Persönlichkeit führt. Dietmar HanschЧитать онлайн книгу.
nach. Die Handlungskompetenzen werden gehemmt bis hin zur totalen Blockierung im Tausendfuß-Syndrom. Spätestens jetzt stürzt der Ski-Abfahrtsläufer, der Redner oder Konferenzleiter beginnt zu stottern, verhaspelt sich und verliert unter Erröten gänzlich den Faden. Diese Entwicklung wird in Abbildung 2a gezeigt.
1.7 Persönlichkeitsentwicklung und chronisches Dysstress-Syndrom
Zugleich lassen sich an unseren drei Schemata einige Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung verdeutlichen. Wie unsere tierischen Vorfahren sind insbesondere kleinere Kinder oft im Flow-Zustand, wie ihn Abbildung 2c zeigt. Spontan und unbekümmert handeln sie drauflos. Doch allmählich wächst das Ich: Das Kind vergleicht sich selbst mit anderen, es wird von anderen bewertet und bekommt Normvorgaben von Eltern und Lehrern, an denen es sich selbst misst.
Der Vergleich als zweischneidiges Schwert
Naturgemäß lauern hier Gefahren: Es ist nicht schwer, diese Vergleiche und Bewertungen sehr zu den eigenen Ungunsten ausfallen zu lassen. Natürlich verfügten wir im Jugendalter in vielen Bereichen über weniger Kompetenz als die bewunderten Stars der Erwachsenenwelt. Außerdem mangelte es uns in diesem Alter noch an eigenen Wertmaßstäben, sodass wir geneigt waren, die Normvorgaben der Autoritäten für bare Münze zu nehmen. Der Abstand zu unseren unrealistischen Idealvorstellungen war riesengroß und entsprechend gewaltig war der Veränderungsdruck, den wir uns auferlegten. Eine ideale Situation für das Ingangkommen der beschriebenen Teufelskreise, die dann in die Ich-Krise der Pubertät führen. Gern entwickeln sich jetzt leichte psychische Störungen wie soziale Ängste (von denen sich dann durchaus psychische Erkrankungen herleiten können, insbesondere nach dem Hinzutreten traumatisierender Erlebnisse).
Das Dysstress-Syndrom infolge überzogener Ansprüche
Bei den meisten Menschen geht das Älterwerden dann mit zweierlei einher: mit einer Relativierung allzu harter Anforderungen an sich selbst und dem Kompetenzzuwachs in vielen Bereichen. Dies bringt das Ich zum Abschwellen und das Selbst zum Wachsen, womit wir uns zumindest in den Normalzustand von Abbildung 2b bewegen. Hier allerdings bleibt die Entwicklung dann oft stecken. Viele Menschen fühlen sich Zeit ihres Lebens unter Veränderungs- und Leistungsdruck Sie haben das Gefühl, nicht gut genug zu sein, taxieren angstvoll ihre Leistung und ihren Wert im Urteil der anderen, stehen unter Spannung und haben ständig das Gefühl, nicht genug geschafft zu haben. Zeiten der Entspannung im Nichtstun oder im Flow sind eher selten. Ein solches chronisches Dysstress-Syndrom ist unfunktional. Es steigert nicht die Leistung, sondern untergräbt sie. Es verdirbt die Stimmung und immer besteht die Gefahr, dass das Ganze in eine Angsterkrankung und/oder eine Depression »umkippt«.
Hier kommt wieder die Psychosynergetik ins Spiel. Sie möchte Menschen dabei helfen, ihre Flow-Potenziale zu stärken, um sich, wie in Abbildung 2 gezeigt, mehr von b nach c zu bewegen.
Der Prozess der inneren Befreiung zielt auf die Entblähung des Ich, der Prozess des inneren Wachstums auf die Stärkung und Vergrößerung des Selbst.
1.8 Wie aus Schmerz Leid wird
Auch starken Schmerz kann man ausblenden
Habe ich Ihnen eigentlich schon von meinem letzten Skiurlaub erzählt? Ich konnte dabei einige wichtige psychologische Erkenntnisse noch einmal sehr eindrucksvoll am eigenen Leib nachvollziehen. Gleich am ersten Tag stürzte ich heftig und zog mir ein dickes, handflächengroßes Hämatom über der rechten Hüfte zu (dessen Ausläufer dann in den nächsten Wochen bis hinab in die Kniekehle wanderten). Glauben Sie mir – das waren richtig starke Schmerzen, bei jeder Bewegung des Beines, beim Drehen im Bett und vor allem beim Sitzen. Das Merkwürdige aber war: Diese starken Schmerzen haben mich in meiner Stimmung praktisch nicht beeinträchtigt. Das Wetter war hervorragend, die mitgereisten Leute unterhaltsam. Ich war oft abgelenkt. Beim Skifahren spürte ich die Schmerzen überhaupt nicht, sie waren tatsächlich zu 100 Prozent ausgeblendet.
Am meisten schmerzt die Angst
Am vierten Tag dann wachte ich mit einem ganz leichten Schmerz im linken Knie auf. Das nun verdarb mir sofort die Laune, und zwar mächtig. Ständig bewegte ich das Knie hin und her: Tut es immer noch weh? Ja – verdammt! Ich grübelte herum: Kann ich damit weiterfahren? Gewöhnt sich das Gelenk an die Belastung oder wird es schlimmer? Ruiniere ich mir am Ende das ganze Knie? Ist der Skiurlaub für mich jetzt zu Ende? Werde ich womöglich gar nicht mehr Skifahren können? Nein – bis zum Rollstuhl trieb ich meine Sorge nicht. Schließlich entschied ich mich missmutig für einen Pausentag. Alle anderen haben jetzt Spaß beim Fahren – nur ich nicht
.Die gedankliche Verarbeitung entscheidet
Der Kontrast hätte größer und eindrucksvoller nicht sein können. Unter einem wirklich starken Schmerz litt ich praktisch überhaupt nicht, während ein sehr viel geringerer Schmerz starkes Leiden bei mir verursachte. Das macht eines sehr deutlich: Unsere Gefühlsreaktionen auf äußere und innere Ereignisse hängen offenbar stark davon ab, wie wir gedanklich damit umgehen. Von dem Hämatom-Schmerz wusste ich sicher, dass er harmlos ist, keinerlei Schonung erforderlich macht und sich das Ganze vollständig ohne jede Nachwirkung zurückbilden wird.
Ungewissheit erzeugt Angst
Bei dem leichten Knieschmerz war das ganz anders. Das Knie ist für das Skifahren und die Fortbewegung insgesamt ein ebenso zentrales wie verletzliches Körperteil. Aufgrund meiner mangelnden orthopädischen Erfahrung war ich mir hinsichtlich der Bedeutung der Schmerzen und der nötigen Konsequenzen für mein Verhalten unklar. Es hätte doch sehr unangenehme Folgen haben können, etwas Falsches zu tun. Entsprechend kam es zu einer übermäßigen Beachtung des Schmerzes (Hyperreflexion), zu katastrophisierenden Zukunftsgedanken und gefühlsmäßig zu einer Mischung aus Ärger und Angst. All dies gab diesem kleinen Schmerz viel Raum, verstärkte ihn in Teufelskreisen und erzeugte zusätzliche negative Gefühle. Was lernen wir daraus?
Leid ist ein im Spiegelkabinett des Bewusstseins durch das Denken vervielfachter Schmerz. Wenn wir diese Prozesse besser verstehen und beherrschen lernen, können wir viel unnötiges Leid vermeiden.
1.9 Die Lücke zwischen Reiz und Reaktion: die kognitive Modulation unserer Erbgefühle
Gedanken verändern Gefühle
Offenbar reagieren wir Menschen nicht mehr mit reflektorischer Zwangsläufigkeit auf Empfindungen oder Wahrnehmungen. Zwischen Reiz und Reaktion hat sich das Denken geschoben. Von dessen Art und Inhalt hängt es nun entscheidend ab, welche Gefühls- und Verhaltensreaktion auf den Reiz erfolgt. Natürlich betrifft das nicht nur Innenreize (wie im Beispiel in Form von Schmerz), es betrifft ebenso alle Außenwahrnehmungen.
Stellen Sie sich vor, Sie hängen über einer tiefen Schlucht. Sind Sie als reiner Freizeitkletterer bei einer Bergwanderung abgerutscht und schweben frei, dann wird die Angst Sie überwältigen. Sind Sie aber Profikletterer, kennen Ihre Kompetenzen und wissen sich gut angeseilt, dann wird es Ihnen leichtfallen, die Angst zu beherrschen. Oder: Sollte Sie Ihr Chef auf einmal nicht mehr grüßen, dann wird das Maß der aufkeimenden Sorge entscheidend davon abhängen, wie Sie Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt einschätzen.
Kognitive Modulation
Selbst wenn sie