Planetenroman 87 + 88: Sohn der Sonne / Zwischen den Wirklichkeiten. H. G. FrancisЧитать онлайн книгу.
»Das wirst du bald erfahren, Ken. Bitte, frage mich nicht danach.«
»Dann erlaube mir eine andere Frage: Du bist im Tal der Sonne geboren?«
»Eine besondere Auszeichnung, die nur die Kinder jener erfahren, die viel für unser Volk geleistet haben«, erwiderte sie stolz.
»Dann entstammst du einer angesehenen Familie?«
»Einer der höchsten von Tikal. Deshalb durfte ich auch schon viele Planeten besuchen. Ich habe Welten gesehen, die fast so schön sind wie Tikal, und ich habe schon häufiger Terraner kennengelernt. Gute und schlechte.«
»Das sagst du mit einer so eigenartigen Betonung«, stellte er beunruhigt fest. »Hast du böse Erfahrungen mit Terranern gemacht?«
»Ich weiß zu unterscheiden«, erklärte sie. »Ich hoffe, du hast das gemerkt.«
»Hast du vor mir einem Terraner deine Gefühle geschenkt?«
»Warum willst du das wissen?«
Er wich ihren Blicken aus.
»Vergiss die Frage«, bat er.
»Noch nie«, beteuerte sie leise. »Aber ich habe einen Terraner hassen gelernt, mehr als jedes andere Wesen, dem ich in diesem Leben begegnet bin.«
»Warum?«
Sie glitt aus dem Bett und ging unter die Dusche.
»Du wirst es erfahren«, versprach sie.
Er respektierte ihre Entscheidung, ihm jetzt noch nicht mehr zu erzählen. Er wusste, dass er sie nicht zwingen konnte, und er glaubte ihr, dass sie ihm irgendwann alles sagen würde, was von Bedeutung für sie beide war.
Er folgte ihr und sah ihr beim Duschen zu.
»Du hast vom Tal der Sonne gesprochen«, sagte er. »Das erinnert mich an den Überfall auf das Organisationsbüro. Als ich in dem Laden war, bist du hereingekommen, hast den Toten gesehen, der mir ähnlich war, und ihn als Sohn der Sonne bezeichnet. Warum?«
»Wegen der Tätowierung auf seiner Brust. Sie sah aus wie eine Sonne.«
Sie beendete ihr Bad und ließ sich im Luftstrom trocknen. Seine Fragen schienen sie zu verwundern.
»Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Tal der Sonne und diesen Tätowierungen?«
»Nein, überhaupt keine.« Sie stutzte, eilte zum Bett zurück und schlüpfte unter die Bettdecke. »Ich weiß so gut wie nichts über diese Söhne der Sonne. Ich weiß nur, dass es diese Tätowierungen gibt. Ich habe mal gehört, dass jemand darüber sprach.«
»Ja – und? Was hat er gesagt? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen.«
»Er hat behauptet, dass manche Xaxarier sich so kennzeichnen. Aber frage mich bitte nicht nach der Bedeutung. Davon weiß ich nichts.«
»Xaxarier? Dieses Ding, das halbwegs so aussah wie ein Doppelgänger von mir, soll ein Xaxarier gewesen sein? Und Xaxarier sollen es umgebracht haben? Das passt doch nicht zusammen.«
»Tut mir leid, Ken, mehr kann ich dir dazu auch nicht sagen.«
»Du hast mir eine ganze Menge erzählt«, erwiderte er und ging zur Tür. »Ich danke dir.«
Sie sprang aus dem Bett.
»Wo willst du hin?«, fragte sie.
»Das weißt du doch. Zu Ronald Tekener.«
»Warte. Ich komme mit.«
Vor dem Lokal, das sich Jommy und Cass nannte, drängten sich Hunderte von Arkoniden, Akonen, Springern, Aras und Terranern. Dazu kamen einige Vertreter anderer Völker. Sie redeten in auffälliger Weise miteinander. Einige von ihnen stritten sich so heftig, dass es nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien, wann ihnen die Argumente ausgehen und die Fäuste fliegen würden.
Diese Ansammlung wäre jedoch kaum notwendig gewesen, Kennon aufmerksam zu machen. Er war sich dessen ohnehin sicher gewesen, dass Ronald Tekener entweder im Unbekannten oder bei Jommy und Cass spielen und somit Aufmerksamkeit erregen würde.
Er hatte sein Äußeres ein wenig verändert, um sich in der Menge besser verbergen zu können. Dazu hatte er jedoch nur wenig Aufwand betrieben. Ihm genügte ein Tuch in blassen Farben, das er sich um den Kopf gewickelt hatte und das nur die Augen freiließ, sowie eine flache Kappe, mit der er das Tuch halten konnte. Dazu hatte er einen Umhang angelegt, der von den Schultern bis auf den Boden herabreichte, so dass seine dünnen Beine und die unverhältnismäßig großen Füße nicht zu sehen waren.
Tarish'a'tkur trug einen schlichten Hosenanzug, der auch ihren Oberkörper verhüllte, einen grünen Schulterumhang, unter dem sie im Rücken zwei leichte Energiestrahler verbarg, und eine Art Helm, der Kopf und Nacken bedeckte, das Gesicht jedoch freiließ. Dadurch zog sie die Blicke der anderen Besucher nicht in gleicher Weise wie gewöhnlich auf sich und konnte sich in der Menge gut bewegen, ohne sehr viel Beachtung zu finden.
Kennon und die schöne Tikalerin hielten sich bei den Händen, als sie sich durch die Menge schoben und sich mühsam an den Eingang des Lokals herankämpften. Hin und wieder blickten sie sich an, wenn sie einmal eine Bemerkung aufschnappten, die sich unzweifelhaft auf den Galaktischen Spieler bezog. Die Raumfahrer sprachen nicht nur über seinen ungewöhnlichen Erfolg, sondern auch über die Lashat-Narben, die sein Gesicht entstellten, und über das eigenartige Lächeln, das hin und wieder über die Lippen dieses geheimnisvollen Mannes glitt.
Als es Kennon und Tarish'a'tkur endlich gelang, das Lokal zu betreten, sahen sie, dass an nur einem der vielen Tische gespielt wurde.
An ihm saßen drei Springer, ein Akone, ein Arkonide und Ronald Tekener, vor dem ein Berg von Spielchips allzu deutlich anzeigte, wer der Gewinner dieser Runde war.
Mit einem besonderen Gefühl innerer Anspannung hatte Sinclair Marout Kennon dieser Begegnung entgegengesehen.
Immer wieder hatte er sich gefragt, wie sie verlaufen würde, ohne eine schlüssige Antwort finden zu können, da Ronald Tekener eine vielschichtige Persönlichkeit war, die sich häufig erst in letzter Sekunde entschloss und dabei oft zu scheinbar unlogischen Entscheidungen kam. Daher hatte der Kosmokriminalist, der Tekener kannte wie sonst niemand, sich gegen eine gewisse Nervosität nicht wehren können. Gereizt hatte er auf Fragen von Tarish'a'tkur reagiert, so dass diese es schließlich vorgezogen hatte zu schweigen.
Doch nun fiel die Nervosität plötzlich von Kennon ab. Er war ruhig und gelassen. Kühl schob er sich an einigen Springern vorbei, und jetzt hörte er die hämischen Bemerkungen tatsächlich nicht, mit denen sie ihn bedachten, da er sich voll und ganz auf Ronald Tekener konzentrierte.
»Lass mich allein«, flüsterte er der Tikalerin zu.
»Nein. Ich bleibe bei dir«, gab sie zurück.
»Damit würdest du mir nicht helfen, sondern mich behindern«, erklärte er. »Ich weiß, dass du in der Nähe bist. Das hilft mir, aber du darfst nicht zu nah bei mir sein. Du könntest getroffen werden.«
»Getroffen?« Bestürzt blickte sie ihn an. »Du meinst ...?«
»Ja. Er wird auf mich schießen.«
Er schob sie mit sanfter Gewalt zur Seite und ging weiter auf den Spieltisch zu, der im Lichtkegel mehrerer Lampen stand, während es sonst im Raum eher dunkel als hell war, denn nur an diesem einen Tisch wurde gespielt. Alle anderen Spieler hatten sich erhoben, um das Geschehen um den Mann mit den Lashat-Narben zu verfolgen.
Wieder hatte der Galaktische Spieler eine Runde gewonnen. Ein Berg Spielchips wanderte zu ihm hinüber. Kennon machte sich gar nicht erst die Mühe, den Wert des Gewinns abzuschätzen. Er wusste, dass es – wie immer bei Tekener – um Millionen ging.
Als Kennon noch etwa sechs Meter vom Spieltisch entfernt war, blickte Ronald Tekener auf. Er sah ihn und reagierte sofort. Seine Hand glitt zu einer Waffe, die am Tisch lehnte. Das Treshongewehr, das kaum mehr als ein kunstvoll geschnitzter Holzstock zu sein schien, flog an seine