Goodbye, McK... & Co.. Edgar K. GeffroyЧитать онлайн книгу.
Kundenkontakt, wenn sich Firmen im Vorfeld selbst Konzepte für Fachberatungen erarbeitet haben und den Berater gezielt für einen bestimmten Bereich beauftragen. HRler kontaktieren einen Berater, der aufgrund seiner Positionierung genau die Themen, Tools und Methoden anbietet, die sich das Unternehmen wünscht. Aber auch in Aus- oder Weiterbildungsseminaren tauchen immer mehr Führungskräfte auf, die ihr neues Wissen dann selbst in ihre Abteilungen bringen.35
Ein weiterer wesentlicher Grund für die gestiegene Professionalisierung ist auch die Tatsache, dass die Unzufriedenheit der Auftraggeber mit der Beraterleistung an sich zugenommen hat. Skandale um komplett gescheiterte Projekte haben gezeigt, dass die Branche nicht unfehlbar ist und ihre Macken hat. Aber diesen Macken kann man entgegenwirken, wenn man als Unternehmen gewisse Dinge selbst in die Hand nimmt. Deshalb haben die Unternehmen erste Schritte eingeleitet, um die Steuerung und Kontrolle im eigenen Haus zu haben und zusätzlich Kosten zu sparen. Zum einen wurden der Einkauf und der Umgang mit Beraterleistungen zentralisiert,36 zum anderen haben Firmen damit angefangen, Rahmenverträge mit solchen Beratungsanbietern abzuschließen, die als gut bewertet wurden.37
Wie professionell die Kunden geworden sind, haben der Consulting-Experte Prof. Dr. Michael Mohe und sein Team an der Universität Oldenburg im Jahr 2008 in einer Studie analysiert, zu der sie 500 der größten Unternehmen in Deutschland befragten, von denen letztendlich 161 an der Befragung teilnahmen.38 Die Bewertung der aktuellen Professionalisierung nahmen sie über folgende Kriterien vor:
• Wie viele der Firmen hatten Einheiten, die sich um Einkauf und den Umgang mit Beratung kümmerten?
• Wie viele der Firmen hatten schon längere Geschäftsbeziehungen mit Beratern, die sich als besonders positiv bewährt haben (= bevorzugte Beratungen)?
• Wie viele Firmen planten, in Zukunft mit Beratern zusammenzuarbeiten?
Das Ergebnis:
Ein Drittel der Befragten hatte bisher Einheiten aufgebaut, die Beratungsleistungen steuern. 10,5 Prozent planten, eine solche Einheit innerhalb der nächsten zwei Jahre aufzubauen, und 56,1 Prozent waren nicht daran interessiert.
24,6 Prozent der Unternehmen hatten bereits ein Programm für eine bevorzugte Beratung und ebenso eine interne Einheit für Beratungsleistungen, wohingegen 43,9 Prozent keine der beiden Alternativen umsetzten. 8,7 Prozent der Unternehmen mit interner Einheit hatten keine bevorzugten Beratungen, aber 12,3 Prozent von denen ohne interne Einheit hatten schon eine solche definiert.
Weniger als die Hälfte der Unternehmen wendeten die genannten Maßnahmen zur Professionalisierung überhaupt an. 43,1 Prozent hatten bisher eine bevorzugte Beratung in Anspruch genommen. 55,5 Prozent hatten diese überhaupt noch nicht angewendet und nur 1,4 Prozent planten, diese einzuführen.
Insgesamt ist auffällig, dass es anscheinend von der Größe eines Unternehmens abhängt, ob Professionalisierungsmaßnahmen überhaupt in Betracht gezogen werden. Sie scheinen nur für Unternehmen mit hohem Umsatz bzw. vielen Mitarbeitern interessant zu sein, was wiederum verständlich ist, denn eine regelmäßige Weiterentwicklung in dieser Richtung ist auch mit hohen Fixkosten verbunden.
Was bedeutet das für die Beraterbranche?
Mohe zieht daraus folgende Schlüsse:
• Es gehört klar der Vergangenheit an, dass Kunden in einer unterlegenen Position gegenüber Beratern sind. Unternehmen verfolgen mittlerweile das Ziel, ihre eigene Position zu verbessern, um das Risiko beim Beratungseinkauf so niedrig wie möglich zu halten.
• Was die Beziehung angeht, ist eine Tendenz zu einer »professionellen Distanz«39 erkennbar, da die Auftraggeber sich die Möglichkeit offen halten, Berater aus ihrem Datenpool zu entfernen, sollte die Leistung nicht mehr passen. Denn wenn sich ein Berater seiner Vorzugsposition als »Hausberater« zu sicher ist, könnte seine Leistung eventuell darunter leiden.
• Beratungsunternehmen müssen sich also generell darauf einstellen, auf kritische Kunden zu treffen, die ihr Leistungsversprechen hinterfragen. Dazu kommt, dass Berater in Zukunft noch sorgfältiger abwägen müssen, was lukrativer ist: sich auf die meist vom Kunden im Vorfeld erstellten Rahmenverträge einzulassen und damit auf längere Sicht relativ sicher Aufträge an der Hand zu haben – oder sich stattdessen mit möglichen geringeren Tagessätzen zufriedenzugeben.
Etwas weiter gedacht bedeuten diese Ergebnisse auch, dass Berater an sich selbst arbeiten müssen – mit Blick auf die eigene Weiterentwicklung und die Beziehung zum Kunden. Eine professionelle Distanz ist sicher wichtig, doch sollte man niemals verkennen, dass es immer auf eine Partnerschaft auf Zeit hinausläuft, in der es wichtig ist, dass sich der Kunde zu 100 Prozent auf seinen Berater verlassen kann. Dazu gehörte neben Professionalität und Fachkompetenz auch die Begegnung mit dem Kunden auf Augenhöhe, die Fähigkeit, sich in dessen Situation hineinzufühlen, das Verständnis für dessen Sorgen und Ängste und das Vermitteln von Sicherheit und Aufrichtigkeit, aber genauso auch der Mumm, dem Kunden zu sagen, wo es hakt und warum – auch wenn ihm das vielleicht nicht gefällt.
Nach wie vor scheint es für Berater ein lukrativer Weg zu sein, die Beratungshäuser zu verlassen und in die Führungsetagen der Unternehmen abzuwandern, um eine zweite Karriere aufzubauen und ihr Wissen zielgerichtet einzusetzen. Christian Gorny, Vorstandsmitglied der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei BDO, sieht eine problematische Entwicklung darin, dass bei einem solchen Wechsel in die Industrie viel Know-how aus den Unternehmensberatungen verschwindet.40 Diese Lücke gilt es zu füllen. Hier ist ein anderes Recruiting gefragt, das verstärkt Quereinsteiger aus Unternehmen anspricht, die wiederum mit viel Praxiserfahrung punkten können. Ein völlig neuer Beratertyp entsteht also, der bereits Fach- und Branchenkenner ist und sich bei seinem Einstieg in die Beraterbranche mit der Arbeitsweise einer Consulting-Firma vertraut macht.
Der Kunde erwartet heute nicht mehr eine Lösung von der Stange. Dennoch scheint es gang und gäbe zu sein, dass alte Konzepte immer und immer wieder Verwendung finden – nur noch die Anpassung an das Layout des aktuellen Kunden muss vorgenommen werden (»den Firmennamen im Text nicht vergessen«), und schon kann man für viel Geld eine bereits entwickelte Strategie erneut teuer verkaufen und den Kunden zufriedenstellen.
»Natürlich erfinden wir das Rad nicht immer neu«41, ist die Antwort eines jungen Mitarbeiters eines großen Beratungsunternehmens auf die Frage, ob man als Berater nicht doch nur vorgegebene Konzepte umsetzt. Damit bestätigt er, dass es bestehende Konzepte und Methoden gibt, die immer wieder angewendet werden, weil sie sich schlichtweg als erfolgreich erwiesen haben. Mit dem Hintergedanken, dass sich die Welt um uns herum stetig verändert, drängt sich da jedoch eine Frage auf: Funktionieren diese altbewährten Konzepte und Methoden eigentlich morgen auch noch?
Besteht hier nicht die Gefahr, dass man als Berater auf einer routinierten Erfolgswelle schwimmt, deren Konzepte und Tools eigentlich schon längst kritisch hinterfragt und überarbeitet werden müssten? Im Grunde genommen erwartet der Kunde genau das. Doch wie ist das noch mal mit Veränderungen? Genau … sie sind eigentlich unerwünscht, denn man weiß nie, was passiert.
Das Konzept, das nur entwickelt wird
Berater sind deswegen Berater, weil sie eine ganz eigene Art haben zu denken. Sie sind überzeugt davon, dass sie einen Sachverhalt schnell verstehen, die Umstände gut aufnehmen und Lösungen klar und strukturiert erarbeiten können. Genau diese Kompetenzen sind es auch, die Unternehmen so schätzen und weiterhin suchen. Denn sie möchten die Lösung, auf die sie allein nicht kommen.
Dabei gehen Berater bis dato immer nach der gleichen Struktur vor: Ermitteln der Ausgangslage, Analyse derselben, Lösungsentwurf und die nötigen Schritte der Umsetzung. Diese vordefinierte Struktur zieht sich durch sämtliche Projekte. Ganz wichtig dabei ist die Grundhaltung: Alles ist messbar. Ist etwas einmal nicht messbar, kann es nicht als Vergleichsfaktor verwendet werden und ist deshalb vernachlässigbar. Immer das Ziel vor Augen, werden diese messbaren Kennzahlen ständig dazu verwendet, den Fortschritt eines Projekts zu dokumentieren. Manager lieben das. Sie fühlen sich wohl in der Welt der Zahlen, Tabellen und Charts. Der Otto Normalangestellte kann mit alledem nichts anfangen und fragt sich daher: »Diese Berater kennen unsere Firma doch gar nicht – woher wollen ausgerechnet