Die besten Ideen für mehr Humor. Группа авторовЧитать онлайн книгу.
Timing – besonders mit der Kunst der Sprechpausen.
Laura Baxter
Seit über 20 Jahren beschäftigt sich die amerikanische Opernsängerin und Performance-Expertin Laura Baxter mit der Wirkung der Stimme und des Körpers. Ihren Erfahrungsschatz sammelte sie als Regisseurin und Opernsängerin in mehr als 30 Musical-Produktionen sowie in über 1000 Opern-Auftritten. In Seminaren und Vorträgen vermittelt Laura Baxter den Teilnehmern, wie sie souverän und authentisch auftreten, um ihre Botschaft wirkungsvoll zu präsentieren.
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MAIKE VAN DEN BOOM
Humor ist, wenn nichts wichtig ist
Warum Holländer so unausstehlich fröhlich sind
Eines sei vorab klargestellt: »Deutsche haben keinen Humor!« Zumindest ist das meist die erste Bemerkung, die ich zu hören bekomme, wenn ich mich gegenüber Holländern* »oute« und lässig in die Runde werfe, ich sei ja ursprünglich Deutsche. Natürlich schwillt bei so einer Bemerkung mein deutsches Herz voller Eitelkeit an. Ich straffe die Schultern, hebe das Kinn und bekomme einen leicht arroganten Blick. Dann entgegne ich schnippisch: »Natürlich haben wir Humor! Ihr versteht ihn bloß nicht!«
O-Ton: »Holländer sind für unseren Humor zu dumm, naiv und oberflächlich.« Der deutsche Humor zeichnet sich immerhin durch Niveau, Tiefgründigkeit und Stil aus. Eben all diese Eigenschaften, die dem Holländer an sich schon völlig unbekannt sind. Als halbe Holländerin und halbe Deutsche komme ich dann oftmals in Erklärungsnot. Denn jeder Deutsche hat ja ein Bild seines holländischen Prototyps, auch ich: Ob sie jetzt an der Autobahnraststätte in ihren Campingstühlen neben ihrem Wohnwagen sitzen und lekker** weiße Schlabberbrötchen mit einem lekker Glas Buttermilch und wässrigem Kaffee genießen. Oder ob sie während des Skiurlaubs lekker grölend die Skihütte stürmen oder auf dem Campingplatz am Gardasee alle lekker auf demselben blauen Gaswok kochen, den sie diesen Sommer bei der holländischen Supermarktkette Albert Heijn mit 150 Sammelpunkten gratis ergattern konnten. Nicht zu vergessen Linda de Mol, Rudi Carrell, Harry Wijnvoord oder Alfred Jodocus Kwak mit seinem passendem Lied Warum bin ich so fröhlich?. Big Brother ist eine holländische Erfindung, wahrscheinlich geboren aus der Gewohnheit, Gardinen vor den Fenstern sowieso völlig überflüssig zu finden. Holländer sieht man überall, aber vor allem hört man sie überall. Von deutschem Anstand keine Spur, deutsche Distanzbemühungen wie den förmlichen Händedruck tunlichst missachtend, meist mit ungeputzten Autos und genauso dreckigen Schuhen unterwegs und – verdammt noch mal – immer lekker gut drauf.
Selbst unwichtig sein
Über Schuhe gesprochen: Ein guter Geschäftspartner, CEO eines börsennotierten holländischen Unternehmens, nahm mich auf einem Kongress zur Seite, um mir unter vier Augen ehrfürchtig die Frage zu stellen, die ihm am meisten am Herzen lag: »Maike, wie macht ihr Deutschen das eigentlich? Ihr habt immer geputzte Schuhe und gewaschene Autos!« »Na ja«, so meine Antwort, »das finden wir eben wichtig!«
Vielleicht liegt da ja der Unterschied? Holländer finden viele Dinge nicht wichtig. Man betrachte zum Beispiel eine typisch holländische Essgewohnheit: Holländer lieben es, Kartoffeln und Fleischsoße mit der Gabel zu einem unansehnlichen Brei zu zermanschen. Allein daran erkennt man sie schon in deutschen Restaurants. Der Deutsche hingegen teilt die Kartoffeln sorgfältig mit der Gabel und pikst sie dann fein säuberlich auf. Der Holländer aber liebt das flache Land, Erhebungen sind ihm suspekt. Ästhetik, Feinheit, Geschmacksvariationen – nicht wichtig. Wie die kulinarischen Köstlichkeiten nimmt der Holländer sich selbst auch nicht so wichtig, Fußball natürlich ausgeschlossen.
»Doe normaal, dan doe je gek genoeg!« – »Benimm dich normal, dann benimmst du dich schon gestört genug!«, lautet ein gängiges Sprichwort. Und so nennen sie ihr Land »Kikkerlandje«, »Froschländchen«, weil sie auf ihren nur 41 500 Quadratkilometern (in etwa zwei Mal die Fläche Hessens) theoretisch auch unter der Wasseroberfläche wohnen. Wie nennen wir Deutschen unser Land liebevoll? »Dichter- und Denkerländchen«?
Humor will in Deutschland eben durchdacht sein. Und mancher Holländer bemerkt mit einem Augenzwinkern: »Bei den Deutschen ist alles so gut geregelt, dass man keine Späße braucht, um sich aus einer peinlichen Situation zu retten.« Alfred Biolek sagte in einem holländischen Interview dazu, die Deutschen besäßen nun einmal nicht die Gabe, sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Humor sei in Deutschland eine Art Vertragssache: Hier fängt der Humor an und hier hört er auf. Wo kämen wir hin, wenn jeder einfach wild drauflos irgendwelche Späße machen würde!
Humor als Bindemittel
Schauen wir Deutschen deshalb so viele Comedy-Sendungen? Einschalten, Humor an. Ausschalten, Humor aus? Oder haben wir Deutschen Spaß am Spaßabgucken? Sind wir gar Humor-Voyeuristen? Die bisher weltweit umfangreichste Studie, die Dr. Richard Wiseman von der University of Hertfordshire Ende 2002 publiziert hat, lässt die Frage offen. Fast eine halbe Millionen Menschen aus 70 Ländern haben hierbei online Witze beurteilt. Ergebnis: Wir Deutschen finden beinahe alle Witze witzig und landen deshalb prompt auf Platz eins!
Ein altes deutsches Sprichwort besagt: »Humor ist, wenn man trotzdem lacht.« Nur tun wir Deutschen uns damit doch recht schwer. Denn Humor heißt eben nicht nur, über Witze oder Comedy-Sendungen lachen zu können, sondern über den Alltag und die (nicht) alltäglichen Widrigkeiten, über die Unstimmigkeit des Daseins. Humor heißt, dem Ernst des Lebens einfach mal ein wenig Gewicht zu nehmen, ihn locker zu sehen. Das Leben ist nun einmal mehrdeutig und unberechenbar. »Besser man lacht drüber«, so der Holländer.
»Ihr Deutschen seid immer so seriös.« Noch so ein Vorurteil aus Holland frei Haus. Nun ja, wir finden, was so leicht daherkommt, das kann doch nur oberflächlich sein! Seit ich nach 13 Jahren in Holland, holländisch geprägt, wieder nach Deutschland zurückgekehrt bin, habe ich mir angewöhnt, mich vorab zu entschuldigen: »Wenn ich zu weit gehe, dann sag einfach Bescheid, Holländer sind da ein wenig grenzenlos.« Das gilt für Späße, Fragen und Doktortitel. Außer über das Königshaus lachen Holländer über alles. Sie lachen über sich, andere und über das Leben. Und falls man nicht verstanden hat, dass eine Bemerkung witzig gemeint war, dann helfen einem die Holländer gern mit einem freundlichen Schulterschlag, begleitet von einem »Grapje!« (»Das war ein Witz!«), auf die Sprünge.
Während meiner Zeit in Holland wurde mir klar: Natürlich sind die nicht immer nur gut drauf. Aber sie nehmen auch das mit Humor. Von einem Holländer bekommen Sie unverblümt eine negative Rückmeldung, und zwar sofort, direkt, ehrlich, zeitsparend und ohne Hintergedanken. Und über diese Bemerkung wird gleich ein Witz gemacht: »Den Deal hast du voll verhauen! Du bist der letzte Idiot!« Und dann folgt mit breitem Grinsen und Augenzwinkern: »Na ja, aber Kaffee kochen kannste zumindest!« Und das ist nur ein Beispiel für die abgeschwächte Variante. Und sogar die klingt für uns Deutsche schon ungewohnt. In Holland redet man so miteinander, selbst in den Vorstandsetagen. Ist das ungehobelt? Vielleicht. Aber Deutlichkeit ist den Holländern ein tiefes Bedürfnis. Denn unterschwellige Spannungen, die indirekt durch spitzfindige Bemerkungen sehr, sehr lange gehalten werden können, sind nicht ihr Ding. Wenn es zwickt, muss es raus. Wenn es raus ist, ist es greifbar, und dann wird es durch einen Scherz abgeschwächt. Denn Holländer sind absolut harmoniebedürftig und streben in allem, was sie tun, nach Konsens. Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Klarheit gehen dabei über Höflichkeit und Förmlichkeit.
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