Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda HuchЧитать онлайн книгу.
etwas antun, von dem englischen Arzt durchaus nichts wissen wollte. Auch Sibylle und einige von den Räten meinten, dass es eine verfängliche Angelegenheit sei, bei der man schrittweise und mit wohlüberlegten Kautelen vorgehen müsse, umso mehr, als der verschriebene Engländer ein Ketzer sei. So wurde verfügt, er müsse seine Kunst zunächst an einem anderen erweisen, wozu der Sohn einer Bürgersfrau ausersehen wurde, der nach einem schweren Fall blödsinnig geworden war und allen Besprechungen, Beschwörungen und Arzneien bisher getrotzt hatte. Es zeigte sich, dass das dem Burschen verabreichte Mittel ihm gut anschlug; ja seine Mutter und andere Zeugen fanden ihn aufgeweckter, als er jemals gewesen sei. So hinderte denn nichts mehr, es mit dem Herzog gleichfalls zu versuchen, dessen angstvollen Widerstand Schenkern dadurch überwand, dass er ihm die längst versprochene schöne Frau in Aussicht stellte, wenn er sich der Kur unterzöge, die ihn vollständig wiederherstellen würde. Doch verlangte seine Furcht noch allerlei Sicherheitsmaßregeln, worin ihn Sibylle schwesterlich unterstützte, dass nämlich der Arzt selbst, Schenkern und mehrere andere Räte zuerst von der Arznei tranken, die Jan Wilhelm einnehmen sollte. Nachdem sie sich durch Gebet und das heilige Abendmahl darauf vorbereitet hatten, würgte ein jeder seinen Anteil an dem Schleim, der widerlich schmeckte, hinunter, worauf Jan Wilhelm nach Verordnung des Arztes vierundzwanzig Stunden lang, soweit möglich ohne Ruhepause, im Zimmer auf und ab gehen musste. Auch hierbei mussten mehrere Ratspersonen gegenwärtig sein, teils um die richtige Ausführung des Geschäftes zu überwachen, teils um den Kranken durch Gespräch zu zerstreuen und durch ihr Beispiel zu ermuntern.
In dieser Arbeit war Schenkern begriffen, als das Gerücht zu ihm gelangte, der Kaiser habe befohlen, dass die Herzogin dem Landgrafen von Leuchtenberg übergeben werde, und derselbe sei schon unterwegs, um die seinem Schutz Empfohlene abzuholen. Dass er dies nicht geschehen lassen dürfe, stand Schenkern sogleich fest. Um Jakobe würden sich alle scharen, die Anspruch machten, ihm die Herrschaft zu entreißen, und vielleicht würde die Rachsüchtige ihm nun ihrerseits die Schlinge eines Prozesses drehen und um den Hals werfen. Dagegen musste er eine eilige Anstalt treffen.
Jakobe lebte unterdessen fröhliche Tage. Sie träumte davon, dass sie nun bald frei und unter Freunden sein, Neues und Schönes sehen und wieder die Huldigungen genießen würde, die einer hochgeborenen, regierenden Herrin und einem schönen Weibe gebührten. Sie malte sich auch aus, dass sie ihren Gemahl wiederhaben und ihm seine Untreue vorwerfen würde, wie sich allmählich Angst und Liebessehnsucht in seinem hübschen Gesichte ausprägen, wie er weinen, sie ihm endlich vergeben und sich von ihm liebkosen lassen würde. Oder aber es würden ihr andere, viel herrlichere Männer begegnen und ihr neue, große Beseligungen geben und ihr zu ihrem Recht und ihrer Rache verhelfen. Ungeduldig indessen war sie nicht, sondern ließ, mit Beten und Sticken beschäftigt, die feuerhellen Herbsttage mit den Fluten des Rheins unter ihrem Fenster vorbeifließen, ohne sie zu wägen oder zu zählen.
So war es denn eine nachdenkliche Sache, dass die Herzogin am Morgen des 3. September 1597 von ihrer Kammerfrau, die wie üblich in ihr Gemach kam, tot im Bette gefunden wurde; denn niemand hatte Zeichen eines Übelbefindens am vorhergehenden Abend an ihr wahrgenommen. Bevor das Ereignis noch recht bekannt wurde, ließ Schenkern das Begräbnis vornehmen, hastig und schändlich, wie es sich für geringe, namenlose Leute oder Armesünder geschickt hätte. Zweifelte nun auch niemand daran, dass es bei diesem Todesfall etwas gewaltsam zugegangen sei, so hütete sich doch ein jeder, den Verdacht öffentlich zu äußern oder gar den mutmaßlichen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen; denn ohne Beweise hätte man sich damit in eine dornige Sache eingelassen.
Damit man ihm desto weniger anhaben könne, ließ Schenkern die Spanier ins Land, die unter ihrem Feldherrn Mendoza mehrere Plätze besetzten und sich dort als rechtmäßige Herren gebärdeten. Einen Grund zu diesem unerhörten Schritt zog Schenkern daraus ab, dass er einen Plan der protestantischen Erbansprecher, sich in Besitz des Landes zu setzen, entdeckt habe und diesen habe zuvorkommen müssen. Ein Geschrei der vergewaltigten Gegend erfüllte bald das Reich, dessen Glieder denn auch zu erwägen begannen, was bei einem derartigen feindlichen Einbruch durch die Reichsgesetze vorgesehen sei. Diese nun legten die Pflicht, den Feind abzuwehren, dem nächstgelegenen Kreise auf, welches in diesem Falle der westfälische war, und derselbe setzte sich demgemäß in Beratung, wie das Kreisheer und das Geld, es zu besolden, zusammenzubringen sei. Da jedoch mehrere Monate darüber verliefen, während welcher die Spanier nach ihrer Weise Stadt und Land verwüsteten, traten einige Fürsten zusammen, um etwa von sich aus der feindlichen Eigenmacht zu steuern, die dem Reich zur Unehre gereiche und ihnen gefährlich sei. Es waren dies der Landgraf Moritz von Hessen, der Herzog Heinrich Julius von Braunschweig und der Pfalzgraf Kurfürst Friedrich IV., deren Länder dem Herzogtum Jülich nahe lagen und die überhaupt gewohnt waren, bei allen vorkommenden Reichshändeln Partei zu ergreifen.
Pfalzgraf Friedrich IV. fühlte sich für seine Person nicht anders wohl als bei den fürstlichen Unterhaltungen der Jagden, Turniere und Trinkgelage; aber er war sich bewusst, der Träger eines ruhmvollen Namens und Erbe von Fürsten zu sein, die sich durch kampfbereites Einstehen für ihre religiöse Überzeugung angesehen und gefürchtet gemacht hatten, und hielt darauf, die Überlieferungen seines Hauses fortzusetzen. Die blühende Pfalz sollte die Vormacht und Stütze der Reformierten im Reiche und eigentlich der Evangelischen überhaupt bleiben, da Sachsen anfing, eine träge und zweideutige Politik zu befolgen, um es mit dem Kaiser nicht zu verderben. Deshalb umgab sich Friedrich IV. mit reformierten Räten, die an seiner Statt unternehmend, ehrliebend und fleißig waren, hing ihnen dankbar an und unterwarf sich ihnen in allen Stücken, mit der Einschränkung, dass er sich ihrer unbequemen Herrschaft nicht selten entzog, um an befreundeten Höfen beim vollen Becher sich ihrer Ratschläge und Grundsätze gänzlich zu entschlagen. Auch seine Gemahlin, die Oranierin Luise Juliane, deren Herkunft die Verbindung mit ihr zum Zeichen für kühne, kampfbereite reformierte Sinnesart machte, hatte er wegen ihrer Bildung, ihres beherrschten Wesens und tüchtigen Charakters anfänglich geliebt und verehrt; auf die Dauer aber vermochte er ihre Überlegenheit, da sie eine Frau war, nicht zu ertragen und zeigte ihr die seinige durch rohe Behandlung, die sie mit Geduld und Würde ertrug; diese Art und Weise schien ihm aber Verachtung auszudrücken und gab daher seiner Erbitterung stets neuen