Montenegro Reiseführer Michael Müller Verlag. Achim WigandЧитать онлайн книгу.
Türken, Österreicher und wer sonst noch so Kriegs- und Handelsflotten über das Mittelmeer schickte. Deshalb greift der Titel des Weltnaturerbes für die Bucht von Kotor eindeutig zu kurz, und so hat die UNESCO auch gleich noch das Weltkulturerbesiegel mit auf das Typenschild gravieren lassen.
Die Qualitäten der Bucht von Kotor sind erstaunlich lange ein Geheimtipp geblieben, aber jetzt sind sie alle da, ganz besonders die ganz Reichen (gelegentlich auch Schönen). Sichtbarster Ausweis ist die gewaltige Zahl von Liegeplätzen für Urlaubsboote von erklecklicher Länge - in den Jachthäfen von Tivat und jetzt bald auch noch Djenovici können auch Renommierkähne über 100 m Länge problemlos geparkt werden. Auch die lange unberührte Halbinsel Lustica zwischen Bucht und offenem Meer ist mittlerweile von geradezu irrwitziger Investitionstätigkeit überrollt worden. Man findet sie immer noch, die ursprünglichen Orte, aber der Platz wird knapper.
Hinter der ersten Gipfelkette hört Montenegro aber nicht einfach auf, ein Ausflug in die Küstengebirge gehört unbedingt noch in die Reiseplanung. Während das nahezu unbewohnte Orjen-Gebirge in erster Linie für Wanderer und Bergsportler attraktiv ist, führen die 27 legendären Kehren der Passstraße hinauf zum Krstac oberhalb Kotors in die historischen Urgründe des Landes. Gerade einmal eine lange Wanderung entfernt, auf der anderen Seite des Gebirgszugs, liegt mit Cetinje die ehemalige Hauptstadt des Landes (bis 1918), und das kann man der Miniaturversion einer europäischen Metropole auch heute noch gut ansehen.
Was anschauen?
Perast und Kotor: Beide Orte zeugen auf recht unterschiedliche Art vom Reichtum der Bucht - Kotor als schwer befestigte Trutzburg, Perast als weltoffenes Domizil einer Seefahrerelite.
Die Supermarina von Tivat: Die Megajachten von Scheichs und Jet-Set dümpeln friedlich im ruhigen Wasser der Bucht. Milliardäre fast zum Anfassen.
Cetinje: In der alten Kapitale reihen sich Botschaften an Museen an Paläste. Europa des 19. Jh. im Kleinformat.
Was unternehmen?
Orjen und Lovcen: Echte Gebirgserfahrung mit Blick auf das Mittelmeer. Eine Wanderung durch den Karst der Berge an der Küste gehört unbedingt dazu.
Die Strände der Lustica: Noch gibt es sie, die abgelegenen Buchten zum offenen Meer - unbedingt noch beschwimmen, bevor sinistres Hochkapital auch hier alles zubaut.
Tauchen in der Boka: Seit Jahrhunderten herrscht hier reger Schiffsverkehr, entsprechend viel liegt am Meeresgrund herum - unter Wasser gibt es richtig was zu sehen.
Und was sonst?
Karneval: Sowohl Kotor als auch Herceg Novi nehmen den Rang von Karnevalshochburgen für sich in Anspruch. Zum Glück liegt die Betonung nicht so sehr auf „lustig“ als vielmehr auf „lecker“.
Die äußere Bucht
Tivat und Herceg Novi sind die beiden bestimmenden Städte des vorderen Teils der Boka Kotorska, in und um diese beiden Städte konzentriert sich auch die touristische Aktivität mit den meisten Übernachtungsmöglichkeiten.
Sanfter Tourismus ist sicher nicht die Leitmaxime dieses Bereichs: In den Spitzenwochen von Mitte Juli bis Mitte August muss die Rendite für das ganze Jahr erwirtschaftet werden, und da ist man in der Wahl der Waffen nicht zimperlich - im Zweifel schlägt hohe Kapazität jedes ästhetische Argument. Tivat und Herceg Novi sind vor allem bei Jugendlichen und jungen Familien beliebt, die Gastronomie hat sich auf diese Klientel mit Musikbars und eher einfachen Restaurants eingestellt. Baden ist hier hinsichtlich der Wasserqualität völlig bedenkenlos möglich, freilich ist der Wasseraustausch geringer als an den Stränden hin zur offenen See im weiteren Küstenverlauf. Die Strände sind aufgemauerte Plattformen oder ziemlich schmale Kiesstreifen, und der knappe Platz am Wasser ist in der Hochsaison stets intensivst nachgefragt (etwas ruhiger geht es generell in den Abschnitten am Nordufer zu). Die beiden großen Becken bieten Wassersportlern einigermaßen beständige und kalkulierbare thermische Winde, Starkwindbedingungen sind aber in der geschützten Lage naturgemäß eher selten anzutreffen.
Die Altstadt von Herceg Novi
Mit dem Auto kommt man von Norden im Regelfall über den Grenzübergang Debeli Brijeg (24 Std. besetzt) aus Kroatien ins Land, die Bucht liegt dann nur noch 4 km voraus. Landschaftlich sehr viel eindrucksvoller, aber auch viel länger ist der Weg außen um die Halbinsel Prevlaka (seit Kurzem kroatischer Nationalpark) herum und dann über den kleinen lokalen Grenzposten bei Njivice (nicht rund um die Uhr geöffnet, schon gar nicht außerhalb der Saison). Von Süden erreicht man die Boka über die magistrala, die lange ex-jugoslawische Küstenstraße von Ulcinj bis Rijeka. Möglich ist ebenfalls der Weg von Mostar über Trebinje durch die bosnischen Berge, wegen der schlechten und winkligen Straßen dauert das allerdings sehr lange.
Überland- und Regionalbusse verbinden täglich die Orte in der Bucht mit dem Rest des Landes, und auch Dubrovnik wird angefahren (tägl. 9.30 und 15.30 Uhr, zurück spätestens 20.30 Uhr). Busbahnhöfe haben Herceg Novi und Kotor, von hier in der Hochsaison bis zu sieben Direktverbindungen nach Belgrad - leider keine einzige zum Fughafen Dubrovnik-Čilipi.
Für Kreuzfahrer und Jachtbesitzer ist der Abstecher in die Bucht von Kotor ein unbedingtes Muss. Eine reguläre Fähranbindung besteht derzeit nicht.
Herceg Novi
Die hübsche Altstadt Herceg Novis innerhalb der alten Befestigungsmauern ist klein, sodass der erste Eindruck bestimmt ist von den wenig stimmungsvollen Hotel- und Wohnungsblocks, die sich im spätsozialistischen Stil die Hänge hinaufziehen. So verkaufen sich Herceg Novi und die mit ihm zusammengewachsenen Ortsteile etwas unter Wert, der Beliebtheit bei einheimischen Touristen tut das jedoch keinen Abbruch: Mehr Badegäste als an den Plattformen rund um diesen vordersten Teil der Bucht drängen sich nur noch in Budva.
Herceg Novi ist die Keimzelle des Tourismus in Montenegro, wie so häufig waren es die mobilen Briten, die um die vorletzte Jahrhundertwende im Sommer in die Stadt kamen. Der sportlichere Teil von ihnen richtete den Blick auch schnell nach oben und begann mit der Erkundung des Orjen-Gebirges über der Stadt; damit war der Grundstein für die heute vorbildliche Erschließung dieser Berglandschaft für Wanderer und Bergsteiger gelegt. Die Attraktivität der Stadt wurde zum einen maßgeblich bestimmt von den klimatischen Bedingungen: Hier ist es noch einmal spürbar milder als an der ohnehin sonnigen östlichen Adria, und auch im Winter ist ein T-Shirt oft genug Kälteschutz, während wenige Kilometer weiter schon der Reif von den Autos gekratzt werden muss. Zum anderen ist Herceg Novi - hat man die Bausünden hinter sich im Rücken - ein ausgesprochen gelungenes Ensemble aus alter Befestigungsanlage und Sommerfrischler-Villen. Das finden auch Staatsleute und Künstler: Tito hatte hier einen seiner formidablen Sommersitze, und der aktuelle Präsident lädt ebenfalls zu repräsentativen Anlässen gerne in die großen Hotels nach Herceg Novi. Der immer noch hochverehrte Ivo Andrić, jugoslawischer Literaturnobelpreisträger von 1961, verbrachte die letzten Jahres seines Lebens