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Evolution statt Revolution - Anke Nienkerke-Springer


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nur Wert auf intensive Kundenbeziehungen legt, um Profit zu machen. Nein, es strahlt an seine Mitarbeiter das Signal aus: »Nehmt euch Zeit für die Kunden, um unsere Wertschätzung zeigen zu können!«

       Die Werte der Unternehmerpersönlichkeit spiegeln sich im Unternehmen

      An der Spitze erfolgreicher Unternehmen steht oft eine fokussierte Unternehmerpersönlichkeit, die sehr genau weiß, was sie will. Betrachten wir dazu die Drogeriemarkt-Branche. Findet der Drogeriemarkt dm Erwähnung, fällt den meisten von uns wohl der Gründer Götz W. Werner ein. Werner setzt sich als Vertreter eines anthroposophischen Weltbildes für die Kernbotschaft eines bedingungslosen Grundeinkommens ein. Sein neuestes Projekt: Die Mitglieder der dm-Arbeitsgemeinschaft in Deutschland sind damit beschäftigt, statt eines gewinnmaximierenden Handelskonzerns einen sozialen Organismus zu entwickeln. Es ist das Anliegen des Gründers, einen sozialen Organismus zu kreieren, bei dem alle Mitarbeiter in flachen Hierarchien arbeiten, ein hohes Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht haben und in dem mit ihnen auf Augenhöhe kommuniziert und interagiert wird. Götz W. Werner will ein Unternehmen schaffen, in dem sich Menschen weiterentwickeln und ihre Potenziale entfalten können. Entscheidend dafür ist für ihn eine »dialogische Unternehmenskultur«.

      Dialogische Unternehmenskultur bedeutet für Werner, »dass man sich mit jedem Mitarbeiter auf Augenhöhe bewegt und man in den menschlichen Beziehungen keine Hierarchien kennt. Alle unsere Mitarbeiter sollen sich bemühen, miteinander so ins Gespräch zu kommen, dass sie sich gegenseitig verstehen und respektieren. Ein Lehrling soll dabei nicht anders behandelt werden als ein Kollege aus der Geschäftsleitung. Es geht um den Dialog und nicht darum, gehorsam Befehle auszuführen. Wir wollen, dass unsere Kollegen Dinge ausführen, weil sie einsehen, dass es vernünftig ist, und nicht, weil ihnen gesagt wurde, dass sie sie ausführen sollen.« (Werner 2019)

      Unternehmerpersönlichkeiten verfolgen oft eine Mission, ohne missionarisch zu sein. Ein Unternehmer kann sich meistens allerdings erst dann sozial engagieren und Geld in soziale Projekte investieren, wenn der unternehmerische Erfolg als Grundlage vorhanden ist. Ein Unternehmen, bei dem kein Wert auf diese Grundlage gelegt wird, wird rasch vom Markt verschwinden.

      Die Werte des dm-Unternehmers Götz W. Werner spiegeln sich im Wesen und den Marktaktivitäten seines Unternehmens. Ähnliches lässt sich über Dirk Roßmann und die Dirk Rossmann GmbH sagen; auch hier liegt ein hoher Grad der Gleichsetzung zwischen der Person an der Spitze und der Drogeriemarktkette vor. Seine Firma genießt eine entsprechende Reputation. Das soziale Engagement des Gründers spiegelt sich in seinem Leitmotto: »Geld verdienen, um anderen helfen zu können.« In diesem Sinne hat Roßmann die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) gegründet, eine international tätige Entwicklungshilfeorganisation, die sich für Selbsthilfeprojekte in armen Regionen einsetzt.

      Auch hier gibt es zahlreiche Gegenbeispiele, auch im Drogeriemarktbereich. Genannt sei das unrühmliche Verhalten von Anton Schlecker – ob es ein Zufall ist, dass selbst in den wirtschaftlichen Glanzzeiten von Schlecker das Unternehmen und sein Agieren am Markt nie unumstritten waren, ebenso wie sein Gründer und Lenker? Vor allem dessen Verhalten gegenüber den Mitarbeiterinnen, den sogenannten »Schlecker-Frauen«, hat in der breiten Öffentlichkeit immer wieder für Unmut gesorgt, etwa als bekannt wurde, dass es den Filialen selbst in Notfällen nicht mehr möglich war zu telefonieren, weil die Telefone entfernt wurden. Um es auf den Punkt zu bringen: Während bei dm die Ausrichtung »Sozialer Organismus statt Gewinnmaximierung« gilt, standen bei Schlecker wohl eher Gewinnmaximierung und Profitdenken im Vordergrund.

      Derzeit wird in vielen Unternehmen diskutiert, wie sich eine stärker ethisch ausgerichtete Unternehmenskultur etablieren lässt. Das ist den zahlreichen Skandalen geschuldet, die die Öffentlichkeit zurzeit beschäftigen. Doch es gelingt Unternehmen wie Volkswagen oder der Deutschen Bank nicht, den Leitgedanken, die Ethik wiege schwerer als das Geschäft, durchzusetzen. Bei Volkswagen etwa sollte im Zuge des Dieselskandals ein VW-Vorstand für Regeltreue im Konzern sorgen. Doch: »Einfach nur Regeln aufstellen reicht da nicht« – vielmehr war und ist es notwendig, die Unternehmenskultur zu verändern. »Die Mitarbeiter sollen sich weniger als Befehlsempfänger verstehen denn als Mitarbeiter mit Wertebewusstsein, die ein Gespür dafür entwickeln, welche Geschäfte integer sind – und welche nicht.« (Klawitter 2019, S. 64) Doch das ist gewiss nicht leicht, solange gegen die – ehemalige – Konzernspitze mögliche Schadensersatzklagen anhängig sind oder Gerichtsprozesse drohen.

      »Sie wollen Wirtschaftsethik studieren? Da müssen Sie sich schon entscheiden, junger Mann« – das soll ein Professor einst einem Studenten in der Studienberatung gesagt haben. Das Bonmot soll auf den unversöhnlichen Widerspruch zwischen Wirtschaft und Ethik aufmerksam machen. Natürlich: Die Wirtschaft und die Unternehmen sind keineswegs nur von Menschen bevölkert, für die Ethik ein Fremdwort ist. Aber es gibt doch erschreckend viele Unternehmen, in denen es den Menschen nicht gerade leicht gemacht wird, ihre moralischen Skrupel einzubringen, einfach, weil dies nicht in der DNA des Unternehmens angelegt ist.

      Wenn es denn so etwas wie eine ethische Urquelle in uns Menschen gibt, dann scheint sie, so befürchte ich, bei vielen Unternehmenslenkern verschüttet zu sein. »Moral wirkt noch immer wie ein Makel, und Ethik erscheint lediglich als Bremse für den Umsatz. Werte seien ja schön, heißt es oft, aber sie müssten sich rentieren«, so der traurige Befund einer Analyse des Fehlverhaltens von Managern in deutschen Unternehmen (Klawitter 2019, S. 64).

      An dieser Stelle treffen die Worte des Ethikprofessors Joachim Kohlhof zu: »Ohne Ethik versagt die Politik, verkommt die Wirtschaft, verwahrlost die Gesellschaft und verirrt sich der Mensch in das Nichts vom puren Tun.« Ein Grund mag sein: Der Gewinn wurde zum Maß aller Dinge. Oft, so scheint es, sind den handelnden Menschen in Politik, Medien, Wirtschaft, Wissenschaft und kirchlichen Institutionen sowie öffentlichen Einrichtungen das Gefühl und der Blick für das rechte Maß abhandengekommen.

       Die Unternehmerpersönlichkeit und ihre Eigenschaften

      Wann ist ein Unternehmen ein wertschätzendes Unternehmen? Doch wohl vor allem dann, wenn es von klugen Unternehmerpersönlichkeiten mit Haltung geführt wird. Es stellt sich daher die Frage, was eine »kluge Unternehmerpersönlichkeit« überhaupt ausmacht und kennzeichnet. Sich nur an Gesetze und Regeln zu halten genügt nicht. Vielmehr benötigen Unternehmer, Manager und Führungskräfte ein festes und stabiles Wertegerüst, eine klare Haltung, die auf einem Wertebewusstsein beruht und sich an konkreten Inhalten orientiert. Dabei dürfen Moral und Ethik keiner Auszahlungslogik und den Gesetzmäßigkeiten der Gewinnmaximierung unterworfen werden, nach dem Motto: »Ich verhalte mich moralisch, weil es sich lohnt und sich bezahlt macht und ich dann anerkannter und erfolgreicher bin.« Unternehmerpersönlichkeiten reflektieren ihr Denken und Tun ständig und überprüfen ihre Handlungen im Rahmen eines Selbstreflexionsprozesses kritisch, indem sie ihre Aktivitäten und ihre Entscheidungen an ihrem Wertesystem messen: »Werde ich mir selbst, werde ich meinen eigenen – auch moralischen – Ansprüchen noch gerecht?«

      Ich nenne solche Persönlichkeiten »fokussierte Menschen« (vgl. Nienkerke-Springer 2018a). Fokussierte Menschen weisen eine klare Haltung auf und können artikulieren, wofür sie stehen. Fokussierte Unternehmer- und Führungspersönlichkeiten werden von ihrem Umfeld als Menschen wahrgenommen, die Ecken und Kanten besitzen, an denen sich andere gerne festhalten, weil sie Orientierung, Halt(ung) und Stabilität garantieren: Wer eine Haltung hat, kann auch anderen Menschen Halt geben.

image Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung und Selbstsicherheit – aus diesem strategischen Dreiklang ergibt sich eine Haltung, mit der es der fokussierten Persönlichkeit gelingt, sich gegen Konformismus und Angepasstheit widerständig zu zeigen.

      Meiner Überzeugung und Erfahrung nach gilt: Eine fokussierte Persönlichkeit weiß genau, was untrennbar zu ihr gehört und was sie in ihrem tiefsten Inneren


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