Mit Diplomatie zum Ziel. Stéphane EtrillardЧитать онлайн книгу.
target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_0e810cef-94f8-5e4a-98ba-aad106269a25.jpg" alt="image"/> das gegenseitige Vertrauen auszubauen und sich als glaubwürdiger Gesprächspartner zu erweisen;
wenn es darauf ankommt, schweigen zu können.
Wie sehr dieser letzte Punkt von Diplomaten beachtet wird, zeigt sich übrigens darin, dass viele gelungene Schachzüge der Diplomatie niemals bekannt geworden sind – eben weil sie von den Protagonisten nicht an die große Glocke gehängt wurden. Der Hintergrund all dieser diplomatischen Prinzipien: Man möchte die Beziehungen zum Gesprächspartner möglichst dauerhaft erhalten und sie stärken. Denn wenn eine Beziehung tatsächlich einmal abgebrochen wird, bleiben uns nicht mehr allzu viele Möglichkeiten, sie zu retten.
3. Wenn das Tischtuch zerschnitten ist
Wenn Menschen sich derart entzweien, dass eine Versöhnung unmöglich erscheint, heißt es, das Tischtuch zwischen ihnen sei zerschnitten. Diese Redensart kommt ursprünglich aus dem Mittelalter. Damals wurde bei Ehescheidungen das von den beiden Partnern gehaltene Tischtuch in der Mitte zerschnitten. Obwohl sich die Zeiten geändert haben, ändert das nichts am Ergebnis: Wo diese Redensart heute zutrifft, gibt es offenbar unüberbrückbare Differenzen. Der persönliche Umgang wird abgebrochen oder auf das Unvermeidliche reduziert. In einigen Situationen mag das der einzig konsequente Schritt sein. In vielen anderen bringt es Nachteile für beide Seiten und war oft in dieser drastischen Form auch gar nicht gewollt. Gehen Beziehungen – berufliche oder private – in die Brüche, entsteht Stress und es geht ein wichtiger Rückhalt verloren.
Der Mensch ist ein Beziehungswesen und strebt nach Kooperation, Zugehörigkeit und Anerkennung. Belastete Beziehungen versetzen ihn in eine Art Alarmzustand.
Menschen sind per se keine Einzelkämpfer, sie zeichnen sich vielmehr durch ihre Fähigkeit zur Kooperation aus. Tatsächlich fühlen sich Menschen am wohlsten, wenn sie auf stabile Beziehungen setzen können und Teil einer soliden Gemeinschaft sind. Der Mensch ist also schon seiner Veranlagung nach voll und ganz ein Beziehungswesen und strebt nach Kooperation, Zugehörigkeit und Anerkennung. All dies finden wir in stabilen Beziehungen. Das gibt uns Sicherheit.
Sind die Beziehungen jedoch belastet, befinden wir uns in einer Art Alarmzustand. Gute Beispiele für diesen Alarmzustand sind Beziehungskrisen, Mobbing am Arbeitsplatz oder belastete Freundschaften – in all diesen Fällen stehen die Betroffenen unter starkem Druck. Dieser kann sich zu erheblichem Leidensdruck ausweiten, die Leistungsfähigkeit und Motivation deutlich reduzieren und sogar krank machen. Genau das ist übrigens auch der Grund dafür, dass weitsichtige Unternehmen heute verstärkt in ein positives Betriebsklima investieren. Das liegt weniger daran, dass ihnen das Wohl ihrer Mitarbeiter so sehr am Herzen liegt. Vielmehr ist inzwischen klar, dass eine gute Atmosphäre am Arbeitsplatz nachweislich den Krankenstand vermindert und zugleich die Produktivität erhöht.
Wie Feindbilder entstehen
Gute Beziehungen sind eine Bereicherung für uns, die das Leben angenehmer und leichter machen. Sie sind vor allem dann gefährdet, wenn es im Gespräch zu persönlichen Verletzungen kommt. Eigentlich wissen das alle und sollten diese Verletzungen tunlichst vermeiden. Dennoch zielen viele Menschen im Eifer des Gefechts immer wieder unter die Gürtellinie. Das geschieht meist nicht aus heiterem Himmel, sondern nach einem mehr oder weniger langen Vorspiel. Dieses Vorspiel könnte beispielsweise so aussehen: In der Abteilung eines Büros geht es drunter und drüber und alle Mitarbeiter wissen, dass am nächsten Tag unendlich viel Arbeit anfallen wird. Ein Kollege, der ein wenig reserviert und schon deshalb nicht sehr beliebt ist, hat dummerweise ausgerechnet an diesem Morgen auf dem Weg zur Arbeit eine Autopanne. Als Folge kommt er mehr als eine Stunde zu spät ins Büro. Seine Kollegen sind verständlicherweise alles andere als begeistert und tuscheln hinter seinem Rücken über den »Zuspätkommer«. Einige Monate später kommt es zu einer ganz ähnlichen Situation: Wieder hat die ganze Abteilung alle Hände voll zu tun und wieder kommt derselbe Kollege zu spät ins Büro. Auch diesmal ist es nicht seine Schuld, doch will davon niemand etwas hören. Auch scheinen alle vergessen zu haben, dass der Kollege in all den Jahren überhaupt nur zweimal zu spät kam. Doch jetzt hat er seinen Ruf weg: Er ist nun der Zuspätkommer, auf den kein Verlass ist, wenn jeder gebraucht wird. Hinter vorgehaltener Hand wird also tüchtig gelästert.
So entsteht allmählich ein Feindbild. Schon bald kann der Mitarbeiter machen, was er will, bei jeder Gelegenheit heißt es: »Das ist mal wieder typisch für den!« Und hat sich erst einmal ein solches Feindbild manifestiert, haben alle, die sich darauf eingeschossen haben, eine verzerrte Wahrnehmung. Die Objektivität geht völlig verloren; stattdessen entwickelt das Ganze eine negative Eigendynamik mit reichlich (Fehl-)Interpretationen, Wertungen, Unterstellungen, Urteilen und Vorurteilen. Was sich zunächst gegen einen richtet, greift in vielen Fällen schnell weiter um sich, bis im gesamten Büro dicke Luft herrscht.
Vor allem persönliche Verletzungen belasten und gefährden eine Beziehung.
Kaum jemand behält Ärger und Frust für sich, im Gegenteil: Wer sich ärgert, wird möglichst vielen davon berichten – und er wird dabei selten objektiv bleiben. Er wird vielmehr die Situation einseitig und mit allerlei Wertungen und Unterstellungen gewürzt weitertragen. Eine Lappalie wie das zweimalige Zuspätkommen zieht so weite Kreise und infiziert nach und nach einen größeren Teil der Belegschaft. Derjenige wiederum, der in die Schusslinie geraten war, wird sich wehren und seinerseits Verbündete suchen. Es entstehen also ständig neue Fronten und kaum jemandem wird mehr bewusst sein, wie das Ganze überhaupt angefangen hat. Niemand argumentiert noch sachlich, es kommt vielmehr zu persönlichen Verletzungen, was die Beziehung schwer belastet und sie schließlich zerstört – das Tischtuch ist zerschnitten.
Ärger und Konflikte kosten Kraft
Belastete Beziehungen kosten Energie, Zeit und Geld und beinträchtigen die Lebensfreude und die Gesundheit.
So oder ähnlich entstehen und verlaufen tagtäglich viele unnötige Konflikte, die letztlich alle Betroffenen belasten. Eine Stunde Ärger kostet mehr Energie als ein ganzer Tag Arbeit. Dauerhafter Ärger bringt letztlich alles durcheinander – die Arbeitsabläufe, den Zeitplan, das Privatleben, die Gesundheit – und mindert merklich die Lebensfreude. Es kommt sogar häufig vor, dass jemand, der jahrelang gern zur Arbeit gegangen ist, die Lust daran vollkommen verliert, weil ein Konflikt alles zerstört hat. Und selbst wenn ein andauernder Konflikt für alle ermüdend geworden ist und sie sich eine Lösung wünschen, ist es gar nicht so einfach, einen Neuanfang zu machen. Gerade persönliche Verletzungen lassen sich nicht nebenbei wieder kitten. Selten wird jemand den Anfang machen und über seinen eigenen Schatten springen, schließlich ist ja immer der andere schuld. Oft wollen die Beteiligten lange Zeit gar keine Lösung; sie halten den anderen ohnehin für unfähig und betrachten ihn als Quelle allen Übels. Dass Kollegen in Unternehmen oft noch in Konkurrenz zueinander stehen, macht die Sache auch nicht einfacher.
Wenn schließlich nur noch ein Scherbenhaufen übrig ist, kommt es oft zu Selbstvorwürfen: »Wie konnte ich nur so blöd sein? Warum habe ich damals bloß nicht den Mund gehalten?« Doch inzwischen ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Letztlich gibt es zwei Probleme:
1. Durch undiplomatisches Verhalten inklusive persönlicher Angriffe, die jede Beziehung schädigen, wird eine destruktive Spirale in Gang gesetzt.
2. Nachdem es zu persönlichen Verletzungen gekommen ist, tun sich die Beteiligten schwer, den ersten Schritt in Richtung Deeskalation zu tun. Doch wer auf den ersten Schritt des anderen wartet, wartet meist vergeblich.
Die klügste Vorgehensweise ist natürlich die, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Das gelingt mit einer bewussten Kommunikation und einem weitsichtigen Verhalten im Gespräch, also mit Diplomatie. Doch es fällt längst nicht nur Streithähnen schwer, sich in alltäglichen und speziellen Situationen weniger impulsiv und dafür