Holistisches Chancen-Risiken-Management von Grossprojekten. Konrad BergmeisterЧитать онлайн книгу.
die statistisch, wenn auch schwer, kalkulierbar sind.
Durch die Veröffentlichungen von Laherrère und Sornette [6] über den König sowie von Sornette [7], Sornette und Ouillon [8] über den Drachen und von Taleb [9] über den Schwarzen Schwan bekamen solche unvorhergesehenen Ereignisse mit weitreichenden Folgen eine neue, auch medienwirksame Dimension.
Bei einer Unsicherheit ist der Ereignisraum immer offen!
Taleb (2009) hat die Unsicherheit als fehlendes Wissen oder als fehlendes Bewusstsein über die Bedeutung bereits vorhandenen Wissens interpretiert. Er sagt: „Schwarze Schwäne hängen vom Wissen ab“ [9]. Damit beschreibt er das sogenannte Induktionsproblem von Erwartungen: Das Eintreten eines Ereignisses hängt von den Erwartungen ab.
Nur Ereignisse oder Kettenreaktionen, die nach dem Wissensstand zu einem bestimmten Zeitpunkt unerwartbar sind oder an die bis dahin noch niemand gedacht hat, sind sogenannte unknown unknowns und werden auch in dieser Arbeit als unbekannte Chancen und Risiken bezeichnet.
„There are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns – the ones we don’t know we don’t know“ – das sagte der ehemalige amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld am 12.02.2002 während einer Pressekonferenz, als er zu den Beweisen der Massenvernichtungswaffen im Irak Stellung nahm.
Bei den bekannten Unbekannten handelt es sich um Chancen oder Risiken, die im Rahmen einer Chancen-Risiken-Analyse identifiziert und bewertet werden sollen.
Von Laherrère und Sornette [6] wurde für positive extreme Ereignisse, also für nicht berechenbare Chancen, der Begriff des Königs eingeführt.
Solche unbekannten Störereignisse haben Steinmüller, A. und Steinmüller, K. [10] als Wild Cards bezeichnet. Im Grunde wollten die Autoren die Verletzlichkeit und Störanfälligkeit unserer technologisierten Welt aufzeigen und haben als Überbegriff für unbekannte Ereignisse den Begriff der Wild Cards gewählt. Auch schleichende Katastrophen, die sich über eine längere Zeit erst entwickeln und akut werden können, sind damit erfasst. Interessant ist die Feststellung, dass Steinmüller das Beschleunigungssyndrom als mögliche Quelle von Wild Cards angibt. Durch die Interaktion von technologischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Prozessen können Überraschungen häufiger auftreten.
3.2 Zufälle
In verschiedenen Ländern der Erde werden Zufälle als Vorboten schlimmer Ereignisse interpretiert: In Japan, wenn einem eine schwarze Katze begegnet, in Europa, wenn die Zahl 13 an einem Freitag vorkommt oder wenn Nebel am Neujahrstag in China auftaucht.
Der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung hat die Idee der Synchronizität eingeführt, wonach scheinbar unzusammenhängende Ereignisse durch einen gemeinsamen Sinn miteinander verbunden sein. Er erzählt in seinem Buch „Synchronicity“ [11], dass ein Schreiber Wilhelm von Scholz erzählte, wie eine Mutter im Schwarzwald vor Jahren, also 1914, ein Foto von ihrem Sohn machte. Dieser Film wurde nach Straßburg zur Ausarbeitung gegeben. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte das Foto nicht mehr abgeholt werden. Im Jahre 1916 kaufte die Mutter in Frankfurt einen Film für ihren Fotoapparat um von ihrer, in der Zwischenzeit geborenen Tochter, ein Foto zu machen. Nach der Ausarbeitung des Films zeigte sich, dass dieser Film zweimal verwendet wurde, denn unterhalb des Fotos ihrer Tochter war die Fotoaufnahme ihres zwei Jahre vorher gemachten Fotos ihres Sohnes. Offensichtlich wurde der alte Film von 1914 in Straßburg nicht entwickelt, sondern später in Frankfurt wiederverkauft [12].
Bei einem näheren Betrachten findet man viele Zufälle, sowohl in der Geschichte als auch im persönlichen Lebensverlauf. Einige Beispiele seien nachfolgend erwähnt:
Im Jahre 1998 bekamen drei Schwestern aus American Fork in Utah am gleichen Tag ein Baby. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses liegt bei 50 · 10−6.
Die österreichischen Zwillinge Georg B. und Barbara B. wurden am 04.12.1926 geboren und starben beide am 05.01.1999.
Der Stromausfall in der Peterskirche kurz nach dem Rücktritt des Papstes Benedikt XVI am 11.02.2013.
Persönlich habe ich in meinem Leben festgestellt, dass viele wichtige Ereignisse am 19. eines Monats eintrafen: eigener Geburtstag, Kennenlernen meiner Frau Barbara, Anfrage zur Bewerbung für die Professur an die Universität für Bodenkultur Wien, Geburtstag unseres Sohnes Jakob etc.
Zufälle bei den amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln und John F. Kennedy:– Lincoln wurde 1846 und Kennedy 1946 in den Kongress gewählt.– Lincoln wurde 1860 und Kennedy 1960 zum Präsidenten gewählt.– Die Namen Lincoln und Kennedy enthalten beide sieben Buchstaben.– Beide Präsidenten setzten sich für die Menschenrechte ein.– Die Ehefrauen beider Präsidenten verloren ihre Kinder, während sie im Weißen Haus lebten.– Beide Präsidenten wurden an einem Freitag durch einen Kopfschuss umgebracht.– John Wilkes Booth, der Mörder Lincolns, wurde 1839 geboren.– Lee Harvey Oswald, der Mörder Kennedys, wurde 1939 geboren.– Sowohl Lincolns als auch Kennedys Nachfolger hieß Johnson.– Andrew Johnson, der Nachfolger Lincolns, wurde 1808 geboren.– Lyndon Johnson, der Nachfolger Kennedys, wurde 1908 geboren.
In der Vergangenheit (auch aufgrund eines gewissen Informationsmangels) wurden solche Zufälle oft dem Schicksal oder dem Glück zugeordnet. Der französische Mathematiker Pierre Simon Laplace (1749–1827) sagte: „Mit dem Wort Zufall, gibt der Mensch nur seiner Unwissenheit Ausdruck“. Er glaubte, dass jedes Ereignis auf einer Ursache beruht und mit genügend Wissen die gesamte Kette der Ursachen rekonstruiert werden könnte. Für ihn waren die Abläufe deterministisch; ein Zufall existierte für Laplace nicht.
Sowohl dem wissenschaftlich basierten Denken als auch der bauchgefühlten Intuition sind der Zufall oder das Eintreten unwahrscheinlicher Ereignisse schwer verständlich. Man kann sich auch die Frage stellen, wieso es überhaupt noch Zufälle geben kann, wenn doch fast alles mit Daten beschreibbar ist. Wie Florian Aigner [13] in seinem Buch: „Der Zufall, das Universum und Du“ schrieb, sind mithilfe der Wissenschaft beeindruckend viele Phänomene beschrieben worden, die früher noch göttliche Willkür oder bloßer Zufall waren. Zufall kann in einem mechanistischen Weltbild als ein Ereignis verstanden werden, wo uns Informationen zur Beschreibung fehlen, die aber eigentlich vorhanden sind. Die Naturphilosophen verwendeten solche Gedankenstrukturen.
Albert Einstein äußerte auch seine Zweifel, indem er sagte: „Gott würfelt nicht“. In der Mathematik und in Statistik hat der Zufall als Einzelereignis auch keinen richtigen Platz. Trotzdem entstehen viele Entdeckungen durch reinen Zufall. 90 % der großen Geschäftsinnovationen entstehen durch das Rekonfigurieren oder durch das Übertragen von Methoden in andere Wissens- oder Anwendungsgebiete [14].
Heutewerden trotz der Chaostheorie (begründet von Henri Poincaré, 1854–1912), auch wiederkehrende Ereignisse in der Natur, der Technik und der Wirtschaft, dem Zufall überlassen. Diese Zufälligkeit bedeutet, dass bestimmte Zustände und Ereignisse wiederkehren können, jedoch nicht exakt in der gleichen Art und Weise wie ein Pendel, sondern möglicherweise in einer bisher unbekannten Art. Das ist der Grundgedanke der Chaostheorie. Ein chaotisches System kann mit der Zeit unterschiedliche und rein zufällige Erscheinungsbilder annehmen. Auch mit einem exakten Monitoring oder einer verfeinerten Messtechnik gelingt es nicht, das Chaos vorauszusagen. Was aber gelingt, sind Phänomene zu erkennen und Anzeichen wahrzunehmen. Diese und nicht reine Messdaten müssen wir erkennen, interpretieren und dann aktiv handeln!
Auch der Schmetterlingseffekt beweist die Zufälligkeit und damit Unberechenbarkeit bestimmter Phänomene. Der Schmetterlingseffekt wird beispielsweise so erklärt, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings am Amazonas ein extremes Sturmgewitter viele Jahre später irgendwo in der Welt auslösen kann (Abb. 3.2). Durch ein kleines, unbedeutendes Ereignis kann zeit- und ortsversetzt ein extremes Ereignis provoziert werden. Dieses Extremereignis tritt