Wenn Sie wollen. nennen Sie es Führung. Cyrus AchouriЧитать онлайн книгу.
Kooperation – eine langfristige und wechselseitige Strategie
Kooperation kann durch eine kleine Gruppe in Gang gebracht werden, die auf die Erwiderung von Kooperation eingestellt ist, auch wenn sonst niemand auf der Welt kooperiert. Kooperation muss auf Gegenseitigkeit beruhen und langfristig gedacht sein, um stabil zu werden. Evolutionär stabil bleibt eine Strategie dann, wenn eine Population von Individuen, die diese Strategie verwendet, einer Invasion durch einen einzelnen Mutanten mit einer abweichenden Strategie widerstehen kann. Wenn Kooperation in einer Population einmal etabliert ist, kann sie sich gegen die Invasion von unkooperativen Strategien schützen. Es zeigt sich außerdem, dass es nie rational ist, als Erster unfreundliche Akte zu begehen. Die erfolgreiche Strategie lautet also: Kooperiere im ersten Zug, und tue ab dem zweiten Zug genau das, was dein Gegenüber im vorherigen Zug getan hat. Man könnte also humanisierend sagen, Tit for Tat sei »nett«, »provozierbar« und »vergebend«. (Gräfrath 1997, 31)
Dabei darf nicht übersehen werden, dass Tit for Tat immer nur auf lange Sicht erfolgreich ist, da die Strategie von der Kooperationsbereitschaft aller anderen Mitspieler abhängt. Wenn alle anderen Mitspieler Kooperation stets ablehnen, wird Tit for Tat im ersten Spielzug am schlechtesten abschneiden. Auf lange Sicht zeigt sich aber, dass diejenigen Programme, welche die schwächeren »ausbeuten«, nach und nach ihre eigene Erfolgsgrundlage zerstören, da die Kooperateure nach und nach aussterben. Tit for Tat kann, einmal etabliert, auch nicht von Nicht-Kooperateuren erobert werden, da die schnelle Provozierbarkeit das Programm davor bewahrt. Für erfolgreiche »Verhandlungen« im Sinne der Spieltheorie sind also wiederholte Kontakte notwendig, ein minimales Gedächtnis sowie die Fähigkeit, bisherige Verhandlungspartner zu identifizieren. (Gräfrath 1997)
Rat: Keinen Ärger beginnen
Axelrod fasst die Verhaltensmaximen, die sich aus den Interaktionssimulationen ergeben, so zusammen: »Wenn Sie von anderen erwarten, dass sie Ihre Defektion ebenso wie Ihre Kooperation erwidern, dann sind Sie gut beraten, keinen Ärger zu beginnen. Darüber hinaus sind Sie gut beraten zu defektieren, nachdem jemand anderes defektiert hat, um zu zeigen, dass Sie sich nicht ausbeuten lassen. Folglich sollten Sie eine Strategie verwenden, die auf Gegenseitigkeit beruht. Da dies auch für jeden anderen zutrifft, bekommt die Wertschätzung von Gegenseitigkeit einen selbsttragenden Charakter. Sobald sie in Gang kommt, wird sie stärker und stärker.« (Axelrod 2009, 170)
Teleologie
Teleologie spielt heute kaum eine Rolle
In der Evolutionsbiologie ist man heutzutage zu einem großen Teil von teleologischen Aussagen abgekommen, also von der Annahme, es gäbe einen Plan, einen Zweck oder eine zielgerichtete Entwicklung des Lebens. (Dawkins 2005; Capra 1996) Charles Darwin (1859) hingegen ging noch von einer Stufenleiter aus, wonach die späteren Formen bessere Formen seien, welche die alten im Daseinskampf besiegt hätten.
Obwohl Richard Dawkins ein teleologisches Verständnis von Evolution ablehnt, spricht er dennoch von einer »Evolution der Evolutionsfähigkeit« und nimmt auf der Ebene der Makroevolution eine Entwicklung an: im Sinne eines fortschreitenden Trends zu einer immer besseren Evolutionsfähigkeit. Diese beinhaltet eine verbesserte Überlebens- wie auch Fortpflanzungsfähigkeit. Susan Blackmore teilt Dawkins moderate Evolutionsteleologie, indem sie zwar ein konkretes Ziel der Evolution sowie einen definierten Schöpfer verneint, aber durchaus in der Zunahme der Komplexität einen Fortschritt sieht: »Die Evolution benutzt ihre eigenen Produkte als Trittleiter.« (Blackmore 2005, 41)
Versteckte Teleologie bei Dawkins
Dieser Gedanke lässt viele Fragen offen. Konkurrenz im darwinschen Sinne ist auf die jeweilige Umweltsituation bezogen, in der sich die einen gegenüber den anderen durchsetzen. Einen allgemeinen Trend im Sinne von erfolgreichen Modulen für Überlebensfähigkeit abzuleiten, macht demnach eigentlich gar keinen Sinn, da sich je nach Umweltbedingungen auch die Selektionskriterien ändern. Zudem wäre fraglich, inwieweit es evolutionär nützlich sein soll, Schlüsseldaten im Genmaterial, im Sinne selektiver Mutabilität, festzulegen. Die Selektion beinhaltet ihrerseits aber eine Richtung, die Dawkins im Gedanken der Modulstandards zur besseren Überlebensfähigkeit ausdrückt – und damit entwirft er implizit eine Teleologie.
Schubweise, nicht linear verlaufende Entwicklung
Der Gedanke der kontinuierlichen, linearen Entwicklung der Arten im Pflanzen- und Tierreich ist heute nicht mehr haltbar. Die Entwicklung erfolgte vielmehr in Schüben, die mit massiven Veränderungen der geophysikalischen Bedingungen einhergingen. Stephen Jay Gould von der Harvard University spricht hier von einem »punctuated equlilibrium«. (Gould/Eldredge 1993) Solche geophysikalischen Veränderungen (Extinktionen) können etwa durch Kontinentaldriften, Vulkanismus oder auch extraterrestrische Ursachen wie Meteoriteneinschläge bedingt sein. (Bauer 2008)
Um zu verstehen, welche Konsequenzen das Paradigma der Selbstorganisation evolutionsbiologisch mit sich bringt, macht es Sinn, sich die Unterschiede zum klassischen darwinistischen Verständnis in einem formalen Vergleich vor Augen zu führen.
Systemische und darwinistische Evolutionsbiologie im Vergleich
Der Begriff der Ordnung
Mit dem Gedanken der Selbstorganisation erhalten Begriffe wie »Selektion«, »Ordnung« und »Anpassung« im evolutionsbiologischen Kontext eine neue Bedeutung. Während im Darwinismus Ordnung im Wesentlichen durch den Selektionsprozess in die Welt kommt, beschreibt eine systemtheoretische Sicht Ordnung auf zwei andere Weisen: zum einen als Ordnung, die bereits vor jeder Selektion vorhanden ist, und zum anderen als Ordnung, die sich in iterativen Prozessen, bei genügend häufigen Wiederholungen von selbst einstellt.
Hier stellt sich die Frage, ob Selbstorganisation als Kriterium wiederholter Prozesse verstanden werden muss bzw. ob sie sich darin erschließend beschreiben lässt. Auf der anderen Seite lässt sich Selbstorganisation noch vor jeder Selektion (Kauffman 1998; Dawkins 2005a), also schon im Bereich der Mutation und darüber hinaus, als evolutionäre Determinante bestimmen. Schließen sich beide Verständnisweisen aus oder meinen sie das Gleiche? Muss jede Ordnung als Ergebnis eines iterativen Prozesses verstanden werden? Und in welcher Art und Weise wird der Begriff der Selbstorganisation in der Systemtheorie verwendet? Diese Fragen wollen wir im Folgenden versuchen zu klären.
Konkurrenz und Selektion als Ordnungsprinzip?
Relevant sind diese Fragen insbesondere im Rahmen eines Diskurses, der die Übertragbarkeit evolutionsbiologischer Thesen auf wirtschaftliche Fragestellungen prüft. Darwin ging davon aus, dass Ordnung als graduelle Anpassung auf der Ebene der ontogenetischen Selektion entsteht. Damit wäre Konkurrenz, noch als Voraussetzung für Selektion, als evolutionäres Ordnungsprinzip zu verstehen. Wenn wir aber davon ausgehen, dass Ordnung bereits vor jeder Selektion im Rahmen von Selbstorganisation immer schon vorhanden ist, und damit auch Anpassung im Sinne eines Überlebensvorteils hinfällig wird, wie erklärt sich dann die Entstehung von Ordnung? Wenn Selektion nicht als Ordnungsprinzip verstanden wird, kann auch Konkurrenz nicht mehr als notwendige Bedingung für Ordnung verstanden werden. Es macht für Systeme keinen Sinn, in Konkurrenz miteinander zu treten, wenn Selektion und Adaption in gleicher Weise als Bedingung für Überlebensfähigkeit (Viabilität) entfallen.
Endlose Suche nach einem Ordnungsprinzip
Viabilität richtet sich demnach direkt auf selbstorganisatorische Prozesse, und wir können uns wiederum fragen, wie die Ordnung dieser Selbstorganisation in die Welt kommt. Ist Ordnung im Rahmen von Mutationen immer schon vorhanden? Wenn ja, wie entsteht sie im Mutationsprozess? Letztlich verschiebt sich das gesuchte Ordnungsprinzip so in einem infiniten Regress und lässt sich dann ebenso als evolutionäre Weltformel begreifen. Andererseits ist Wiederholung selbst als Ordnungsprozess zu sehen, indem iterative Reaktionsweisen evolutionär stabile Routinen bilden,