Die Erforschung der Ostküste Nordamerikas. Samuel de ChamplainЧитать онлайн книгу.
Die französischen Hakenbüchsen töteten fast alle der feindlichen Krieger.
Im gleichen Jahr 1610 wurde König Heinrich IV. ermordet. Um die Interessen seines Unternehmens zu wahren, kehrte Champlain nach Frankreich zurück. Dort nutzte er die Gelegenheit unter anderem zur Eheschließung im Dezember mit einer jungen Hugenottin aus vermögender Familie. Hélène Boullé war freilich erst zwölf Jahre alt, und der körperliche Vollzug der Ehe hatte zu warten. Aber die beträchtliche Mitgift war für Champlains Unternehmungen finanzieller Balsam. Im Frühjahr 1611 zurück in Kanada, fuhr er den Sankt-Lorenz hinauf auf der Suche nach einem günstigeren Siedlungsplatz als dem engen Quebec. Er fasste die Insel im Sankt-Lorenz-Strom ins Auge, auf der Jacques Cartier 1535 das nun freilich nicht mehr vorhandene Dorf Hochelaga besucht hatte und wo später die Stadt Montreal entstand.
VI. ERKUNDUNG AM SANKT-LORENZ
Champlain wusste, dass die regierende Königinmutter Marie de Medici wenig Sympathie für Neufrankreich empfand; und nicht ohne Zusammenhang damit war das Pelzhandelsmonopol, das Quebecs Existenz sicherte, sehr umstritten. Er verbrachte deshalb das ganze folgende Jahr 1612 in Frankreich. Seine Bemühungen um Bestandssicherung wurden schließlich von Erfolg gekrönt. Als er im März 1613 erneut in Quebec landete, war er wiederum »Leutnant«, also Statthalter, aber diesmal eines der vornehmsten Adligen des Königreichs, nämlich des neuen Monopolisten Henri de Bourbon, Prince de Condé.
Solchermaßen gestärkt, machte sich Champlain daran, das Hinterland Neufrankreichs ernsthaft zu erkunden und nunmehr vor allem den von ihm schon lange ersehnten Zugang, wo nicht zum Westmeer, so doch zumindest zu einem Meer im Norden zu finden, von dem er immer wieder hatte munkeln hören. Von diesem Nordmeer konnte sich durchaus ja auch ein Weg in den Pazifik ergeben. Gegen Ende Mai 1613 brach er auf und reiste den Ottawa-Fluss hinauf; später verfasste er eine erste Beschreibung dieses Gebiets. Im Juni traf er Tessoüat, den Häuptling der Algonkin auf der Allumettes-Insel, den er schon in Tadoussac kennengelernt hatte. Champlain wollte, angespornt durch die Behauptung eines französischen Dolmetschers, dass das Nordmeer in nur wenigen Tagesreisen zu erreichen sei, von Tessoüat Boote und Führer erhalten. Doch dieser fürchtete um seine Stellung als Zwischenhändler im Verkehr mit den nördlichen Stämmen und half, den Dolmetscher als Lügner zu entlarven. Champlain blieb nichts übrig als umzukehren. Zurück in Frankreich, veröffentlichte er die hier im Folgenden übersetzten Voyages.
Der Stoff dieser Reiseberichte sind die Aktivitäten Champlains in Nordamerika zwischen 1604 und 1613. Er hatte zwar, wie oben erwähnt, Amerika gelegentlich schon vor 1604 besucht, und er war auch nach 1613 noch als Forschungsreisender und Verwalter tätig. Aber die mittleren Jahre waren besonders ertragreich. Die ersten hier vorgestellten Berichte sind Beschreibungen seiner Reisen entlang der Küste Neuenglands und seines Vordringens nach Süden bis zum Cape Cod und zu Martha’s Vineyard im späteren Massachusetts. Hierauf folgt die Darstellung der Reisen ab 1608 den Sankt-Lorenz-Strom hinauf mit der Gründung von Quebec, dem dort verbrachten grausamen Winter und der Entdeckung des Lake Champlain. Kurz zurück in Frankreich gewesen, beschreibt Champlain dann die Rückkehr nach Neufrankreich im Jahre 1610 und die Begegnung mit den feindlichen Irokesen. Die »Dritte Reise« berichtet über die Fahrt 1611 den Sankt-Lorenz-Strom hinauf und durch die Stromschnellen bei Lachine. Champlain fügte dann noch eine Beschreibung seiner »Vierten Reise« zum Auffinden des Nordmeers an.
Zweifellos beabsichtigte Champlain mit der ausführlichen Darstellung des bisher Unternommenen, die neufranzösische Unternehmung in Frankreich besser bekannt zu machen und weitere Mittel zu ihrer Fortsetzung zu erschließen. Und diese Bemühung trug durchaus gute Frucht. Zu Beginn 1614 weilte er in Fontainebleau am Hofe und konnte die zuvor recht gegnerischen, konkurrierenden Pelzhändler in einer Compagnie des Marchands de Rouen et de Saint-Malo zusammenschließen. Bei seiner nächsten Überfahrt nach Quebec im Mai 1615 nahm er dann auch vier Missionare mit, nämlich franziskanische Rekollekten.
Möglicherweise in Begleitung des Einzelerkunders Étienne Brûlé folgte er im Juli 1615 der Route seiner vorhergehenden Expedition bis zur Allumettes-Insel und zog anschließend weiter über den Lake Nipissing und den French River. Am 1. August erreichte er den Huronsee. Einen Monat später schloss er sich am Lake Simcoe einem Kriegszug der Huronen gegen die Irokesen an. Im Oktober erreichten die Krieger eine befestigte Siedlung am Onondaga Lake nahe des heutigen Syracuse. Der geplante Überraschungsangriff scheiterte jedoch, und Champlain wurde durch zwei Pfeile am Bein verletzt. Er überwinterte bei den Huronen. Ende Mai 1616 kehrte er nach Quebec zurück, und im September kam er nach ereignisarmer Überfahrt in Honfleur an.
VII. SICHERUNG NEUFRANKREICHS
Das Jahr 1617 war eines politischer Wirren in Frankreich. Bei seiner Ankunft hatte Champlain erfahren, dass der Prince de Condé verhaftet worden war. In den ausbrechenden Machtkämpfen gelang es ihm gleichwohl, seinen neufranzösischen Statthalterposten zu bewahren. Ob er kurzfristig während dieses Jahres wiederum über den Ozean fuhr, ist nicht zuverlässig festzustellen. Die allmähliche Stabilisierung der politischen Verhältnisse gab Champlain jedenfalls nunmehr den Mut, Anregungen für die Planung der zukünftigen Entwicklung seiner Provinz an die höheren Stellen zu geben. Im Februar 1618 sandte er je einen Bericht an den König und an die Handelskammer. Darin schrieb er, dass man über Neufrankreich leicht nach Ostindien gelangen könnte; Zölle könnten auf asiatische Handelswaren erhoben, der christliche Glaube könnte unzähligen Seelen vermittelt und die Handelssiedlung Quebec zu einer stark befestigten Hafenstadt ausgebaut werden.
Die Handelskammer zeigte sich sofort überzeugt. Im Februar 1618 verlangte sie von der Krone, dass Champlain finanzielle Mittel gewährt würden, um jährlich 300 Familien in Neufrankreich anzusiedeln, woraufhin König Ludwig XIII. Champlains Gesellschaft jegliche Unterstützung bei etwaigen Kolonisierungsbemühungen zusagte. Noch im gleichen Jahr reiste Champlain kurz nach Quebec, um die Möglichkeiten der kommenden Entwicklung zu sondieren. Ende August war er schon wieder in Frankreich. Hier erhoben sich freilich erneut Schwierigkeiten, welchen als Ursache der alte Widerstand der freien Handel fordernden Kaufleute gegen Champlains Monopolbestrebungen zugrunde lag. Die Dinge klärten sich etwas, als der neufranzösische Vizekönigstitel im Oktober 1619 an den Herzog von Montmorency überging. Am 7. Mai 1620 schrieb der König an Champlain, dass er ihm für seine Arbeit in Neufrankreich volles Vertrauen schenke. Von da an ging dieser nicht mehr auf Erkundungstouren, sondern widmete sich ausschließlich dem Aufbau und der Verwaltung Neufrankreichs.
Als Champlain im Frühjahr 1620 wieder über den Atlantik segelte, brachte er seine nunmehr 22-jährige Ehefrau Hélène Boullé mit. In der mittlerweile heruntergekommenen Siedlung ließ er dauerhaftere Gebäude errichten. Außerdem ordnete er den Bau der ersten Festung an, nämlich das Fort Saint-Louis oberhalb der Felswand des Cap Diamant. Im Herbst 1624 kehrte er wieder nach Frankreich zurück. Seine Ehefrau, die sich nie richtig an das Leben in Nordamerika hatte gewöhnen können, verließ Quebec für immer. Jahre später trat sie in ein Kloster ein. Kinder waren der Ehe nicht beschieden gewesen.
VIII. DIE LETZTEN JAHRE
Nach einem Aufenthalt von eineinhalb Jahren kam Champlain im Juli 1626 wieder in Quebec an. Nun zeigte die Krone Interesse. Der neue Machthaber in Frankreich, Kardinal Richelieu, betrachtete Kolonien als Mittel zur Stärkung Frankreichs und zur Festigung der königlichen Macht. Er stellte daher 1627 die Verwaltung auf eine völlig neue Grundlage und gründete zu diesem Zweck die staatlich kontrollierte Handelsgesellschaft Compagnie des Cent-Associés. Diese verpflichtete sich, in den folgenden 15 Jahren 4000 Siedler nach Neufrankreich zu bringen. Auch Champlain gehörte zu den Teilhabern. Wichtiger war, dass Richelieu ihn 1629 zu seinem persönlichen Vertreter ernannte. Nie offiziell Gouverneur geworden, hatte Champlain damit den Gipfel seiner administrativen Karriere erreicht.
Die Rangerhöhung mochte Champlain schmeicheln, aber seine Tätigkeit in Neufrankreich konnte nicht eigentlich von ihr profitieren. Die europäischen Streitigkeiten zeigten bald auch spürbare Auswirkungen auf die amerikanische Kolonie. Dort wurde die Versorgungslage immer prekärer. Britische Freibeuter begannen, französische Schiffe und Kolonien in Nordamerika zu attackieren. Anfang Juli 1628 plünderten englische Händler einen Bauernhof, den Champlain