allen die kräftigste Überlegenheit gegen das Leben.

      Nachdem sie ihre Staffelei aufgestellt hatte, verfiel sie gleich mit Allgewalt ins Malen. Sie war dabei so rasch, dass sie nie zweimal zu einem Motive ging; denn sie kopierte nicht die Natur, sondern sie schuf das künstlerische Erlebnis, das sie davor hatte, in Form und Farbe. Ja, so war es um ihre Kunst; es wandelte sich auch darin nichts. Viele verstanden sie nicht, aber viele beglückte sie. Es kümmerte sie nicht, was sie damit für eine Wirkung erzielte.

      Ob John Williams weiter fjordaufwärts gerudert war, oder ob er irgendwo hinter einer Kulisse steckte und sich in seiner veristischen Manier abmühte, wusste sie in ihrem himmlischen Untergange nicht. Er aber hatte zur Genüge erfahren: Gwendolin konnte jemandem Palette und Pinsel ins Gesicht werfen, dem es beikam, ihre Eingebungen zu stören. Sie musste allein sein mit dem Gott, der in ihr schuf.

      Wenn Johnny an diesem Tag nicht vorgehabt hätte, auf sie zu warten, so hätte er sie am Morgen nicht mit in sein Boot genommen.

      Der Wandel der Lichter und Schatten, der um Mittag eintrat, verurteilte ihn zur Untätigkeit. Da legte er sich auf das kurze Gras eines Hügels und guckte in die spiegelnden Wasser. Bergkuppen standen darin, silberstämmige Birken, finstere Föhren, die sich an Zacken klammerten; und die flimmernden Eisströme vom Folgefond. Und alles blühte hinein in die seligen Himmel der Tiefe. Den „Malkasten des Herrgotts“ hatte Gwendolin den Fjord genannt.

      Johnny hatte seinen Platz so gewählt, dass er Gwendolins Wildrosenhut sehen konnte, wenn er sich ein wenig aufreckte. Diese Gelegenheit nahm er viel öfter wahr, als er dachte. Er sah sich an dem Zauberspiegel der Flut müde, aber an Gwendolin nicht. Nun ja — Henrik Toftes Abreise mit unbekanntem Aufenthalt war ein harter Schlag für ihn gewesen. Aber die Sache hatte doch auch ihre gute Seite ...

      Der


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