Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
hinein wollte er nicht, und wenn er sich von den Bergen entfernte, brachte er sich selbst um die besten Verstecke, falls wirklich die Ligriden über kurz oder lang über Tirspun erschienen. Also blieb er in dem Tal, in dem mannshohe Felsblöcke ihm immer wieder die Sicht versperrten.
Aksuum hatte sich noch nicht weit von der Kapsel entfernt, als er Geräusche vernahm. Irgendwo schräg vor ihm kullerte Geröll einen Hang hinab. Für Sekundenbruchteile zeichnete sich ein fahler Schatten vor dem heller werdenden Hintergrund ab. Zu flüchtig allerdings, als dass mehr zu erkennen gewesen wäre.
Aksuum huschte in die Deckung eines Felsens und lauschte. Ein leises, verhaltenes Knirschen drang an sein Ohr. Jemand – oder etwas – schlich näher.
Der Oberste Rat ließ das Messer aufschnappen. Immerhin war er nicht gänzlich wehrlos. Bemüht, möglichst lautlos aufzutreten, schob er sich weiter. Eigentlich konnte er es nur mit einem Ligriden zu tun haben. Aksuum verwünschte die Tatsache, dass er keine Strahlenwaffe bei sich trug.
Er hatte das Ende des Felsens erreicht; der nächste Block ragte erst gut fünf Meter entfernt auf. Aksuum zögerte. Der Gedanke, dass ein Gegner auf der Lauer lag und womöglich auf ihn anlegte, sobald er sich zeigte, behagte ihm herzlich wenig. Aber plötzlich huschte ein Grinsen über sein Gesicht. Der Fels, hinter dem er sich noch verbarg, war rau und ausgewittert. Hinaufzuklettern durfte eigentlich nicht so schwer sein. Von oben würde sich ihm ein besserer Überblick bieten.
Aksuum fand rasch einen Halt. Vorsichtig, Stück für Stück, zog er sich höher ... und erstarrte förmlich, als er die Stimme vernahm.
»Wer immer du bist, komm wieder herunter. Und keine dumme Bewegung.«
Der Fremde bediente sich der dailanischen Sprache, wenngleich mit einem eigenartigen Akzent.
Aksuum bezweifelte nicht, dass eine entsicherte Waffe auf ihn gerichtet war. Ihm blieb keine andere Wahl, als dem Befehl Folge zu leisten. Kaum berührten seine Füße wieder den Boden, da verspürte er einen spitzen Gegenstand im Rücken. Der andere tastete ihn nach versteckten Waffen ab.
»Gut, du kannst dich umdrehen. Aber langsam ...«
Sie starrten einander an. Keiner hatte erwartet, ausgerechnet hier auf einen Angehörigen seines Volkes zu stoßen.
»Existiert auf Tirspun eine Kolonie Verbannter?«, entfuhr es Aksuum ungläubig.
Tirspun!, durchzuckte es Tolden. Was er bereits geahnt hatte, wurde schlagartig zur Gewissheit. Kein anderer als Chrrtl konnte diese Welt für ihn ausgesucht haben.
»Wer bist du?«, sagte er, anstatt auf die ihm gestellte Frage zu antworten.
Aksuum gab sich als Mitglied des Obersten Rates von Aklard zu erkennen. »Ich weiß immer noch nicht, wie viele Verbannte auf Tirspun leben«, fügte er hinzu.
»Keine«, winkte Tolden ab. »Ich befand mich auf dem Heimflug, als die Mannschaft des Frachters, auf dem ich angeheuert hatte, meuterte. Als einziger wurde ich auf dieser Welt ausgesetzt. Aber du«, er bedachte Aksuum mit einem forschenden Blick, »hast eine Raumschlacht hinter dir. Ich sah die Glutwolken explodierender Raumschiffe und Stunden später einen winzigen Stern vom Himmel fallen.«
Und Aksuum berichtete ...
*
Sechzehnter Tag
Aksuum schläft, also kann ich die Zeit für einige kurze Notizen nutzen. Ob mir der Zufall mit ihm einen Trumpf in die Hände gespielt hat, wird sich erst noch herausstellen. Auf jeden Fall habe ich seit gestern keine Ruhe mehr. Wir warten beide darauf, dass Schiffe der Ligriden über Tirspun erscheinen. Was dann geschieht, dürfte unangenehm werden. Vielleicht wäre es doch besser, die Höhle zu verlassen und tiefer in die Berge vorzudringen.
Man wird von Aklard aus eine Suchexpedition auf die Beine stellen, dessen bin ich mir sicher. Der Oberste Rat will zumindest Gewissheit über Aksuums Schicksal haben. Wenn sie uns finden, werde ich endlich die Heimat wiedersehen. Das heißt, ich muss verhindern, dass Aksuum die Wahrheit über meine Herkunft erfährt; er darf nie herausfinden, dass ich von Mutanten abstamme, geschweige denn, dass ich selbst über Psi-Fähigkeiten verfüge.
Wenn nur dieser verfluchte Glücksstein endlich seine normale Funktion wieder aufnähme. Aber noch immer erscheint es mir, als würde er von irgendwoher Energien auffangen und an mich weiterleiten. Ich sollte die nächstbeste Gelegenheit nutzen und den Stein fortwerfen. Dann dürfte ich zwar meine neuen Fähigkeiten verlieren, aber die früheren mit Sicherheit für immer behalten. Und damit kann ich zugleich jede Hoffnung begraben, auf Aklard akzeptiert zu werden. Ein Teufelskreis ...
*
Tage vergingen, ohne dass sich Dinge von Bedeutung ereigneten. Die Ligriden schienen sich nach der Vernichtung der dailanischen Flotte zurückgezogen zu haben.
Mehrmals kam eine Herde der hüpfenden Tiere, die Tolden als Schlammspringer bezeichnete, der Höhle nahe. Einige Steinwürfe vertrieben sie jedoch stets wieder.
Völlig unerwartet sprach Aksuums Funkgerät an. Er hatte den Empfang ständig eingeschaltet gelassen, um die Annäherung eines Raumschiffs möglichst frühzeitig zu bemerken. Aus dem Lautsprecher drang nun erstmals ein Wust schriller, von Störungen überlagerten Laute, die im krassen Gegensatz zum bisherigen Rauschen der Statik standen.
Schon bei den ersten Tönen lief Aksuum ins Freie hinaus. Die Sonne stand im Zenit. Er musste die Augen mit beiden Händen beschatten. Hoch über dem Gebirge zerfaserte ein feiner Kondensstreifen. Viel hatten die Daila davon nicht mehr sehen können. Erst Sekunden später vernahmen sie ein dumpfes Rumoren.
Und dann entdeckte Aksuum den silbern glitzernden Punkt, der sich langsam herabsenkte.
»Ligriden!« Der Oberste Rat stieß es wie eine Verwünschung hervor. »Sie haben die Rettungskapsel geortet.«
Wie es aussah, würde das Raumschiff höchstens zehn Kilometer entfernt in der Ebene landen.
»Dann sind wir hier nicht mehr sicher«, erwiderte Tolden. »Wir müssen verschwinden, so schnell es geht.« Ihre spärliche Habe war längst in seinem Rucksack verstaut.
Anfangs kamen sie rasch voran, später wurde der Weg schwieriger. Zeitweise waren sie gezwungen, im Bachbett zu laufen. Und immer wieder hantierte Aksuum an seinem Funkgerät herum, suchte die geläufigsten Frequenzen ab.
Es war bereits später Nachmittag, als das Gerät verständliche Laute hervorbrachte. Der Empfang ließ zwar noch immer zu wünschen übrig, aber wenigstens wusste man nun, was die Gegner planten. Erschöpft zogen Aksuum und Tolden sich in den Sichtschutz eines überhängenden Felsens zurück. Beide waren die Anstrengung des Kletterns nicht gewohnt. Außerdem hatten sie in kurzer Zeit eine beträchtliche Strecke zurückgelegt.
Für Tolden klangen die fremdartigen Laute aus dem Lautsprecher nur aggressiv. Der Oberste Rat hingegen beherrschte die Sprache der Ligriden leidlich. Nach und nach erfuhren sie, dass diese die Rettungskapsel gefunden und aus den Spuren geschlossen hatten, dass einem Daila die Flucht gelungen war. Suchtrupps schwärmten aus.
Ab und zu durchbrachen die Fluggeräusche schwerer Gleiter die Stille der Bergwelt.
»Wir können von Glück reden, dass die Felsen die Hitze des Tages speichern und während der Nacht abstrahlen«, stellte Aksuum fest. »Infrarot-Suchgeräte werden so nutzlos.«
Die Nacht verlief ruhiger als erwartet. Offenbar waren auch die Ligriden zu der Feststellung gelangt, dass sie in der Dunkelheit wenig Chancen hatten, einen flüchtigen Daila aufzuspüren.
Noch vor Sonnenaufgang setzten Aksuum und Tolden ihren Weg fort. Zurückblickend sahen sie die Gleiter der Ligriden wie Raubvögel auf der Suche nach Beute zwischen den Wolken schweben. In immer größer werdenden Kreisen entfernten sie sich allmählich vom Fundort der Rettungskapsel.
Zunehmend mussten die beiden Daila darauf bedacht sein, sich vor direkter Sicht aus der Höhe zu schützen. Wo immer es möglich war, hielten sie sich dicht an den Felsen und vermieden es, freies Gelände zu überqueren.
Gegen