Mit Diplomatie zum Ziel. Stéphane EtrillardЧитать онлайн книгу.
der jemanden kennt usw. Das ist ein Grund, warum Netzwerke so wertvoll sind. In den USA geht man inzwischen sogar noch einen Schritt weiter. Wer sich dort um eine Führungsposition bewirbt, wird häufig danach bewertet, wie viele Freunde und Follower er in den sozialen Netzwerken im Internet hat und mit wem er dort befreundet ist. Über diesen »Klout-Wert« stellen die potenziellen Arbeitgeber fest, ob der Bewerber Einfluss besitzt. Ist der »Klout-Wert« hoch, steigen die Jobchancen. Mit der Größe und Qualität des Netzwerkes steigt damit der Marktwert des Bewerbers. Diese Trends aus den USA lösen bei uns eher noch Befremden aus und haben ja auch tatsächlich ihre Schattenseiten. Dennoch basiert der »Klout-Wert« auf einem ähnlichen Prinzip wie das herkömmliche Netzwerk: Mit der Anzahl und Qualität der Kontakte steigt der Einfluss des Netzwerkers. Die Sache selbst ist also nicht neu. Und jetzt werden dabei reale und virtuelle Welt verbunden.
* Christakis, Nicholas A.; Fowler, James H.: Connected! Die Macht sozialer Netzwerke und warum Glück ansteckend ist. Frankfurt am Main: S. Fischer, 2010, S. 352
5. Die anderen und ich
Leider sind gute Beziehungen alles andere als selbstverständlich. Dabei ist es gar nicht so schwierig, mit anderen gut auszukommen – wenn die persönlichen Voraussetzungen stimmen. Ein erstes Handicap ist die recht verbreitete, bequeme Ansicht, dass eine Beziehung von allein funktionieren muss. Dieser Irrtum führt jedoch schnell zu einer Abkühlung der Beziehung. Wer an guten Beziehungen interessiert ist, muss in jedem Fall daran arbeiten. Das erfordert vor allem Fähigkeiten, die ganz allgemein unter dem Stichwort »soziale Kompetenz« zusammengefasst werden.
Wer verbindliche und dauerhafte Beziehungen aufbauen will, braucht soziale Kompetenz.
Das Problem dabei: Die meisten Menschen, die über eine wenig ausgeprägte soziale Kompetenz verfügen, sind sich dieser Tatsache überhaupt nicht bewusst. Sie empfinden ihr Handeln und Verhalten als richtig oder geradezu beispielhaft. Wenn die Reaktionen auf ihr Tun nicht so ausfallen, wie erwartet, können sie sich das nur dadurch erklären, dass mit dem anderen etwas nicht stimmt. Der eigene Anteil an Spannungen in den persönlichen Beziehungen wird dabei komplett ausgeblendet.
Der Begriff »soziale Kompetenz« meint all die persönlichen Fähigkeiten und Einstellungen, die dazu beitragen, das eigene Verhalten von einer individuellen auf eine gemeinschaftliche Handlungsorientierung hin auszurichten. Sozial kompetentes Verhalten verknüpft die eigenen Ziele und Interessen mit den Einstellungen und Werten anderer Menschen. Es ist erforderlich, um angemessen mit anderen Menschen umgehen zu können. Zur sozialen Kompetenz zählen insbesondere Empathie, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Toleranz. Jede dieser Kompetenzen ist erforderlich, um mit anderen Menschen verbindliche Beziehungen aufzubauen und sie dauerhaft zu erhalten.
Es kommt auf den Blickwinkel an
Was das soziale Miteinander so schwierig macht: Jeder Mensch nimmt die Welt auf seine ganz eigene Weise wahr.
Ob es uns gefällt oder nicht: Jeder Mensch sieht die Welt mit anderen Augen und das macht ein sozial kompetentes Handeln für manchen so schwierig. Da sich die Perspektiven unterscheiden, kommt es zu völlig verschiedenen Wahrnehmungen ein und derselben Sache oder Situation. Dass sich Standpunkte und Betrachtungsweisen zum Teil erheblich unterscheiden, erschwert den Aufbau und Erhalt von Beziehungen ungemein. Wenn sich der eine über einen heißen Sommertag freut, während dem anderen eine Abkühlung lieber wäre, dürften zwar kaum Konflikte entstehen. Doch schon bei der Urlaubsplanung wird es schwieriger, wenn einer die Berge liebt, der andere jedoch das Meer. Spätestens bei politischen oder religiösen Themen und wenn es um Fragen der Weltanschauung und um Wertvorstellungen geht, wird es endgültig heikel. Wenn hier völlig abweichende Meinungen aufeinanderprallen, kann es schnell krachen – vor allem dann, wenn Vorurteile im Spiel sind und ein völliges Unverständnis für die Ansichten des anderen herrscht.
Verschärft wird das Ganze noch durch eine spezielle Eigenart aller Menschen: Wir neigen dazu, die eigenen Interessen als dringlicher und wichtiger zu betrachten als die Interessen von anderen. Unsere Wahrnehmung ist auf Dinge fixiert, die uns selbst betreffen, wodurch uns die Belange anderer Personen als weniger bedeutsam erscheinen. Passend dazu werden im Allgemeinen die eigenen Fehler als weniger schwerwiegend eingestuft als die der anderen. Wer viel im Berufsverkehr Auto fährt, weiß, was gemeint ist: Die anderen können allesamt nicht Auto fahren und machen ständig etwas falsch – dass wir selbst gerade mehrfach den Blinker nicht gesetzt und dem anderen die Vorfahrt genommen haben, merken wir gar nicht oder denken uns: »Warum fährt der auch so langsam!«
Wenn es jedoch darum geht, die Vorzüge und Talente anderer Menschen – ihre Vorgehensweisen, Methoden und Kenntnisse – zu würdigen, ist es oft genug genau andersherum; sie werden gerne übersehen. Ein wichtiger Faktor der sozialen Kompetenz ist jedoch unsere Fähigkeit, den eigenen Blickwinkel bewusst zu erleben und sich gleichzeitig in die Perspektive eines anderen hineinzuversetzen. Das ist die Voraussetzung dafür, sich bewusst in sein Gegenüber einfühlen zu können. Und dafür braucht es Empathie, eine Fähigkeit, über die jeder Mensch verfügt, die allerdings viel zu selten bewusst und gezielt zum Einsatz kommt.
Empathie, also der Wille und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ist ein entscheidender Faktor für den Aufbau von Beziehungen.
Empathie gilt als ein unverzichtbarer Baustein des menschlichen Zusammenlebens. Erst durch einen Perspektivenwechsel können wir die Tragweite des eigenen Handelns abschätzen, Handlungen und Interessen anderer Menschen verstehen und nachvollziehen und somit Konsequenzen einschätzen. Empathie ist die Grundvoraussetzung dafür, vorausschauend zu agieren. Der Begriff umfasst die Fähigkeit und gleichzeitige Bereitschaft, sich in die Gedankenwelt und das Empfinden anderer Menschen einzufühlen. Obwohl Empathie eine ganz natürliche Gabe ist, setzen viele Menschen sie nicht ein. Dies liegt wohl weniger an den unterschiedlichen Ausprägungen der Empathiefähigkeit. Es liegt vielmehr daran, dass sich manche Menschen einfach nicht in andere hineinversetzen wollen. Und das kann zur Gewohnheit werden. Zu oft ist der Mensch auf seine subjektive Betrachtungsweise der Dinge fixiert und bleibt so in seiner eigenen Gedankenwelt verhaftet. Nahezu jedes Handeln und auch jedes Gespräch verliert jedoch an Wert, wenn wir immer nur von unserer eigenen Perspektive ausgehen. Sobald wir mit anderen Menschen Kontakt aufnehmen, brauchen wir ein gewisses Einfühlungsvermögen, wenn wir mit- statt gegeneinander agieren und stabile Beziehungen aufbauen wollen.
Selbst bei flüchtigen Kontakten hilft Empathie uns, die Handlungen anderer Menschen, ihre Interessen und Absichten zu verstehen. Ein Beispiel dafür ist ein guter Verkäufer: Für ihn ist die Empathie ein wichtiges Instrument, das er in seinen Verkaufsgesprächen erfolgreich einsetzt. Ohne Einfühlungsvermögen würde er seine Kunden und ihre Bedürfnisse nicht verstehen und folglich an ihnen vorbeireden. Seine Verkaufsargumente wären wertlos, da er nicht in der Lage wäre, sie gezielt auf die Welt und die spezifische Situation der Kunden abzustimmen. Einfühlungsvermögen hat also auch ganz praktische Vorzüge und spielt in alltäglichen und vielen beruflichen Situationen eine große Rolle.
Das gilt zum Beispiel für alle Gespräche: Zweifellos macht es im Gespräch mit einem Freund einen Unterschied, ob der andere gerade eine satte Gehaltserhöhung oder seine Kündigung bekommen hat. Darauf muss man sich einstellen – alles andere wäre auch taktlos, gefühllos und rücksichtslos und könnte die Freundschaft leicht gefährden. Ein angemessenes Verhalten hängt also erheblich von der Gefühlslage des Gegenübers ab. Wenn wir seine Gefühle nicht kennen oder falsch interpretieren, ist eine reibungslose Verständigung kaum möglich: Ein Mensch, der unter Stress steht, reagiert völlig anders als jemand, der ruhig und ausgeglichen ist. Wer gerade absolut nicht zu Späßen aufgelegt ist, reagiert empfindlicher als ein anderer mit guter Laune, und wer niedergeschlagen ist, ist dünnhäutiger als jemand, der rundum zufrieden ist.
Menschen mit ausgeprägtem Einfühlungsvermögen sind die besseren Gesprächspartner.
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