Günter, der innere Schweinehund, rettet die Welt. Stefan FrädrichЧитать онлайн книгу.
Vertikale Farmen
1. Günter, der innere Schweinehund
Kennst du Günter? Günter ist dein innerer Schweinehund. Er lebt in deinem Kopf und bewahrt dich vor allem Übel dieser Welt. Immer, wenn du etwas Neues tun, dich verändern oder Ungewohntes ausprobieren willst, ist Günter zur Stelle: »Lass das sein!«, sagt er dann. »Unmöglich, viel zu schwierig!«, bremst er. Oder: »Besser, das machen andere!«, hält er dich zurück. Und obwohl das Leben voller Herausforderungen steckt, die dich und die Welt weiterbringen können, betrachtest du sie lieber als Probleme, die es zu vermeiden gilt. Schade.
Klar: Kurzfristig mag es bequem erscheinen, nicht aus dem Quark zu kommen, aber langfristig ist es oft viel unbequemer! Ein Problem ansprechen? »Jetzt noch nicht …« Bis es dir um die Ohren fliegt. Eine große Aufgabe in Angriff nehmen? »Später mal …« Und die Aufgabe wird immer größer. Endlich eine Entscheidung treffen? »Noch mal drüber schlafen …« Bis du nicht mehr selbst entscheiden kannst. Kennst du so was?
Günter hasst Veränderungen und Herausforderungen. Er bleibt am liebsten in seiner kleinen Welt.
2. Günters kleine Welt
»Herausforderungen? Igitt!«, mault Günter. Denn am liebsten bleibt er in der kleinen kuscheligen Welt seiner Komfortzone. Und so kommt es, dass du im Leben oft auf der Stelle trittst: Dein Job? Der ewig gleiche – selbst wenn er dir stinkt. Dein Urlaub? Wie immer auf Mallorca – obwohl du schon gehört hast, dass es auch woanders schön ist. Im Restaurant? Das leckere Steak essen – obwohl Fleisch gar nicht so gut sein soll.
»Und was ist dagegen einzuwenden?«, will Günter wissen. »Dein Job ist sicher, auf Malle kennst du dich prima aus, und Fleisch ist nun mal Grundnahrungsmittel.« Falsch, Schweinehund: So mancher Job ist überhaupt nicht sicher, auf Mallorca kennst du nur Hotel und Pool, und Fleisch ist … Ach, dazu kommen wir später noch.
Du bist ein Gewohnheitstier, Schweinehund. Und das ist vor allem dann doof, wenn große Veränderungen anstehen: Wer sich nicht freiwillig verändert, tut es früher oder später unfreiwillig. Und dann kann es wehtun.
Disruptionen verändern die Welt. Man überlebt sie nur, wenn man sich an sie anpasst.
3. Doofe Disruptionen
»Von welchen Veränderungen sprichst du?«, fragt Günter. Ein paar harmlose Beispiele: Früher hörten wir Musik noch auf Schallplatten und Kassetten, später dann auf CDs, danach von heruntergeladenen MP3-Dateien. »Und heute können wir sie streamen!« Richtig, Günter. Oder früher mussten wir beim Autofahren noch die Strecke kennen oder Karten lesen. »Und heute gibt es Navis!« Genau. Oder früher haben wir die Mallorca-Reise noch im Reisebüro gebucht. »Heute geht das online!« Problem begriffen, bravo.
»Wieso Problem?«, wundert sich Günter. »Ist doch alles praktisch!« Nun, Ewiggestrige maulen immer noch, dass es keine Musikkassetten mehr gibt. Auch Musikindustrie, Kartenverlage und Reisebüros hatten ein Problem – und die inneren Schweinehunde, die dort arbeiten. Sie mussten sich verändern, um zu überleben – was einige nicht geschafft haben. Sie sind der Disruption zum Opfer gefallen. »Disrup – was?« Disruptionen sind große Veränderungen, welche die Spielregeln so grundsätzlich verändern, dass sie alles durcheinanderwirbeln. Entweder man macht mit oder geht unter.
Disruptionen formen die Welt um. Oft sehen wir sie kommen.
4. Mitmachen oder untergehen
»Oh, oh!«, dämmert es Günter. »Disruptionen sind also gefährlich.« Kommt auf die Perspektive an: Wer mitmacht, kann von ihnen profitieren. Wer pennt, weniger. Frag mal die deutsche Autoindustrie, ob sie sich über Elektro-Autos aus Kalifornien freut. (Tut sie nicht.) Oder Banken über praktische Online-Bezahldienste. (Auch nicht.) Oder schläfrige Kollegen über die wache Konkurrenz aus China. (Aufwachen!) Wo sich der eine ärgert, freut sich oft der andere. Also: Sicherheit in der Komfortzone? Denkste! Die Welt verändert sich – ständig. Und am sichersten ist es, rechtzeitig freiwillig mitzumachen.
»Okay, durch manche Veränderungen müssen wir also durch!« Brav, Günter. Wobei Disruptionen zwar starke Kräfte sind, die unsere Welt umformen, ob das der Einzelne will oder nicht – aber sie sind vergleichsweise langsam. Fitte innere Schweinehunde könnten sich deshalb gut auf sie einstellen. Könnten.
Weitaus heftiger sind da schon die schwarzen Schwäne. Die kommen ganz plötzlich über uns.
Schwarze Schwäne sind selten, unvorhergesehen – und verändern die Welt.
5. Schwarze Schwäne
»Was sind denn schwarze Schwäne?«, wundert sich Günter. So nennt man sehr seltene (schwarze Schwäne eben), scheinbar zufällige Ereignisse, die unvorhergesehen eintreten, enorme Veränderungen nach sich ziehen – und von denen man hinterher oft denkt, man hätte sie kommen sehen müssen.
Viele Erfindungen oder Entdeckungen, die uns heute normal erscheinen, waren zu ihrer Zeit solche schwarzen Schwäne, die viel verändert haben: zum Beispiel dass Penicillin Bakterien tötet – eine schöne Überraschung. Oder dass zwischen Europa und Asien Amerika liegt – Kolumbus wollte ja nach Indien. Oder die Erfindung von Klettverschluss, Röntgenstrahlen, Post-its und Viagra. Alles Zufällen zu verdanken, die zu Fortschritten führten.
Andere schwarze Schwäne hingegen führten zu Katastrophen: die Anschläge vom 11. September 2001 zu Kriegen mit Millionen Toten. Oder das Tōhoku-Erdbeben 2011 zur Nuklearkatastrophe von Fukushima. Oder das Coronavirus 2020 zur weltweiten Gesundheits- und Wirtschaftskrise. Wie bei umfallenden Dominosteinen: eine Ursache, viele üble Folgen.
Obwohl wir die Zukunft nicht kennen, können wir Risiken sehen und eindämmen.
6. Vorsicht, Risiko!
»Na ja, shit happens.« Ganz so einfach ist