Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
aber nicht mehr vorrangig.«
»Was ist passiert?«
Mit wenigen Worten erklärte ich ihr die Situation und schloss:
»Du weißt jetzt, dass es sich um keine Krankheit im eigentlichen Sinn handelt, denn sie wird durch keinen klassischen Erreger hervorgerufen. Eine Ansteckungsgefahr besteht nicht. Die Sache ist also nicht gefährlich, eher lästig und unangenehm für den Betroffenen.«
»Ich verstehe. Du nimmst an, dass es in Kürze Tausende von Kaytabern gibt, die bei dir Hilfe suchen und das Gel haben wollen.«
»Das auch, aber was ich fürchte, ist etwas anderes. Die Leute sind medizinische Laien. Wenn dieser Juckreiz so um sich greift, wie ich vermute, könnten sie in Panik geraten, weil sie darin eine Seuche sehen, die ihr Leben bedroht. Kannst du dir vorstellen, was dann in Yutlamal los ist?«
»Die Stadt würde sich in zwei Lager spalten«, sagte Perlmutt tonlos.
»Es wäre viel schlimmer. Jeder, der sich für gesund hält, würde den Kontakt mit den scheinbar Kranken meiden. Die wären dann nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, niemand würde sie beschäftigen oder ihre Ware abnehmen, keiner würde Getreide von ihnen nehmen, und kein vermeintlich Gesunder würde ihnen etwas geben. Um nicht zu verhungern, wären sie darauf angewiesen, sich das Korn gewaltsam zu verschaffen. Und bestimmt würden sie es tun, denn nach eigenem Dafürhalten sind sie ja Todgeweihte, die eh nichts mehr zu verlieren haben. Das wiederum würde mit Sicherheit dazu führen, dass die angeblich Gesunden Gegenmaßnahmen ergreifen, um sich und ihr Leben zu schützen. Und dann hätten wir hier das Chaos mit Kämpfen von Gesunden gegen Kranke, die der Abwehr der rasend gewordenen Tixudkatzen kaum nachstehen würde, nur würden Kaytaber gegen Kaytaber antreten und sich gegenseitig töten. Das will ich unter allen Umständen verhindern.«
»Ich helfe dir dabei. Dazu darf es nicht kommen. Wie kann ich mich nützlich machen?«
»Du hast doch einen Vorrat an Mannanna zu Hause. Bring ihn her, damit ich ihn untersuchen kann. Wenn es mir gelingt, ungenießbare Körner zu identifizieren, lässt sich möglicherweise ein Verfahren entwickeln, um sie auch aus großen Mengen auszusondern oder zumindest kenntlich zu machen.«
»Du wirst es schon schaffen. Ich beeile mich.«
Mein kleiner Sonnenschein verschwand. Himmel, hatten meine Module wirklich den Begriff »Sonnenschein« gebraucht? Na ja, bei den vielen Zitaten des alten Goethe, die sich in meinen Speichern befanden, war es kein Wunder, wenn ein paar Chips langsam lyrisch wurden. Andere waren dafür wieder brutale Realisten. Sie nervten mich mit dem Juckreiz und dem Getreide, und meine exotischen Bauteile mit einem Hang zur Kriminalistik brachten mir mit der Aufdringlichkeit von Ungeziefer die Drillinge in Erinnerung. Was mochten diese schrägen Typen jetzt wohl treiben? Ob ich Tranoque bitten sollte, seine Mitarbeiter darauf anzusetzen?
Die ersten Flurhüter trafen mit Körben von Pflanzen ein, und schon rief ein bedeutungsschweres Programm meine problembelastete Positronik, die dem Alltag kurz entrückt war, nachhaltig zur Ordnung. Ade, ihr Roboterträume, ihr gelösten Gedanken, jetzt galt es, den nackten Tatsachen ins Auge zu sehen. Mit Vehemenz und beiden Armen stürzte ich mich auf das Grünzeug.
*
Maronx' Leute leisteten ganze Arbeit. Fast pausenlos trafen neue Kräuterlieferungen ein – sogar Holprigs wurden eingesetzt. Mittlerweile glich das Labor mehr einer Gärtnerei als einer Forschungsstätte, und Links und Rechts hatten Mühe, sich durch diese Menge flurhüterischen Ernteehrgeizes hindurchzuarbeiten. Wahre Berge türmten sich auf, die darauf warteten, verarbeitet zu werden, und die einzige Farbe, die Bestand zu haben schien, war Grün in allen Schattierungen.
Die Forscher schufteten wie Galeerensklaven. Da musste zerkleinert und entsaftet werden, hier wurde destilliert, dort brodelte ein Sud, in einem Tiegel wurde etwas aufgekocht, in einem anderen durch Einsatz von Hilfsstoffen getrennt und isoliert. Es wurde gefiltert und konzentriert, aufbereitet und kondensiert, überall dampfte, siedete und zischte es. Fast glich der Raum einer mittelalterlichen Giftküche.
Ich hatte eine Kombination von Pflanzen und Hilfsstoffen entwickelt und ausgearbeitet, die mir erfolgversprechend schien. Nach diesem Rezept gingen Linque und Restjue vor und stellten die Substanzen zusammen, die sich in dem Fertigprodukt – dem Gel – gegenseitig ergänzten. Dabei war es ausgeschlossen, dass in dieser Komposition ätherische Öle und andere Wirkstoffe untereinander Verbindungen eingingen, die sich gegenseitig neutralisierten oder gar Schaden anrichteten.
Während die beiden sich der Salbenherstellung widmeten, nahm ich mir das Mannanna vor, das Perlmutt gebracht hatte. Wohl wissend, was der Weiße Unbekannte angerichtet und wie er gewirkt hatte, konzentrierte ich meine Untersuchungen darauf, in dieser Hinsicht etwas zu finden – Veränderung des Aussehens, der Körnigkeit, der typischen Farbe. Ich prüfte fast die Hälfte der Menge auf ihre Substanz, ihre Festigkeit, das Korngewicht und die äußere Stabilität der Hülle – es gab keinen Unterschied. Dann nahm ich eine Analyse der Inhaltsstoffe mit allen Möglichkeiten der mir zur Verfügung stehenden Technik vor – für meine Begriffe eher dürftig, wenn ich an Blödels Körperlabor dachte – und fand keine Abweichung, obwohl ich ganz bewusst Getreidekörner nahm, die verschiedene Arten von Gelbtönen zeigten. Nur widerwillig kam ich Perlmutts massivem Wunsch nach einer Geschmacksprobe nach, doch sie vermochte auch nicht zu unterscheiden, dass es Mannanna gab, das anders schmeckte.
Getreide, das durch den Nebel verseucht war, schmeckte abscheulich, und bei dem, der es zu sich nahm, rief es sofort heftige Übelkeit, Erbrechen, Fieber und Kopfschmerzen hervor bis hin zur vorübergehenden Bewusstlosigkeit. Nichts davon zeigte sich bei meiner zierlichen Freundin.
Einigermaßen ratlos schüttete ich die Körner in den Vorratsbehälter zurück.
»Du hast also nichts gefunden?«
»Nein, Perlmutt, nichts. Ich habe das Mannanna nach allen Regeln der Kunst untersucht, aber mein Verdacht hat sich nicht bestätigt. Am Getreide kann es nicht liegen. Und das freut mich.«
»Du freust dich über einen Misserfolg?«
»Es sieht nur so aus, als wenn es ein Fehlschlag wäre – in Wahrheit ist das Ergebnis positiv. Da das Mannanna in Ordnung ist, wird es auch nicht zu einer Massenerkrankung kommen können, wie ich sie befürchtet habe. Nur Maronx und Tranoque werden vom Juckreiz geplagt. Ärgerlich ist allerdings, dass ich der Ursache dafür nicht auf die Spur gekommen bin. Schade, dass ich nicht über Blödels Ausrüstung verfüge.«
»War dieser Blödel ein Freund von dir?«
Was hatte ich denn jetzt schon wieder dahergeplappert? Kaum hatten meine Sprechwerkzeuge die letzte Silbe formuliert, als mich eine Impulsfolge eines Kontrollprogramms energisch zur Ordnung rief und meinen Identitätsspeicher positronisch rüffelte. Da ich Perlmutt schlecht klarmachen konnte, dass ich eigentlich Trayblöschw war, Traykon, Blödel und Schwiegermutter, verfiel ich auf eine Notlüge.
»Ja, so könnte man es nennen. Er war ein Scientologe, ein Roboter wie ich, aber ein Wissenschaftler von hohen Graden, der zu Atlans Beraterstab zählte. Es gab kein Problem, für das er nicht eine Lösung parat gehabt hätte«, begann ich zu schwärmen, da erreichte mich eine Warnung des Logiksektors, die emotionelle Komponente zu unterdrücken, bevor Blödels Erbe übermächtig wurde. Ernüchtert fuhr ich fort: »Doch das ist lange her. Ich werde mal nachsehen, ob Links und Rechts zurechtkommen.«
Ich verließ meinen Arbeitsplatz und bahnte mir einen Weg zu den Forschern.
»Wie sieht es aus?«
Restjue tauchte zwischen Tiegeln und Töpfen auf.
»Wir sind gleich soweit. Die Kräuterauszüge müssen nur noch abkühlen, dann können wir sie mit der Vaseline zusammenbringen.«
»Gut. Wo steckt Linque?«
»Hier«, tönte es aus einem Verschlag. »Werde ich gebraucht, oder kann ich erst den Wasserbehälter füllen?«
»Mach ruhig weiter.«
Meine beiden Freunde hatten das Labor in ein