Verblüffend einfach Ziele erreichen. Hans-Georg WillmannЧитать онлайн книгу.
– nur zehn Minuten.
Doch es sind nicht nur die Versuchungen, die schnellen Belohnungen, die uns davon abhalten, das zu tun, was notwendig wäre, um unsere Ziele zu erreichen. Es sind auch unsere eingeschliffenen Lösungsmuster, die uns immer wieder auf alte Wege führen, wo uns doch neue Wege offenstehen. Das erleben wir beispielsweise, wenn wir vom Mitarbeiter zur Führungskraft aufsteigen und versuchen, unsere neuen (Führungs-)Aufgaben mit unseren alten (Mitarbeiter-)Lösungen anzugehen. Oft versuchen neu ernannte Führungskräfte mit noch effizienteren Zeitmanagementtechniken alle Aufgaben selbst abzuarbeiten, statt mehr Aufgaben zu delegieren, um den Kopf für die Mitarbeiterführung und für wichtige Entscheidungen frei zu haben. Hier gilt der gleiche einfache Tipp: Wenn das, was du schon immer tust, nicht (mehr) funktioniert, dann hör am besten damit auf.
Nun ist auch das leichter gesagt als getan. Denn Lösungsmuster sind ja Verhaltensweisen, die einmal ganz gut funktioniert haben. Was machen wir, wenn ein Verhalten, das einmal funktioniert hat, jetzt leider nicht mehr hilfreich ist? Auch dafür gibt es einen Trick: Wir können damit anfangen, aufzuhören, das zu tun, was wir schon immer tun, indem wir uns erlauben, einmal etwas ganz ander(e)s zu machen. Wichtig ist dabei wiederum die Selbsterlaubnis. Wir können uns dazu entscheiden, etwas ganz ander(e)s zu machen, wir müssen aber nicht. Wir können uns auch dafür entscheiden, den alten Stiefel weiterzumachen, obwohl er nicht (mehr) funktioniert. Aber auch das müssen wir nicht.
Ein Mitarbeiter hat wieder einmal eine Aufgabe nicht richtig verstanden und liefert ein unbrauchbares Ergebnis ab. Der Chef merkt, wie er den Mitarbeiter wieder zurechtweisen will: »Herrje, zum wievielten Mal habe ich Ihnen das jetzt schon erklärt? Wann kapieren Sie das denn endlich? Machen Sie das so …!« Doch halt, hat eine Zurechtweisung des Mitarbeiters in der Vergangenheit zu guten Ergebnissen geführt? Nein? Dann wäre jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, einmal etwas ganz ander(e)s zu machen. Der Chef könnte seinen Mitarbeiter zum Beispiel einmal fragen, welche Unterstützung ihm helfen würde, um besser zu arbeiten. Er könnte mit dem Mitarbeiter auch in die Besprechungsecke gehen und erst einmal eine Tasse Kaffee mit ihm trinken. Um einmal etwas ganz anders zu machen, ist es hilfreich, wenn wir einmal etwas ganz anderes machen, zum Beispiel den Kontext wechseln – weg vom Schreibtisch, hin zur Besprechungsecke oder zur Kaffeeküche.
Wenn das, was wir schon immer tun, nicht (mehr) funktioniert, dann hören wir also am besten damit auf und machen etwas ander(e)s. Klingt eigentlich ganz einfach, allerdings sind wir es gewohnt und geschult darin, wenn etwas nicht funktioniert, noch mehr desselben zu tun und es noch härter zu versuchen. Try hard, try harder. Wenn es dann immer noch nicht klappt, dann haben wir einfach noch nicht genug getan – denken wir. Manchmal stimmt das auch. Manchmal müssen wir noch mehr und noch härter arbeiten, um unser Ziel zu erreichen. Aber ganz oft stimmt es auch nicht. Ganz oft holen wir immer und immer wieder unseren Hammer aus der Schublade, obwohl wir schon längst Schrauben in die Wand drehen wollen.
Ich erinnere mich noch ganz genau an jenen heißen Tag im Juni 2014, als ich den »Hammer« nicht aus der Hand legen konnte. Ich hatte mir die Pfingstwoche freigenommen, um in aller Ruhe zu schreiben. Eine Woche keine Termine. Telefon aus. Autoreply im E-Mail-Account. Frau alleine im Urlaub. Freunde und Familie informiert. Jetzt nur noch mein Mac-Book und ich an meinem großen Holztisch in Freiburg mit Blick über den Schwarzwald. Ein Traum. In den vergangenen Wochen hatte ich mich auf eine Fragestellung für mein neues Buch »Erfolg durch Willenskraft« konzentriert. Dazu hatte ich viele Gespräche geführt, Artikel gelesen und Notizen gesammelt. Und jetzt war wieder Schreibwoche: früh morgens aufstehen, unmittelbar danach an den Rechner, anfangen zu schreiben, den ganzen Tag. Unterbrochen nur von einigen kurzen Pausen. Bis spät in die Nacht. Am nächsten Morgen das gleiche Programm. Flow-Erlebnis pur.
Die ersten beiden Tage liefen wunderbar. Pfingstmontag wollte ich genauso weitermachen. Irgendwie hat es aber nicht geklappt. Keine Konzentration. Schon am Vormittag 25 Grad. »Egal«, dachte ich. »Ich habe einen Plan: schreiben, bis ich einschlafe.« Nach vier Stunden am Rechner hatte ich fünf Sätze geschrieben. Immer wieder kamen mir Gedanken ans kühle Wasser im nahegelegenen Schwimmbad in den Sinn. »Nein. Selbstregulation. Du musst schreiben.« Nachmittag. Die Luft steht in der Wohnung. Dachgeschoss. 37 Grad. Ich sitze und schwitze und versuche zu schreiben, weil das mein Plan ist und bislang auch immer geklappt hat. Sitzen und konzentriert schreiben, bis etwas Brauchbares dabei rauskommt. Mittlerweile habe ich schon fast eine Seite geschrieben – in sieben Stunden. »Schwimmbad? Nein! Du musst schreiben, das ist dein Plan.« Abend. Immer noch über 30 Grad. Jetzt habe ich die Seite vollgeschrieben – und gelöscht. War nichts. Ich will raus, weg vom Holztisch und dem Rechner und schaffe es nicht.
Nach zehn Stunden starrend vor dem Bildschirm muss ich plötzlich laut über mich selbst lachen. »Prima, HG, hast den ganzen Tag verbockt. Nix zu Papier gebracht. Nicht im Schwimmbad gewesen. Rückenschmerzen.« Ich wollte zu sehr mit meiner üblichen Schreibstrategie, die ja immer prima funktioniert hat, das Kapitel zu Ende schreiben und habe dabei versucht, »mit dem Hammer Schrauben in die Wand zu klopfen«. Doch mehr desselben Verhaltens war nicht die Lösung. Ich hätte einfach aufhören und etwas ganz ander(e)s machen können. Eben ins Schwimmbad gehen und danach frisch und erholt einige Seiten zu Papier bringen. Das wäre viel besser gewesen, als dazusitzen und den Bildschirm anzuglotzen. Am nächsten Tag habe ich freigemacht. Wenn etwas nicht funktioniert – dachte ich mir –, dann hör auf damit und mach etwas ander(e)s.
Unser Weg nach Tamanrasset, ein ehemaliger Karawanenstützpunkt und heute die größte Oase im Süden Algeriens, ist anspruchsvoll. Der Himmel bleigrau, die Luft voller Sand. Asphaltierte Straßen verschwinden, weil sich durch die Hitze und den LKW-Verkehr der Asphalt auflöst. Übrig bleiben Pisten. Unser Weg entsteht oft dadurch, dass wir uns eine Spur durch den Sand pflügen. Auf den unendlichen Kilometern nach Süden begreife ich zum ersten Mal, wie es sich anfühlt, wenn kein Weg mehr vorgegeben ist. Ich denke mir: Da kann man auch verloren gehen. Das muss man echt wollen und aushalten können.
Wenn Sie das nächste Mal über einer Aufgabe brüten – so wie ich an meinem Schreibtag bei 37 Grad – und einfach nicht weiterkommen, wenn Sie mit Ihrem Partner streiten und erfolglos versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass natürlich Sie recht haben, wenn Sie versuchen, mit noch effizienteren Zeitmanagementtechniken Ihr Karriereziel zu erreichen, es aber einfach nicht klappt, dann wäre es vielleicht einen Versuch wert, einmal etwas ganz ander(e)s zu machen. Erlauben Sie sich, es auszuprobieren.
3. ANFANGEN
Wenn du weißt, was funktioniert, fang damit an.
Manche Leute erwarten im Coaching etwas Gewaltiges, etwas Spektakuläres, das sie von Grund auf verändern wird. Einige Leute kommen mit der Vorstellung von viel Puff und Paff ins Coachinggespräch – und mit dem ebenso nachvollziehbaren wie unrealistischen Wunsch, auch große Ziele »über Nacht« zu erreichen. Doch wirksames Coaching ist unspektakulär. Es geht dabei sehr häufig um eine ganz einfache Erkenntnis: Wenn du weißt, was funktioniert, fang damit an.
Du willst ein Buch schreiben? Du kannst schreiben? Fang damit an! Du willst eine Stunde auf dem Laufband trainieren? Du kannst laufen? Fang damit an! Du willst für eine Prüfung lernen? Du weißt, welche Themen abgefragt werden? Fang damit an!
Leider ist es nicht so einfach, mit etwas anzufangen, das uns anstrengt. Wie oft sind wir hoch motiviert, wissen genau, was zu tun ist, tun es aber nicht, obwohl wir genügend Zeit dafür haben? Stattdessen machen wir tausend Dinge, die leichter und schneller zu erledigen sind und die uns sofort eine Befriedigung geben: telefonieren, Mails beantworten, einkaufen, duschen, ja sogar Fenster putzen oder den Keller aufräumen.
Frühjahr 1996. USA – im Südwesten. An der Grenze zwischen Arizona und Utah. Ich bin seit zwei Monaten und schon einige Tausend Kilometer unterwegs. Der Weg zum Monument Valley, einer Hochebene des Colorado Plateaus mit seinen einzigartigen Tafelbergen, ist weit. Aber ich habe ein Ziel und weiß, wie ich da hinkomme: Ich mache das Mögliche und verliere das große Ziel nicht aus den Augen.