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Einfach mal die Klappe halten. Cornelia TopfЧитать онлайн книгу.

Einfach mal die Klappe halten - Cornelia Topf


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Dutzend Fußgänger blieb stehen und erwartete freudig erregt die Abreibung, die ganz sicher nun den Lehrling treffen würde. Doch der Meister entschuldigte sich lediglich höflich bei dem erschreckten Passanten und sagte dann zu seinem Lehrling: »Jürgen, die Teile sind schwerer, als sie aussehen. Also immer beide Hände zum Abstützen nehmen.« Und: »So etwas wird dir nie wieder passieren.« Dann ging er wieder schweigend seiner Arbeit nach. Ich bin davon überzeugt: Hätte er den Azubi fünf Minuten nach allen Regeln der Kunst zusammengefaltet, hätte sich dieser vor lauter Scham und verletztem Ehrgefühl nicht die Bohne gemerkt und beim nächsten Mal denselben Fehler wieder gemacht. Sein Meister aber wusste, wie viel man reden (wenig) und wie viel man schweigen sollte (viel). Wie steht es mit Ihnen?

      ÜBUNG

      Überlegen Sie einmal, wann und wo und mit wem Sie nachher ein wenig schweigen könnten. Bei welchen Gelegenheiten? Am Anfang wird Ihnen vielleicht keine einfallen. Das macht nichts. Das kommt mit der Zeit. Denn Sie werden oft genug reden. Und beim Reden denken Sie von nun an automatisch ans Schweigen. Doch Vorsicht: Schweigen im Gespräch bedeutet nicht Schweigen statt Reden. Es bedeutet vielmehr: Verkneifen Sie sich zwei-, dreimal während eines Gesprächs den Redefluss, lassen Sie eine (übereilte) Antwort aus, probieren Sie es ab und an ohne Worte und beobachten Sie die Wirkung auf sich und den Gesprächspartner.

       Reden und Schweigen sind Schwestern, komplementäre Stilmittel. Beide zusammen wirken sehr viel besser als jedes für sich allein.

      Warum nur wenige diese wunderbare Welt kennen

      Vielleicht ahnen Sie es: Sie sind nicht allein. Ich habe dieses Buch auch deshalb geschrieben, weil ich in Coaching, Training, Beratung, aber auch im Privaten mehr und mehr Menschen treffe, denen immer stärker bewusst wird, dass zu viel geredet wird.

      Auch für Worte gilt: Was zu viel ist, ist zu viel

      Was Susi erzählt, kennt sicher jede(r): »Wenn ich mich mit meinem Partner streite, könnte ich mir hinterher auf die Zunge beißen. Ich sage jedes Mal Dinge, die ich hinterher bitter bereue. Und ihm geht es sicher nicht anders.« Verkäufer sagen mir: »Ich kann bei Preisverhandlungen einfach nicht den Mund halten! Ich fange viel zu schnell an, über Rabatte zu reden! Meine Rabattquote liegt weit über dem Durchschnitt! Mein Chef lässt das sicher nicht mehr lange durchgehen. Aber ich kann einfach nicht die Klappe halten, wenn der Kunde zu jammern anfängt.«

      ÜBUNG

      In welchen Situationen und mit welchen Gesprächspartnern reden Sie zu viel? Was ist dabei zu viel? Wo würden Sie lieber einen Punkt setzen?

      Das war eine kleine, leichte Übung. Doch wenn Sie sie (auch nur gedanklich) mitgemacht haben, sind Sie einen großen Schritt weiter. Und haben vielen Zeitgenossen einiges voraus:

       Die meisten Menschen merken nicht, dass sie bei bestimmten Gelegenheiten zu viel reden.

      Sie registrieren es noch nicht einmal, wenn der Ehepartner, Kinder oder Kollegen sie darauf aufmerksam machen. Denn sie können es nicht fassen: »Aber was gesagt werden muss, muss doch gesagt werden!« Das heißt, sie erliegen dem Irrtum, dass nur etwas, was da ist, auch wirken kann. Sie können es sich buchstäblich nicht vorstellen, dass manchmal das Ungesagte mehr sagt als das Gesagte. Das übersteigt ihre Abstraktionsfähigkeit. Das ist schade, denn nur wer erkennt, dass er manchmal zu viel redet, kann schweigen. Und nur wer schweigt, betritt die wundersame Welt der Stille.

      Erstaunliche Wirkung

      Wenn Menschen ganz bewusst zu schweigen beginnen, wo sie früher unüberlegt geredet haben, dann entwickelt das eine beeindruckende Wirkung. Entweder auf ihren Gesprächspartner oder auf sie selbst. Meist auf beide.

      Eine Büroangestellte erzählte mir: »In unserer Kaffeepause lästern meine Kollegin und ich meist über Vorgesetzte, Kollegen und Kunden. Gestern habe ich nicht so stark wie sonst mitgelästert, sondern öfter mal geschwiegen, ihr ganz bewusst zugehört, genickt, zustimmende Geräusche gemacht. Irgendwann kam sie vom Lästern zum Erzählen. Von ihrer Scheidung, den beiden Kindern, dem Hausverkauf. Ich wusste gar nicht, dass sie ihr Haus verkaufen muss. Deshalb war sie wohl in letzter Zeit öfters etwas zickig.«

      Wer redet, kann nicht hören

      Das muss man sich vorstellen! Da lebt und arbeitet man jahrelang mit einem Menschen zusammen, auf engstem Raum, und bekommt noch nicht einmal mit, dass er sein geliebtes Häuschen verkaufen muss! Weil wir zu viel quasseln und zu wenig zuhören. Wer schweigt, bekommt mehr mit von der Welt und ihren Menschen. Und wird ganz anders respektiert. Wir können uns vorstellen, dass die Kollegin, die ihr Herz über den drohenden Hausverkauf ausschüttete, sehr dankbar war, dass sich endlich jemand auch ihre Sorgen anhörte. Meist passiert das nicht einmal mehr in der eigenen Familie.

      Ein Sachbearbeiter erzählte mir im Coaching, dass er sich wohl eine neue Arbeit suchen müsse. Ihm war nicht wohl dabei: »In diesen Zeiten? In unserer Branche wird gerade überall entlassen. Ich muss froh sein, dass ich noch Arbeit habe. Aber mein Chef bringt mich zum Wahnsinn!« Beide stritten sich jeden Tag mindestens zwanzig, dreißig Minuten. Ich schlug dem Sachbearbeiter vor, nicht seinen Arbeitsplatz zu wechseln, sondern seine Gesprächsstrategie. Ich empfahl ihm, sich im nächsten Streit jede zweite Erwiderung zu verkneifen und souverän zu schweigen. Er schaffte es nicht ganz. Er schaffte nur jede dritte. Trotzdem war nach zehn Minuten der Streit beendet: »Mein Chef hat sich nicht mehr so aufgeregt wie früher. Kein Wunder, ich hab ihm ja ein Drittel weniger widersprochen.« Aber hat der Sachbearbeiter dabei nicht etwas Sachliches verschwiegen, das er hätte aussprechen müssen? Nein, und das ist das Schöne daran: Wir können gut 50 Prozent von dem, was wir sagen, getrost weglassen – es macht keinen Unterschied. In Konflikten sollten wir manchmal sogar 100 Prozent weglassen.

      ÜBUNG

      Nehmen Sie sich vor, bei nächster Gelegenheit zu schweigen, und beobachten Sie die Wirkung Ihres Schweigens. Auf Ihren Gesprächspartner und auf sich. Vergleichen Sie die Wirkung mit der Wirkung im üblichen Verlauf eines Gesprächs. Wo liegen die Unterschiede? Wie stark sind sie? Wie äußern sie sich?

      Wie stark wir zu schweigen verlernt haben, zeigt sich auch daran, dass bei einer so einfachen Übung oft ganz seltsame Fragen auftauchen: »Aber ich kann doch nicht schweigen, wenn mich jemand etwas fragt!«, wenden viele Menschen an dieser Stelle ein. Wer hat das verlangt? Natürlich verdient jede (nichtrhetorische, nichtsuggestive) Frage eine Antwort. Alles andere wäre grob unhöflich. Doch es fragt Sie ja nicht ständig jemand etwas, oder? Hinter dem seltsamen Einwand verbirgt sich der eigentliche Grund für die verbreitete Logorrhö:

       Wir reden meist nicht überlegt, sondern reflexhaft.

      Am deutlichsten wird das in Konfliktsituationen. Michael sagt zu Susi: »Du blöde Kuh, du!« Hinterher sagt sie zu mir: »Aber da muss ich mich doch wehren, wenn er so etwas sagt! Das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen!« Warum »sitzt« das auf Susi? Wie schon Eleonore Roosevelt sagte: »Es kann dich niemand beleidigen, dessen Beleidigung du nicht akzeptierst.« Man kann nur auf sich sitzen lassen, was man vorher akzeptiert hat. Was geht es mich an, dass Michael mich für eine blöde Kuh hält? Es reicht doch wohl, dass ich mich nicht dafür halte. Zumindest wäre das eine Überlegung wert. Aber nein, wir überlegen nicht, wir wehren uns sofort, reflexhaft und unüberlegt – und eskalieren damit den Streit! Natürlich ist es schwierig, in so einer Situation die Klappe zu halten und die Zote des Partners mit einem überlegenen, süffisanten Lächeln Marke »Red’ du nur, Alter!« zu übergehen. Gerade deshalb plappern wir doch: Es ist nicht besser, aber es ist leichter, als souverän zu sein. Deshalb lassen wir uns oft verführen, den Mund aufzumachen. Eingehend beschäftigen wir uns in Kapitel


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