Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
mein Ritter Atlan.
Eine feuchtwarme Berührung im Nacken und ein liebevolles Schnauben lösten die Starre, in die ich aus Furcht um Atlan verfallen war. Ich konnte mich wieder bewegen.
Als erstes öffnete ich die Augen und sah, dass ich mich in der Zentrale der STERNENSEGLER befand. Danach nahm ich meine Hände von dem komischen Aufbau, der aus dem KOM-Sektor der Bordpositronik ragte. Es knisterte dabei. Statische Energie. Zwischen POSIMOL und mir musste Energie geflossen sein.
Unmöglich!, war mein erster Gedanke.
Aber dann erinnerte ich mich wieder an das grüne Leuchten, in das die ganze Zentrale getaucht gewesen war, bevor ich durch Zeit und Raum meinen Ritter im Kampf auf Leben und Tod gesehen hatte.
Es war das gleiche Grün gewesen wie die Farbe des unteren Zwergsterns, aber es konnte nicht sein Licht gewesen sein, denn es gab kein Licht, das von außen in die Zentrale fallen konnte. Wahrscheinlich hatte es sich um dimensional übergeordnete Energie gehandelt. Das wäre auch eine Erklärung für die Ermöglichung meiner geistigen Präsenz bei Atlan gewesen – und für den Energiefluss zwischen POSIMOL und mir.
Seufzend richtete ich mich auf.
»Es besteht keine Gefahr mehr, Anima«, sagte eine wohltönende Stimme.
Ich drehte mich um und legte liebkosend die Hand über Nussels Nüstern.
»Danke, mein Freund«, sagte ich.
Dabei musterte ich die Bildschirme der Außenbeobachtung und erkannte, warum Nussel glaubte, dass wir außer Gefahr seien. Es gab nämlich auf den Schirmen nur das Grau des Zwischenraums mit seinen ebenso charakteristischen wie undefinierbaren Leuchterscheinungen.
Wir befanden uns demnach auf einer Linearetappe – und normalerweise konnte uns dabei niemand und nichts etwas anhaben. Dennoch blieb ich skeptisch. Manam-Turu hatte sich schon mehrfach als eine von mächtigen und mörderischen Kräften durchwobene Sterneninsel erwiesen, in der man sich niemals wirklich sicher fühlen durfte.
Nussel ließ den Kopf hängen. Seine Augen blickten plötzlich dunkel und traurig.
»Du hast mich ›Freund‹ genannt«, sagte er leise. »Aber das verdiene ich nicht. Du musst dich vorhin sehr vor mir gefürchtet haben.«
»Ich – mich vor dir gefürchtet?«, fragte ich verwundert. »Aber wieso?«
Das Einhorn schniefte.
»Du hast es gar nicht bemerkt? Aber ich habe getobt und um mich getreten, dass der Modulmann sogar nach Robotern rief, die mich bändigen sollten. Natürlich kamen keine Roboter. Nichts funktionierte bei dem grünen Leuchten im Schiff so, wie es funktionieren sollte. Wahrscheinlich war es auch das grüne Leuchten, das mich zur Raserei trieb.«
»Ich habe wirklich nichts davon bemerkt«, erwiderte ich.
Dabei warf ich einen Blick auf die Stelle, an der ich die ganze Zeit über gekauert hatte.
Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf.
»Wenn du tatsächlich so schlimm getobt und um dich getreten hättest, wie du denkst, dann wäre ich auf meinem exponierten Platz garantiert von deinen Hufen getroffen worden«, stellte ich fest. »Ich kann eigentlich nur davongekommen sein, wenn dein Unterbewusstsein die ganze Zeit über aufgepasst hat, dass du mir nicht zu nahe kommst. Eine solche Leistung aber bringt nur ein wahrer Freund fertig.«
Nussels Augen schimmerten plötzlich feucht.
»Ich liebe dich, Anima«, gestand er.
Beinahe hätte ich ihn zurückgewiesen. Gerade noch rechtzeitig rief ich mir ins Bewusstsein, dass Liebe bei einem Tier absolut nichts mit Sexualität zu tun haben brauchte wie bei uns so genannten echten Intelligenzen. Für ein Tier war Liebe eben zuallererst der höchste Grad der Zuneigung und nur in Ausnahmefällen mit sexueller Begehrlichkeit gekoppelt. Nur die Affen machten eine Ausnahme, hatte Atlan manchmal gesagt und hatte hinzugefügt: Aber das liegt daran, dass sie von den Menschen abstammen.
Ich drückte Nussel einen herzhaften Kuss aufs Maul.
Dann besann ich mich wieder darauf, dass ich ja nicht auf einer Vergnügungstour, sondern auf der Suche nach meinem Ritter Atlan war. Zwar hatte ich unterdessen etwas Distanz zu dem Geschehen gewonnen, dessen Zeugin ich durch Raum und Zeit gewesen war, und ich war sicher, dass ich nicht wirklich das gesehen hatte, was sich wirklich abspielte, sondern dass dem Geschehen mehr symbolischer Charakter beizumessen sei, aber ich war auch davon überzeugt, dass es mir eine Gefahr signalisieren sollte, in der mein Ritter schwebte.
Es wurde allerhöchste Zeit, dass ich die Initiative ergriff, um ihm so schnell wie möglich zu Hilfe zu kommen, statt mich in allen möglichen Erörterungen zu ergehen.
»Wo sind Neithadl-Off und Goman-Largo?«, erkundigte ich mich.
»Ich weiß nicht«, sagte Nussel, ging rückwärts und bewegte suchend den Kopf hin und her. »Einmal sah ich den Modulmann auf einem Schaltpult. Er muss vor mir hinaufgeflüchtet sein. Aber wo er jetzt ist und wo sich Neithadl befindet, weiß ich nicht.«
»Ich hatte eigentlich auch nicht dich, sondern POSIMOL gefragt«, entgegnete ich. »POSIMOL, antworte!«
Aber die Bordpositronik schwieg sich aus.
Sie schien indisponiert zu sein. Anscheinend war ihr das grüne Leuchten nicht bekommen.
Doch wenn POSIMOL nicht mehr funktionierte, gab es nur einen Platz, den ein so ausgeprägter Pragmatiker wie der Modulmann aufgesucht haben konnte.
Das Cockpit für den Solo-Piloten!
»Sieh dich im Schiff nach Neithadl-Off um!«, rief ich dem Einhorn zu.
Danach eilte ich zum Durchgang für die Backbord-Sektionen, lief durch den Korridor unter den Umsetzerblöcken für die Normal- und Hyperfunkantennen und sprang die Stufen zum Cockpit hinauf.
Und dort saß er!
Goman-Largos Gesicht wirkte angespannt. Die Lider waren vor Konzentration halb gesenkt, die Wangenknochen traten hervor und die Lippen waren zusammengepresst. Schweißtropfen perlten vom Haaransatz, liefen über die Stirn und blieben in den Augenbrauen hängen.
Ich blieb stehen und hielt die Luft an.
Der Modulmann sah mich nicht. Er schien in sich hinein zu lauschen. Dabei bewegte er mit je zwei Fingern die daumengroßen Sticks, wenn er nicht gerade mit den Fingerkuppen über ein paar Dutzend der zu mehreren Hunderten vorhandenen Sensorpunkte huschte. Ab und zu betätigte er dazu noch die Armdruckleisten durch Heben oder Senken der Unterarme.
Was steuerte er – während einer Linearetappe?
»Ja!«, flüsterte er, ohne mich zu bemerken. »Es ist alles geschaltet, wie du es verlangt hast, Prinzessin. Wenn es die Brücke von Llokyr wirklich gibt, kann die STERNENSEGLER jetzt über sie springen. Es sei denn, du hättest mir nur etwas vorgeflunkert und die Schaltungen wären irrsinnig gewesen.«
»Vorgeflunkert!«, kreischte eine Stimme aus dem VZ-Armband an Goman-Largos rechtem Unterarm. »Vergiss nicht, dass ich eine Wissenschaftlerin bin – und eine Wissenschaftlerin weiß immer genau, was sie tut und sagt.«
»Außer wenn sie lügt«, konnte ich mir nicht verkneifen einzuwerfen.
»Was war das?«, pfiff die Vigpanderin schrill, dass es mir fast das Gehirn zerriss. »Wer hat mich da verleumdet?«
»Dich kann niemand verleumden, Prinzessin«, erklärte Goman-Largo mit Engelsgeduld. »Vergiss nicht, dass du im Maschinenraum bist! Wenn etwas schiefgeht, wirst du womöglich gebraten.«
»Das macht mir nichts aus!«, pfiff die Vigpanderin. »Am Hofe von König Scabrantus von der Galaxis Dorifanh habe ich mich einmal gebraten und ...«
Sie stockte, als sie merkte, welchen Unsinn sie dahergeredet hatte, aber im nächsten Moment fuhr sie ohne die geringste Verlegenheit fort:
»Am Herd verbrannt, meinte ich natürlich. Es war so ähnlich wie gebraten. Aber ich habe keine Miene verzogen,