Kill dein Kaninchen!. Ralf SchmittЧитать онлайн книгу.
meisten nicht. Wir denken, dass die Marketing-Experten unter den Medienschaffenden genau wissen, dass sie mit Geschichten, die Angst machen, Leser, Hörer und TV-Zuschauer erreichen. Reality-Soaps lassen uns in gesellschaftliche Abgründe blicken und seriöse Nachrichtensendungen verbreiten eine Horrormeldung nach der anderen. Tote Kinder, brennende Häuser, grausame Überfallszenen und Mord dominieren unsere mediale Welt. Positive Nachrichten lassen sich anscheinend nicht so gut verkaufen. Dazu ein Zitat des deutschen Aphoristikers Erwin Koch:
»Mit ihrem Fokus auf das Negative zeigen uns die Medien kein Abbild, sondern ein Zerrbild des Lebens, das von den Rezipienten dann auch prompt mit der Realität verwechselt wird.«
Da ist was dran, finden wir. Wir werden also, je nach Häufigkeit der Mediennutzung, den ganzen Tag mit schlechten Nachrichten bombardiert – in der Zeitung, im Radio, im TV und ganz besonders auch im Internet. Wie sollen wir denn dabei noch gut gelaunt bleiben?
Die Pharmaindustrie
Wenn wir in den USA in einer Drogerie vor einem Regal mit Schmerztabletten stehen, trifft uns fast der Schlag. Aspirin und Tylenol, das bei uns Paracetamol heißt, gibt es in allen möglichen Varianten. Die Aspirin-Behälter sind bis oben hin mit bis zu 1000 Pillen gefüllt und kosten nur um die 20 US-Dollar.
Medikamente werden wie Bonbons konsumiert.
Aber auch bei uns in Europa und in Deutschland bekommt man das Gefühl, dass Medikamente wie Bonbons konsumiert werden. Anstatt auf die Zipperlein des Körpers zu hören und ein bisschen Ruhe einkehren zu lassen, gibt es für alles eine passende Pille. Die lindert – zumindest vorübergehend – die Symptome, meist aber nicht die Ursachen.
Wir Menschen haben Angst, dass wir nicht leistungsfähig genug sind oder dass ein Tag mit Kopfschmerzen im Bett nicht vertretbar ist. Ständige Verfügbarkeit muss gewährleistet sein, und wenn der Körper sagt: »Stopp – ich brauche eine Pause!«, dann gehen wir eben chemisch dagegen vor.
Gerade bei Selbstständigen – auch bei uns selbst – haben wir das Phänomen »Angst, etwas Wichtiges zu verpassen« beobachtet. Oft haben wir Ruhephasen immer wieder vor uns hergeschoben und verschoben. Mit dem Ergebnis, dass der Körper irgendwann ganz laut schreit: »Meetings kannst du jetzt vergessen. Du bleibst im Bett!«
Viele von uns haben eine riesige Panik davor, Anrufe oder E-Mails zu verpassen oder gar einmal völlig auszufallen. Und dann kommt auch noch die Angst vor neuen Epidemien dazu. Schweinegrippe, Vogelgrippe, Geflügelpest, BSE …
In den letzten Jahren poppen immer wieder Meldungen mit neuen Gefährdungen auf. Auch die Angst vor Masern und anderen »Kinderkrankheiten« ist zurückgekehrt. Im Fokus steht meist die Frage: impfen oder nicht impfen? Von der Angst der Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder oder auch generell der Menschen um die eigene Gesundheit und die von Angehörigen profitiert wieder einmal eine Industrie wie keine andere: die Pharmaindustrie.
KURZ GEFASST: VOM URINSTINKT ZUM WIRTSCHAFTSZWEIG
Wahrscheinlich haben wir an dieser Stelle die eine oder andere Branche vergessen. Es wird aber sicherlich deutlich, dass das Geschäft mit der Angst lukrativ ist. Lassen Sie sich also nicht von jeder Meldung gleich aus der Fassung bringen. Arbeiten Sie stattdessen lieber daran, irrationale Ängste loszuwerden. Das spart nicht nur Geld, sondern schont auch Ihre Nerven.
Was hilft gegen Angst?
Wir müssen nicht immer gleich zu Medikamenten greifen. Denn das Leben stattet uns mit vielen ganz natürlichen Mitteln aus, die uns beim Bekämpfen von Ängsten unterstützen. Den gesunden Menschenverstand haben wir ja bereits erwähnt und können ihn gar nicht genug betonen. Aber es gibt noch viel mehr natürliche und äußerst wirksame Anti-Angst-Mittel – zum Beispiel:
Erfahrung
Je mehr Erfahrung wir mit einer Situation haben, die uns Angst macht, desto leichter wird es meist, damit umzugehen. Wir kennen zahlreiche Musiker, die sich zu Anfang fürchteten, auf die Bühne zu gehen. Viele haben immer Lampenfieber. Dennoch lassen sie zahlreiche positive Erfahrungen – beispielsweise begeisterte Publikumsreaktionen – immer wieder ins Rampenlicht treten.
Ein befreundeter Comedian hat einmal erzählt: »Wenn die Angst ganz weg ist, dann fehlt oft auch die Energie auf der Bühne. Dann wird alles zur Routine. Und das wäre ja langweilig. Aber meine Erfahrung hat mich deutlich ruhiger werden lassen.«
Übung und Routine
Je öfter wir etwas gemacht haben, desto leichter fällt es uns. Wer erinnert sich noch an seine ersten Fahrversuche? So richtig routiniert waren die sicherlich nicht. Wir haben immer noch vor Augen, wie schwer es war, einfach nur loszufahren und sich in den fließenden Verkehr einzureihen. Ein Horror! Worauf wir damals alles noch aktiv achten mussten, schien völlig unüberschaubar. Heute läuft das alles von alleine, und wir denken eher: »Eigentlich ist es ein Wunder, dass nicht mehr Unfälle passieren, wenn man sieht, wie die anderen Auto fahren!«
Freunde
Echte Freunde sind eine Macht gegen die Angst.
Echte Freunde, also nicht unbedingt diejenigen, die sich auf unseren Social-Media-Kanälen tummeln, sind eine nicht zu unterschätzende Macht gegen die Angst. Zum einen geht es im gegenseitigen Umgang offen zu. Zum anderen profitieren wir von den Erfahrungen und Routinen der anderen. Ein Gespräch mit einem guten Freund kann leicht neue Perspektiven aufzeigen, die wir selbst in unserem »Filter« nicht entdeckt hätten. Freunde können aber auch dabei helfen, Ängste abzubauen. Oft genügt es schon, dass sie einem zuhören und einen im Notfall auffangen. Sie bieten starken Rückhalt und sind Menschen, mit denen wir Angstsituationen gemeinsam angehen können.
Fakten
Viele unserer Ängste sind völlig irrational. Wir haben Angst vor dem Fliegen, brettern aber mit 200 Sachen über die Autobahn. Das Flugzeug ist jedoch nachweislich das sicherere Verkehrsmittel. Das können wir in zahlreichen Statistiken nachlesen. Wir haben Angst vor der Überfremdung und vor dem Verlust unserer Identität als Nation. Trotzdem lieben wir es, beim Italiener Pizza zu essen, beim Vietnamesen Frühlingsrollen zu genießen oder beim Libanesen Mezze zu bestellen. Wir sind einfach wirklich gut darin, die Wahrheit selektiv zu sehen. Zudem können verschiedene Studien und Statistiken glaubhaft vermitteln, dass eine »Überfremdung« nicht passieren wird und Deutschland als klassisches Einwanderungsland neue Impulse und Kulturen nicht nur verkraften kann, sondern sogar davon profitiert.6 Bleibt jedoch das Misstrauen, ob diese Studien tatsächlich auf Fakten beruhen oder ob sie selektiv durchgeführt wurden, um ein bestimmtes Bild zu erzielen, das politisch und gesellschaftlich gewünscht ist.
Wahrheit ist häufig eine Frage der Perspektive.
Ob Fakten tatsächlich Fakten sind, ist heutzutage wirklich nicht mehr so einfach zu überprüfen. Jeder Studie steht eine weitere gegenüber, die das Gegenteil behauptet. Und jeder, der Lust darauf hat, mal etwas zu veröffentlichen oder seine Meinung im etwas anonymeren Rahmen des Internets kundzutun, hält sich für einen Journalisten und verkauft seine Meinung als alleinige Wahrheit. Akzeptieren Sie also nicht so schnell eine Aussage als Fakt. Wahrheit ist leider inzwischen häufig eine Frage der Perspektive geworden.
Schauen Sie bei sogenannten Fakten immer genau hin und fragen Sie sich: »Wer hat eine Studie in Auftrag gegeben? Wer profitiert von welchen Ergebnissen?