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Golf von Neapel Reiseführer Michael Müller Verlag. Andreas HallerЧитать онлайн книгу.

Golf von Neapel Reiseführer Michael Müller Verlag - Andreas Haller


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ausmachen. Ver­schie­de­ne Orte auf dem Boden der anti­ken Nea­polis erlauben den Abstieg in die Un­terwelt, den Bauch der Stadt. Ein Rundgang durch die Katakomben oder die ur­banen Funda­mente aus grie­chisch-römischer Zeit zählt zum Span­nend­sten, was man in der Mezzo­gior­no-Metropole unternehmen kann. Über­dies bietet die Altstadt fantasievoll ein­ge­richtete Ladengeschäfte, ver­füh­re­risch duftende Re­staurants, Bars und Kon­di­to­reien, romantische Hinter­höfe mit reich­lich Kolorit und immer wieder Ein­bli­cke in den italienischen Alltag und in die neapolitanische Volks­fröm­mig­keit. Die­se kreist um Blut­wun­der (→ Kasten) und um Aber­glau­ben. Das in Läden und an Sou­venir­stän­den omni­prä­sente rote Hörn­chen, corno genannt, ist ein Talisman, der vor dem bösen Blick schützt. Seine Wirkung ent­faltet sich nicht, wenn man ihn für sich kauft - man muss ihn ge­schenkt bekommen!

      Paradeblick am Abend vom Posillipo-Hügel

      Nicht weniger attraktiv als die Alt­stadt ist die re­präsentative Neustadt. Deren Herz ist die ein wenig an den Peters­platz in Rom erinnernde Piazza del Plebiscito mit dem Stadtpalais der Kö­nige von Neapel und dem gran­dio­sen Teatro San Carlo. Von hier führen inner­städtische Boulevards in zahl­reiche Rich­tungen: Die Via Toledo streift das Spanische Viertel und nimmt Kurs auf das National­museum, wäh­rend in der Gegenrichtung die von präch­tigen Gründerzeitfassaden flan­kierte Uferpromenade, die Via Nazario Sauro, insbesondere sonn- und feier­tags zum Fla­nieren einlädt. Außerdem verbindet eine Standseilbahn die Via Toledo mit dem Vo­mero-Hügel, von dem man einen hinreißenden Ausblick über die Stadt genießt. Ein weiterer Be­sichtigungs­höhepunkt ist für Kunst­lieb­haber die Ge­mälde­sammlung im Schloss Capo­dimonte. Sonst prä­sen­tiert sich Neapel land­einwärts nicht un­be­dingt von sei­ner Schoko­la­den­seite: Bei­der­seits der Au­tobahn in Rich­tung Poz­zuo­li überwiegen gesichtslose Wohn­silos und freudlos vor sich hin­düm­pelnde In­dustrieanlagen. Ein Licht­blick an der westlichen Pe­ri­phe­rie ist das Science Centre im Industrie­vor­ort Bag­no­li, das ein Stahlwerk an glei­cher Stel­le ersetzt. Zwi­schen Stadt­zen­trum und Bagnoli er­streckt sich der Posillipo mit dem mutmaßlichen Grab des römischen Dichters Ver­gil. Heute ist der Hügel eine bürgerliche Wohn­ge­gend mit stattlichen Villen und Gärten, in de­nen auf frucht­barer Vulkan­er­de Zi­trus­früchte und Blattgemüse kulti­viert werden.

      Anime pezzentelle - Totenkult in Neapel

      Die Untergründe der Millionenstadt bergen manch abgründiges Geheimnis. Eines davon ist der neapolitanische Totenkult, der bis in die 1970er-Jah­re v. a. von Frauen praktiziert wurde. Bedeutende Stätten dieser „matri­lokalen Kulte“ sind die Altstadtkirche Santa Maria delle Anime del Purgatorio oder auch der Cimitero delle Fontanelle im Stadtteil Sanità. Letzterer ist für den Totenkult von be­sonderer Bedeutung, weil das heutige Armenviertel just dort liegt, wo sich einst vor den Toren der antiken Neapolis die grie­chisch-römischen Katakomben befanden.

      Die Sanità wurde erst im Verlauf des 16. Jh. besiedelt (der Name Fonta­nelle verweist auf den ehemaligen Quellenreichtum). Die turm­hoch in den Berg getriebenen Tuffsteingrotten des Gottes­ackers entpuppen sich als titanisches Beinhaus mit regal-hoch ge­sta­pelten Knochen und Schädeln. Zur Blü­tezeit des Totenkults be­such­ten Frauen das unterirdische Beinhaus, wuschen die Schädel und beteten für ein günstiges Schicksal der Toten im Fegefeuer. Ein Akt mit doppeltem Nutzen, denn umgekehrt glaubten Prak­ti­zie­rende daran, dass sich die Seelen revanchierten: indem sie Kin­der- oder Heiratswünsche erfüllen oder zur Krank­heits­ge­ne­sung bei­tra­gen. Zu­meist handelt es sich bei den Knochen um anonyme To­te, die wäh­rend der verschiedenen Pest- und Choleraepidemien 1656 und 1836/37 hier ein­gelagert wurden. Andere fanden nach Auf­lösung innerstädti­scher Fried­höfe den Weg hierher. Anime pezzentelle, „verlassene Seelen“ werden die namenlosen Toten ge­nannt, die sich die Frauen im Zuge der Kulte an­eig­neten; sie ga­ben ihnen eine „Familie“ und enthoben sie somit ihrer Ver­lo­ren­heit im Fege­feuer. Der Totenkult ist seit dem barocken Zeit­alter der Ge­gen­reformation belegt. Ein bischöfliches Dekret setzte der „heid­nischen“ Volksfrömmigkeit 1969 ein Ende.

      Weiterführende Literatur:

      Ulrich van Loyen: Neapels Unterwelt. Über die Möglichkeit einer Stadt, Berlin 2018.

      Totenköpfe als Kultobjekt auf dem Fontanelle-Friedhof

      Antike Forumsreste im Untergrund

      Die frühesten Siedlungsspuren be­fin­den sich überraschenderweise nicht auf dem Bo­den der Altstadt, sondern auf dem Monte Ecchia (Pizzofalcone). Heu­te ist der Hügel hinter dem Castel dell’Ovo voll­ständig überbaut, weshalb man ihn gerne übersieht. In der Antike ragte er wie ein Sporn ins Meer, wäh­rend das Kastell auf einer vorgelagerten Insel stand. Der Name der ersten griechi­schen Sied­lung aus dem 7./6. Jh. v. Chr. lautete Parthenope − eine der drei Sirenen vor der italie­nischen Küs­te, an denen Odysseus im Verlauf sei­ner Irrfahrt vorbeisegelte. Der Sage nach sollen sich die sanges­freudigen Schön­heiten ins Meer ge­stürzt haben. Die sterblichen Reste der Parthenope wur­den auf der Insel Megaris (Mega­ride), Sitz der oben er­wähnten See­fes­tung, angeschwemmt. Noch heute gilt die Sire­ne − neben Vergil und San Gennaro − als Schutz­patronin der Stadt. Die ersten Be­woh­ner waren Grie­chen aus der nahe gelegenen Siedlung Cumae (→ Link); die­se gründeten um 500 v. Chr. östlich der „alten Stadt“ (Palaepolis) eine neue Sied­lung und nannten sie Neapolis. Die „Neustadt“ der Griechen lag exakt auf dem Boden der heutigen Altstadt; wer im Komplex San Lorenzo Maggiore die Trep­pen hi­nun­ter­steigt, kann noch die Ruinen aus grie­chischer und römischer Zeit be­sich­tigen. Wie die meisten anderen grie­chi­schen Kolonien in Unteritalien, blieb Nea­pel auch während der römischen Herr­schaft unabhängig. Als man sich aber in den römischen Bürger­kriegen im 1. Jh. v. Chr. auf die falsche Seite schlug, folgte die Stra­fe auf den Fuß: Nach dem Sieg Roms verleibte Sulla die Stadt am Golf dem wach­senden Im­perium ein.

      Im Mittelalter und in der Neuzeit ver­lief die Entwicklung Neapels im Rah­men der po­litischen Ereignis­ge­schichte Unteritaliens (→ Ge­schichte). Bis 1139 war Nea­pel Haupt­stadt eines unabhängigen, mit Byzanz ver­bündeten Herzogtums. Eine neue Epoche begann danach mit den Nor­man­nen, welche die Stadt am Golf in ihr Kö­nigreich Sizilien integrierten. War in der normannischen Epoche die Haupt­stadt noch Palermo, verschoben sich in der Folge die Gewichte nach Norden: Ei­ne Zäsur bedeutete die Grün­dung der Universität 1224 durch Kaiser Fried­rich II. − die erste nichtkirchliche Hoch­schu­le Europas! Nach der öffent­lich­keits­wirksamen Hin­richtung des blut­jun­gen Staufersprosses Konradin auf der Piazza del Mercato ver­legte Karl I. von Anjou seine Residenz von Palermo nach Nea­pel und läutete ein neu­es Zeitalter für die Stadt ein. In der an­gevinischen Epo­che wuchs die Ein­woh­ner­zahl der Stadt ra­sant, begleitet durch eine fie­ber­hafte Bau­tätigkeit: Am Ha­fen ent­stand der trut­zige Maschio An­gio­ino als neue Re­si­denz (Castel Nuo­vo); in der Alt­stadt wuchsen die rie­si­gen Klosterkomplexe San­ta Chiara und San Lorenzo Mag­gio­re in die Höhe; auf dem Hügel ent­stan­den die Certosa di San Martino und mit dem benach­bar­ten Castello Sant’El­mo die dritte gro­ße An­lage im Drei­ge­stirn der nea­po­li­ta­ni­schen Festungen. Mit der Macht­über­nah­me der Aragonier zu Be­ginn der Renais­san­ce entfaltete sich in Nea­pel eine höfische Pracht, wie sie auch in an­deren Re­si­den­zen üblich war: Aus­druck der städte­bau­li­chen Ver­än­de­run­gen in je­ner Zeit ist das neue Triumph­por­tal aus Marmor am Castello Nuovo. Die weit­rei­chen­d­sten Verände­run­gen im Stadtbild er­folg­ten jedoch im an­schlie­ßenden Ba­rock­zeit­alter. Gan­ze Stra­ßen- und Gas­sen­zü­ge wichen neuen Pracht­boule­vards,


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