Mission SOL 2020 / 4: Im Sphärenlabyrinth. Hermann RitterЧитать онлайн книгу.
Aha, er hat angebissen. In Gedanken atmete Danton auf.
»Ich muss mein Handeln nicht erklären«, sagte er entschlossen. »Aber bedenke doch selbst: Wer gab den Befehl an Haldukass' Flotte, die GRAGRYLO zu zerstören? Obwohl ich mich vorher eindeutig identifiziert hatte, obwohl diese Identifizierung überprüft wurde und es keinerlei Zweifel an meiner Person und an den mir übertragenen Rechten gab? War es nicht Krefferk, der sich im Vorfeld mit Haldukass ins Benehmen gesetzt hat? Gibt es Aufzeichnungen von jenen Gesprächen in der Raumstation? Hat Krefferk dir oder sonst jemandem erzählt, um was es bei diesen Absprachen ging?«
Er wartete einen Moment. Keine Reaktion. Aber jemand wie Kalbaron Danton durfte nicht unsicher sein. Immerhin war er im Recht, seine Geschichte war völlig authentisch. Zumindest musste die Gegenseite das glauben.
Endlich erklang die Stimme wieder. »Verzeih mir, Kalbaron Danton. Mein Name ist Rannkfarr, der Stellvertreter des bisherigen Hoch-Medokogh. Durch Krefferks Tod gehen seine Befugnisse auf mich über.«
»Gut. Dann bist du derjenige, mit dem ich über das weitere Vorgehen sprechen muss. Wir sollten nun einen Kommunikationskanal wählen, der nur für uns zwei bestimmt ist.«
Rannkfarr zögerte. »Eine Frage habe ich noch, die ich klären muss, bevor ich deine Autorität vollständig anerkenne.«
Langsam wurde Danton ungeduldig. »Wenn das deiner Meinung nach nötig ist ...«
»Ein winziger Faktor ist für mich noch unverständlich. Nein, nicht nur für mich, sondern für viele andere ebenso. Die Kralle des Laboraten – Krefferk trug eine Kralle. Damit war er immer und überall ein treuer Diener TRAITORS und zu verräterischen Handlungen überhaupt nicht fähig.«
Innerlich musste Danton lachen. »Die Kralle. Ja, sicherlich.«
Dann wurde er lauter. »Seit Jahrhunderten weiß man, dass TRAITORS Gegner die Wirkung der Kralle neutralisieren können. Natürlich hat jemand Krefferk dieser frevelhaften Behandlung unterzogen. Sonst hätte er ja nie gegen TRAITORS Interessen arbeiten können! Und das ist ihm gut gelungen. Er wirkte wie ein treuer Offizier, aber er säte Misstrauen, wo er nur konnte. Krefferk schuf die Grundlage dafür, dass sich die Pest der Individualität und die Saat der Zwietracht in unseren Reihen ausbreiteten. Hat er nicht befohlen, uns anzugreifen – trotz meiner eindeutigen Identifikation und Autorisation? Sag mir, Rannkfarr, willst du denselben Fehler begehen wie dein Vorgänger? Und sollten wir nicht zuerst gemeinsam versuchen, die Skapalm-Bark aus diesem Nebel hinauszunavigieren?«
Roi Danton registrierte, dass die Kommunikation von der anderen Seite auf eine Direktverbindung umgeschaltet wurde.
Dann war Rannkfarr wieder zu hören: »Gut. Im Augenblick können wir beide die Angelegenheit nicht bis zur völligen Zufriedenheit aller Beteiligten aufklären. Daher bin ich mit einem ... Waffenstillstand ... einverstanden, bis höhere Autoritäten meine Fragen beantworten können. Ist das für dich akzeptabel?«
Dieser Rannkfarr schien zumindest vernünftig zu sein. Oder er spielt wie ich auf Zeit – das soll mir recht sein.
»Bis wir uns wieder in bekannten Gefilden befinden – einverstanden.«
2.
16. November 1552 NGZ
Kepraunsystem
»Du bringst die ganze Mission in Gefahr!« Tess Qumisha fixierte das Gesicht der Zentrifaal, bis sie das Gefühl hatte, gleich zu schielen, weil sie mit beiden Augen ein einzelnes, breites Sehorgan im Blick behalten musste.
A-Kuatond schwieg. Ungerührt lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Hautlappen der linken Hand umfing den rechten Unterarm, die Krallenfinger der rechten tippten einen langsamen, bedrohlichen Rhythmus auf den linken.
Qumisha warf Perry Rhodan einen Blick zu. Doch der hatte es für den Moment aufgegeben, mit der neuen Befehlshaberin an Bord der SOL auch nur ein Wort zu wechseln.
»Also gut, dann wieder von vorn.« Qumisha würde keinen einzigen Fußbreit Boden zurückweichen. »Egal wer du bist oder wie mächtig du irgendwo anders bist: Das ist unser Schiff. Die SOL ist unsere Heimat, hier wohnen Wesen, die uns etwas bedeuten. Und ich bin nicht bereit, diese in Gefahr zu bringen, bloß weil eine Ritterin BARILS der Meinung ist, dass ihr einzelnes Leben wichtiger ist als das aller anderen an Bord zusammen.«
Rhodan seufzte. »Tess, man wird nicht Ritter, wenn man das eigene Leben für bedeutungslos hält. Es ist ein Joch, in dessen beiden Eimern die Verantwortung für kosmische Ereignisse liegt. Glaub mir – ich weiß, wovon ich spreche!«
Sie wandte sich ihm zu. »Heißt das, dass du mit diesen irrsinnigen Anordnungen einverstanden bist? Warum umwickeln wir nicht gleich jedes Kleinkind an Bord mit einem Empfänger, Draht und Sprengstoff? Wenn A-Kuatond irgendwas nicht gefällt, kann sie dann jederzeit auf einen Knopf drücken, und – peng – irgendwo in der SOL explodiert ein Kind.«
»Du bist unfair, Tess.«
Zur Überraschung der beiden mischte sich die Ritterin nun selbst in das Gespräch ein. »Ich verstehe den Vergleich nicht ganz. Aber ich erkenne, dass ihr deutlich zu viele Gefühle in die Situation hineininterpretiert.«
Qumisha wollte wieder eine spitze Bewegung machen, doch mit einer Handbewegung brachte Rhodan sie zum Schweigen. »Dann erkläre uns doch vielleicht selbst, wie dein Verhalten gemeint ist.«
»Gut. Aber nur, weil es BARILS Willen war, dass du mir als Orbiter zugeteilt wurdest.« Ihre Stimme wechselte in jenen Singsang, den Qumisha und Rhodan in den vergangenen Tagen bereits mehrere Male zu hören bekommen hatten, wenn wieder irgendwelche Texte der lokalen Superintelligenz zitiert wurden. A-Kuatond deklamierte ihre Erklärungen in einem Tonfall, der in der automatischen Übersetzung der Translatoren wie eine Litanei klang: »BARILS Wille und Wollen muss Fleisch werden in allen Wesen, sodass verschmelzen das Wollen und der Wille BARILS mit dem Willen und dem Wollen jedes Wesens, sodass BARIL zum Wesen und das Wesen zu BARIL wird. Wenn es der Auftrag, das Wollen und der Wille BARILS waren, dass dieser Mensch namens Perry Rhodan zu meinem Orbiter wird, damit er dienen und herrschen, vernichten und heilen, erkunden und verstehen lernt, dann soll es so sein. Denn BARILS Wille wird zu meinem Willen, und BARILS Wollen wird zu meinem Wollen, so wie BARILS Sein alles Sein durchdringen wird am Ende der Zeiten.«
Qumisha versuchte, bei diesen Phrasen aufmerksam dreinzublicken, um zu verhindern, dass A-Kuatond merkte, wie sehr sie von diesen hohlen Aussagen angewidert war. Sollte ich jemals den Drang verspüren, BARIL zu dienen – hoffentlich findet sich dann jemand, der mich vorher erschießt.
Rhodan nickte. Damit A-Kuatond ihn auf jeden Fall verstand und er nicht auf diese zutiefst menschliche Geste der Zustimmung vertrauen musste, formulierte er seine Anmerkungen aus. »Du hast völlig recht, werte Ritterin. Ich bin von der ... Ehre, dir als Orbiter dienen zu dürfen, genauso überrascht worden wie du.«
Der Kopf der Zentrifaal drehte sich in Rhodans Richtung. Er konnte die spitzen Zähne in ihrem Mund sehen, als der Spalt unter ihrem Kinn sich kurz öffnete. »Die Ehre ist beiderseitig.«
Qumisha verstand nicht, was sich da gerade abspielte. Sie konnte weder die Mimik der Zentrifaal lesen, noch wusste sie, was Rhodan andeutete. Der Hintergrund dieser Unterhaltung über Orbiter, Ritter und Rhodans Rolle in diesem Spiel blieb ihr rätselhaft. Und sie wusste nicht, ob sie von Rhodan oder sonst irgendjemanden jemals eine Antwort darauf bekommen würde – falls sie den Mut zusammenbrachte, entsprechende Fragen irgendwann mal zu formulieren.
»Du bist mein Orbiter. Damit bist du mir verpflichtet. BARIL übergab mir die Leitung für diese Expedition. Also bist du als mein Orbiter automatisch mein Stellvertreter.« A-Kuatond wandte sich Qumisha zu. »Welche Rolle dir zufällt – das darf der Orbiter selbst entscheiden. Wir Ritter mischen uns nicht in die internen Abläufe einer Befehlskette ein. Wenn es sich vermeiden lässt.«
Qumisha glaubte, aus dem letzten Satz eine versteckte Drohung herauszuhören.
»In Ordnung.« Rhodan war mit der Aufteilung einverstanden. »Tess