Perry Rhodan 1464: Das Phantom von Phönix. Kurt MahrЧитать онлайн книгу.
sagte sich Jennifer und löste sich vom Anblick des ruhigen Wassers der weiten Bucht. Sie hatte Appetit auf einen Becher Kaffee, gebraut aus den fast schwarz gerösteten Bohnen, die von den robotbewirtschafteten Bergplantagen im Westen des Kontinents Bonin produziert wurden. Auf dem Weg zu der kleinen, mit sinnreichen Automaten ausgestatteten Küche kam sie am Spiegel vorbei, der die Hälfte einer Wand des Hausflurs bedeckte. Sie blieb stehen und musterte ihr Ebenbild.
Eigentlich, fand sie, hatte sie keinen Grund zur Klage. Selbst wenn ihr Leben in der nächsten Sekunde endete, wäre es doch viel länger gewesen als das des Durchschnittsmenschen. Sie war nicht eitel; aber ihr gefiel, was sie sah. Vor ihr im Spiegel waren Gesicht und Gestalt einer Fünfundzwanzigjährigen. Biologisch gesehen, war sie tatsächlich erst 25 Jahre alt; das verdankte sie dem Zellschwingungsaktivator, den sie – unter der Kleidung verborgen – auf dem Leib trug. Sie war im Jahr 3558 alter Zeitrechnung auf Gäa geboren. Die Kalenderuhr, die über dem Durchgang zur Küche hing, zeigte das Jahr 1145 NGZ, das auf dem alten Kalender dem Jahr 4732 entsprach. Jennifer Thyron war 1174 Jahre alt. Eigentlich kaum zu glauben, dachte sie, während sie sich zögernd vom Spiegel abwandte.
Die kurze Pause der Selbstbetrachtung hatte ihrer Seele gutgetan. Die düstere Laune war verflogen. Eine Sekunde lang dachte sie dran, die MARQUETTE anzurufen, mit der Ronald Tekener unterwegs war. Seitdem man auf Phönix zu wissen glaubte, dass die Cantaro den Standort des Freihändler Stützpunkts kannten, war das Verbot der drahtlosen Kommunikation aufgehoben. Aber sie verwarf den Gedanken wieder. Nur um einer Laune willen durfte sie Ronald nicht bei der Arbeit stören.
Sie sah auf die Uhr, bevor sie in die Küche trat. In spätestens vier Stunden war er ohnehin wieder zu Hause. Sie stellte sich vor, wie er durch die Tür kam und sie umarmte. Es wurde ihr warm ums Herz.
Allen trüben Aussichten zum Trotz: Das Leben war schön!
1.
13. Dezember 1145
Mit unverkennbarem Missfallen glitt Sato Ambushs Blick über den umfangreichen Versuchsaufbau. Thomas Alva Edison fiel ihm ein: Seine ersten Glühbirnen waren unförmige Gebilde gewesen, der Prototyp des Phonographen eine Monstermaschine. Der Mensch tat sich schwer, wenn er in neue Bereiche des Wissens vorstieß. Die Versuchsapparatur, mit der der Pararealist den Geheimnissen der superhochfrequenten Hyperstrahlung zu Leibe zu rücken gedachte, ließ jegliche Eleganz vermissen. Sie war plump, primitiv und aufgebläht. Sato Ambush war es gewöhnt, mit Mikrogeräten zu arbeiten. Was er hier vor sich hatte, waren Kisten, Kästen und Module, die den kleinen Laborraum an Bord der ODIN bis in den hintersten Winkel füllten.
Superhochfrequente Hyperstrahlung fiel in den Bereich oberhalb 1015 Heef (Hyperenergy Equivalent Frequency). Die galaktische Technik hatte für Strahlung derart kurzer Wellenlängen bisher keine Verwendung gefunden. Für die Erzeugung der Wellen wurden gigantische Apparaturen benötigt, und der Empfang war nur mit überaus komplexen Geräten möglich. Sato Ambush hatte mit SHF-Strahlung zu experimentieren begonnen, weil ihn grundsätzlich alles interessierte, was außerhalb der konventionellen Wissensbereiche lag. Der unförmige Versuchsapparat war das Ergebnis langer Monate mühevoller Bastelarbeit, in sich selbst ein Experiment in Frustration, weil der Pararealist allem abhold war, was sich nicht niedlich verpacken und auf einen Experimentiertisch herkömmlicher Abmessungen unterbringen ließ.
Die Mühe hatte sich gelohnt. Vor fünf Monaten, als die CIMARRON nach der Katastrophe am Perseus-Black-Hole halbwrack auf der düsteren Welt Sisyphos lag, hatte Sato Ambush zum ersten Mal hyperenergetische Signale registriert, die aus allen Richtungen mit gleicher Intensität zu kommen schienen und einer Trägerwelle von 1,82 x 1015 Heef aufmoduliert waren. Die Signale waren unentzifferbar. Sie unterschieden sich voneinander in Dauer und Impulsform und traten in unregelmäßigen Zeitabständen auf. Manchmal folgten sie in Sekundenschnelle aufeinander; dann wiederum vergingen Stunden, ohne dass ein einziger Impuls registriert wurde. Damals auf Sisyphos hatte Ambush gemeint, die SHF-Signale seien dafür verantwortlich, dass der Autopilot die ansonsten gänzlich unbekannten Koordinaten des Megaira-Systems plötzlich im Astrogationsspeicher so vorgefunden hatte, und auch dafür, dass die Daten kurze Zeit später auf unerklärliche Art und Weise wieder gelöscht worden waren. Inzwischen hatte er seine Ansicht geändert. Es gab keinerlei Anzeichen für eine wie auch immer geartete Wechselwirkung zwischen den Signalen und dem Syntron-Verbund der CIMARRON.
Seit dem Unglück am Schwarzen Loch Perseus war viel geschehen. Perry Rhodan war mit Galbraith Deighton zusammengetroffen und hatte nach dem Tod des alten Freundes dessen Raumschiff, die ODIN, übernommen. Sato Ambush war mitsamt seinem Versuchsaufbau an Bord des neuen Flaggschiffs übergewechselt und hatte seine Versuche fortgesetzt. Bis heute war er der Entschlüsselung der geheimnisvollen Signale keinen Schritt näher gekommen. Es gab Augenblicke, da fragte er sich allen Ernstes, ob es überhaupt sinnvoll sei, die Messungen fortzusetzen. Mehrmals war er drauf und dran gewesen, die plumpe Apparatur einfach abzureißen. Aber es ging von den unregelmäßig geformten Impulsfolgen eine Faszination aus, der er sich nicht entziehen konnte, und er begann zu glauben, dass ihm eines Tages die Erleuchtung kommen werde, deren er bedurfte, um die Bedeutung der rätselhaften SHF-Signale zu verstehen.
Die Beschäftigung mit dem Experiment war zur Routine geworden. Mehrmals im Verlauf des vierundzwanzigstündigen Bordtags suchte er den kleinen Laborraum auf und ließ sich vom Syntron die Aufzeichnungen der vergangenen Stunden vorführen.
Der Versuchsaufbau war automatisiert. Die Sensoren, die die SHF-Signale auffingen, waren weitmaschig über die felsige, atmosphärelose Oberfläche des Asteroiden Campbell verstreut. Was die Sensoren maßen, wurde sofort an den Syntron-Verbund übertragen, von dem ein Sektor speziell für die Überwachung des Experiments reserviert war. Der Syntron nahm die üblichen Analysen vor: Impulsform, Fourier, Messung des zeitlichen Abstands, Isotropiedefizienz. Besonders am letzteren war Sato Ambush interessiert. Er vermutete nämlich, dass die geheimnisvolle SHF-Strahlung deswegen so frustrierend isotrop war, weil sie von zahlreichen, gleichmäßig verteilten Sendern emittiert wurde. Gelänge es ihm, auch nur eine winzige Abweichung von der Isotropie der Strahlung festzustellen, dann wäre es vielleicht möglich, einen der Sender anzupeilen. Bisher hatten alle derartigen Messversuche negative Resultate erzeugt. Die SHF-Signale kamen aus allen Richtungen mit gleicher Stärke. Die Daten würden auch heute keine Defizienz aufweisen, dachte Sato Ambush niedergeschlagen.
»Spiel mir vor, was du aufgezeichnet hast«, forderte er den Syntron auf.
Vor ihm, mitten im Raum, entstand eine Bildfläche. In leuchtendem Grün zog sich das straffe Band der Trägerwelle quer durchs Bildfeld. Der Trägerwelle aufgesetzt erschienen schmale, steile Impulsgruppen unterschiedlicher Form. Sie waren in ungleichmäßigen Abständen entlang des grünen Bandes verteilt.
»Analysedaten«, verlangte der Pararealist.
Der Syntron antwortete mit langen Symbol- und Ziffernketten, die er verbal kommentierte. Schon nach der ersten Minute wusste Sato Ambush: Es hatte auch während der vergangenen 24 Stunden keine neuen Erkenntnisse gegeben.
»Alles in allem muss man feststellen«, beendete der Syntron seinen Kommentar, »dass zwar versuchsweise eine Zuordnung der Signale zu gewissen Impulsformgruppen vorgenommen werden kann. Aber ...«
Ambush horchte auf. Es geschah selten, dass der Syntron sich mitten im Satz unterbrach.
»Was ist?«, fragte er ungeduldig.
»Eine neue Messung«, antwortete der Servo, der irgendwo unter der Decke des Laborraums schwebte und als Mittler zwischen dem Syntron-Verbund und der Umwelt fungierte. »Sieh selbst!«
Die Signale waren auf der Darstellung langsam von rechts nach links gewandert. Jetzt erschien vom rechten Bildrand her eine neue Impulsgruppe. Sato Ambush hielt unwillkürlich den Atem an. Die Gruppe bestand aus mehreren dicht nebeneinander angeordneten, steilen Zacken, deren Amplitude die der bisher beobachteten Signale mindestens um das Fünffache übertraf.
»Wo kommt das her?«, fragte der Pararealist aufgeregt.
»Aus der Nähe«, antwortete der Syntron mit entnervender Gelassenheit. »Von Isotropie ist keine Rede. Ich bin dabei, die Peilergebnisse auszuwerten. Fest steht jedenfalls, dass dieses Signal