Revolution? Ja, bitte!. Andreas BuhrЧитать онлайн книгу.
Wertekompass
PEPE VILLATORO: »Sprich über dein Scheitern«
Vorwort
Revolution bedeutet die grundlegende Neuerung und den nachhaltigen strukturellen Wandel eines oder mehrerer Systeme. Die erste große Revolution der Menschheit fand statt, als der Mensch, bislang Jäger und Sammler, zu Ackerbau und Viehzucht überging. Der nächste große Einschnitt in der Entwicklung der Menschheit war die erste industrielle Revolution, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zumindest in der Vorbereitungsphase befand (ihre genaue Datierung ist umstritten). Die Einführung mechanischer Produktionsanlagen, angetrieben durch Wasser und Dampfkraft, sorgte für die Voraussetzungen des Übergangs von der Agrargesellschaft in Richtung Industriegesellschaft. Es entwickelte sich die erste arbeitsteilige Massenproduktion durch den Einsatz elektrischer Energie. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schließlich kam es durch Elektronik und IT zu tief greifenden Automatisierungsprozessen in der Verarbeitung und Produktion. Innerhalb kürzester Zeit sind wir inzwischen an einen Punkt gelangt, an dem ein Teilbereich der Informatik, die künstliche Intelligenz, den Menschen zur nächsten, nämlich der digitalen Revolution führt.
Diese vierte Revolution hat schon vor Längerem begonnen und nimmt gerade richtig Schwung auf. Autonomes Fahren, virtuelle Realität, Machtverschiebung durch Transparenz und Dezentralisierung sind bereits heute Realität. Durch soziale Netzwerke, E-Commerce und Sharing-Economy hat sich unser Informations-, Kommunikations- und Nutzungsverhalten stark verändert. Der private Alltag ist für viele ohne Onlineverbindung kaum noch vorstellbar. Diese neuen Bedingungen übertragen sich verstärkt auf den beruflichen Alltag. Unternehmen müssen Anforderungen und Ansprüche, die sie bisher eher oder sogar nur von Kunden gewohnt waren, auch bei ihren Mitarbeitern erfüllen.
Von absoluter Transparenz über unmittelbares Feedback bis hin zum Wunsch nach besonderen Erlebnissen müssen Unternehmen sich etwas einfallen lassen, um gute Mitarbeiter zu finden und zu binden. Die von Buhr & Team beauftragte Studie zum Führungsverhalten der Generation Y, durchgeführt von Dr. Florian Feltes und Professor Charles Max von der Universität Luxemburg, die diesem Buch unter anderem zugrunde liegt, zeigt, dass gerade junge Führungskräfte ein anderes, digital geprägtes Verständnis mit ins Unternehmen bringen. Eine Schlüsselrolle für die schleppende Digitalisierung in Unternehmen spielen veraltete und starre Strukturen, die die Akzeptanz neuer Ansätze behindern. Die digitale Revolution verändert nicht nur das private Verhalten der Menschen, sie erfordert auch ein Umdenken im Führungsstil der Unternehmen.
Führung findet immer zwischen Menschen statt, egal ob digitale Technologien zwischengeschaltet werden oder nicht, egal wie alt oder jung eine Führungskraft oder ein Mitarbeiter ist. Die Studie der Universität Luxemburg liefert hierzu wichtige Erkenntnisse. Die Digitalisierung bietet Führungskräften neue Möglichkeiten, transparenter, effizienter, agiler und direkter mit Mitarbeitern zu kooperieren. Notwendig hierzu ist ein Aufbrechen verkrusteter Hierarchien und Strukturen. In einer komplexeren, schnelleren und globalisierten Welt wird es schwieriger, sämtliche Entscheidungsoptionen als Einzelperson zu überblicken und zu bewerten. Es gilt, das Wissen der Mitarbeiter richtig einzusetzen und zu nutzen. Die neuen Technologien machen dies möglich. Diese Veränderung muss gewollt sein und bewusst eingeleitet werden.
Denn eines ist klar: Wenn die Revolution nicht im eigenen Unternehmen stattfindet, werden die besten Leute zuerst gehen und die Revolution an anderer Stelle mit größeren Aussichten auf Erfolg umsetzen. Wie diese Revolution gemeistert und Führung zukunftsfähig gestaltet werden kann, erklärt sich nicht mit einem Standardrezept. Andreas Buhr und Dr. Florian Feltes liefern sehr pragmatische Ideen und Einblicke, wie dieser Wandel gelingen kann. Sie behandeln das Thema Führung aus der Sicht eines Babyboomers und eines Gen-Yers und beleuchten es aus verschiedenen Perspektiven. Sie lassen dabei gleichermaßen praktische Erfahrungen wie wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen. So finden sie Lösungen, wie moderne Führung im digitalen Zeitalter aussehen und umgesetzt werden kann.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Simon
Founder und Honorary Chairman, Simon-Kucher & Partners
Adenin. Thymin. Guanin. Cytosin. Kurz: ATGC. Das sind die vier Basen, aus denen der menschliche Code, die biologische DNA, besteht. Die Grundbausteine der digitalen DNA sind noch simpler: Null und Eins. Etwas ist oder es ist nicht. So wie bereits Shakespeare seinen Hamlet im dritten Akt sagen lässt: »To be or not to be.« Sein oder Nichtsein.
Null und Eins. Mit diesen zwei Ziffern sind alle Codes des digitalen Lebens geschrieben. Damit lässt sich alles digital sagen. Das ist erstaunlich, zumal die Informationsflut, die digital auf uns einstürmt, unendlich zu sein scheint. Unendlichkeit, erzeugt aus zwei Ziffern. Mit der Digitalisierung scheint alles möglich zu sein, was vorher nicht ging. Beispielsweise in der Archäologie. Gerade bei dieser historischen Disziplin würden die wenigsten vermuten, dass es die Digitalisierung war, die in den letzten Jahren zu entscheidenden Wissenssprüngen verholfen hat. Nicht durch Grabungen und den fein geführten Pinsel gewissenhaft arbeitender Archäologen konnten einige der ganz großen Rätsel der Menschheitsgeschichte gelöst werden, sondern mithilfe der Null und der Eins. Troja beispielsweise, jene legendäre Stadt, die der Dichter Homer in seinem weltberühmten griechischen Epos Ilias beschreibt, hat es vermutlich tatsächlich gegeben. Aufgrund digitaler Satellitenaufnahmen wurde die Stadt, die zu den historischen Beschreibungen passt, in der Türkei geortet.1 Ohne die digitalen Fotos wären die Grabungen niemals in der Provinz Çanakkale vorgenommen worden. Nicht wenige hatten die Erzählungen über Troja schlicht für einen Mythos gehalten.
In der Medizin ist es nicht anders. Die Digitaltechnik hat den Operationssaal revolutioniert, wenn auch auf sanfte Art und Weise.2 Denn die digitale 3-D-Technik liefert uns dreidimensionale Bilddarstellungen, die minimalinvasive Eingriffe erst möglich machen. Bei der Methode genügen kleinste Schnitte, um etwa einen Herzkatheter oder eine Herzklappe einzufügen. Die Erholungszeit des Patienten nach solch einem Eingriff ist erheblich kürzer als bei der traditionellen Operationsmethode. Chirurgen operieren heute mit Unterstützung digitaler Roboter Tumore im Gehirn, die früher als inoperabel galten. In etwa fünf Jahren werden sie sogar mit einer Art Schlangenroboter noch flexibler im Kopf des Patienten operieren können.3
Ob wir ins Weltall schauen oder in die Tiefen des Meeres – digitale Roboter senden uns Daten, die unser Wissen über die Welt und den Kosmos revolutionieren und uns besser und mehr verstehen lassen. Oder aber unsere Vorurteile entlarven. So weiß die Meeresforschung heute, dass es kein Seemannsgarn war, als Matrosen von Seeungeheuern berichteten mit riesigen Tentakeln, die aus den Tiefen des Meeres emporstiegen, von dort, wo sich kein Mensch aufgrund des enormen Wasserdrucks aufhalten kann. Heute wissen wir: Es gibt sie wirklich.4 Wir wissen es, weil die digitalen Roboter uns Bilder ihrer Existenz liefern: Riesenoktopusse. Sie senden uns aber nicht nur Aufnahmen von 100 Kilo schweren blinden Riesentintenfischen, sondern auch Daten über Methanvorkommen, die relevant für unsere zukünftige Energieversorgung sind, Daten über Mikrobakterien, die fähig sind, unseren Müll zu zersetzen, und Informationen über die Entwicklung des Planktons,5 das voraussichtlich für die stetig