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Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda HuchЧитать онлайн книгу.

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Ob die Kir­che sich je­mals gut­wil­lig ihre Ein­künf­te wür­de ent­zie­hen las­sen?

      Der Kno­ten wäre leicht zu lö­sen, mein­te Ca­me­ra­ri­us, wenn alle pro­tes­tan­tisch wä­ren. Dann gäbe es kei­ne geist­li­chen Fürs­ten­tü­mer mehr, je­der Fürst sei un­ab­hän­gig vom Paps­te, Herr im ei­ge­nen Lan­de, und zwi­schen Fürst und Kai­ser herr­sche kein Miss­trau­en mehr.

      Jo­cher wand sich vor La­chen in sei­nem Stuh­le. In den ka­tho­li­schen Län­dern, sag­te er, herr­sche nun ein­mal mehr Ge­hor­sam, das sei er­wie­sen. Wo das hin­aus wol­le, wenn zu­letzt ein je­der sei­ne ei­ge­ne Mei­nung hät­te? Es sei viel bes­ser und ein­fa­cher, wenn alle Evan­ge­li­schen zur al­ten Kir­che zu­rück­kehr­ten, der Weg zum Stal­le zu­rück sei im­mer leich­ter als hin­aus. Ob Pfalz nicht den An­fang ma­chen wol­le?

      Ent­rüs­tet sprang Ca­me­ra­ri­us auf und rief aus, da kön­ne eher der Rhein zu­rück- und in den Main flie­ßen. Wer ein­mal die Frei­heit ge­schmeckt habe, be­ge­be sich nicht frei­wil­lig wie­der in die Dienst­bar­keit.

      »So ge­müt­lich neh­men wir es nicht«, sag­te Ca­me­ra­ri­us ru­hi­ger. »Wenn es sich tun lie­ße, wäre ich für mei­ne Per­son es zu­frie­den; aber es lässt sich nicht tun. Ich fürch­te nur, dass wir über die­sem Strei­ten alle in die Ser­vi­tut Spa­ni­ens ge­ra­ten.«

      »Wir nicht«, sag­te Jo­cher breit­spu­rig; sein Her­zog hiel­te die Au­gen of­fen. Und wenn er Kai­ser wür­de, täte er es ge­wiss, um Spa­ni­en einen Pos­sen zu spie­len.

      Im Grun­de war es den pfäl­zi­schen Rä­ten recht, dass das Pro­jekt an Ma­xi­mi­lians Ab­nei­gung schei­ter­te, wenn auch frei­lich kein an­de­rer Kan­di­dat vor­han­den war, zu dem man mehr Ver­trau­en ha­ben konn­te; denn die Be­wer­bung des Her­zogs von Sa­voy­en war vollends eine ver­fäng­li­che Sa­che. Als de­ren Ver­fech­ter er­schi­en Graf Mans­feld, vom Tu­ri­ner Hofe kom­mend, mit ei­nem gründ­li­chen Me­mo­ri­al, in wel­chem aus­ge­führt war, dass das Haus von Sa­voy­en von dem alt­deut­schen Hel­den und Fürs­ten Wit­te­kind ab­stam­me, pu­res, lau­te­res deut­sches Blut füh­re und we­gen die­ser Stamm­ver­wandt­schaft wohl zur Kai­ser­wür­de im Deut­schen Rei­che be­ru­fen sei; wie er den Ka­tho­li­schen von Haus aus ge­fäl­lig, auch den Pro­tes­tan­ten we­gen sei­ner Feind­schaft mit den Je­sui­ten wert sein müs­se, dass er glück­lich im Krie­ge sei und viel Geld habe.

      »Ich mei­ne«, sag­te Chris­ti­an von An­halt, nach­dem das Me­mo­ri­al vor­ge­tra­gen wor­den war, »wir könn­ten schließ­lich auch den Mo­gul von Per­si­en zum deut­schen Kai­ser ma­chen. Mir soll­te es recht sein, wenn es der Re­li­gi­on und der Frei­heit zu­nut­ze wäre.« Graf Solms sag­te, ein Kai­ser deut­scher Na­ti­on müs­se von deut­schem Blu­te sein, und der Her­zog von Sa­voy­en sei trotz Wit­te­kind ein Wel­scher, so gut wie die Habs­bur­ger Spa­nier wä­ren. Ca­me­ra­ri­us sag­te auf Be­fra­gen, er hal­te nicht da­für, dass der Her­zog von Sa­voy­en bei der Wahl durch­zu­brin­gen sei. Er wer­de den Kur­fürs­ten im All­ge­mei­nen fremd und ab­son­der­lich vor­kom­men. Mans­feld ent­geg­ne­te är­ger­lich, der Her­zog sei reich ge­nug, um sich den Kur­fürs­ten ver­traut zu ma­chen. Mit Geld, ei­nem Schwert und fes­tem Wil­len lie­ße sich leicht ein deut­scher Kai­ser ma­chen. Frei­lich müs­se man wol­len und die Be­denk­lich­keit fal­len las­sen. Die Sa­che blieb aber gleich dar­an hän­gen, dass der Her­zog ein Land im Rei­che zu be­sit­zen wünsch­te, um et­was Si­che­res un­ter den Fü­ßen zu ha­ben, und dies mit äu­ßers­ter Vor­sicht er­wo­gen wer­den muss­te. Man fand, es sei bes­ser, dem Her­zog zwar nicht alle Aus­sicht ab­zu­schnei­den, aber auch nichts Bin­den­des von sich zu ge­ben, son­dern ihn mit Ver­hand­lun­gen hin­zu­hal­ten. Wenn man ihn da­hin brin­gen könn­te, die gute Sa­che nur mit Geld zu un­ter­stüt­zen, so wäre das vor­zu­zie­hen. Dem­ge­mäß wur­de wie­der eine Ge­sandt­schaft an den Hof von Tu­rin ab­ge­ord­net mit dem Auf­tra­ge, den Her­zog bei gu­ter Ge­sin­nung zu er­hal­ten, ohne aber sei­nem Ehr­geiz eine Brücke ins Reich zu schla­gen.

      1 Der Ka­te­chis­mus, Hand­buch der Un­ter­wei­sung in den Grund­fra­gen des christ­li­chen Glau­bens. <<<

      Um die Ge­sin­nung des Kur­fürs­ten von Sach­sen we­gen der böh­mi­schen Thron­fol­ge zu er­for­schen, be­gab sich Graf Joa­chim An­dre­as Schlick, der ein Ju­gend­ge­spie­le Jo­hann Ge­orgs ge­we­sen war, nach Dres­den und er­lang­te auch nach ei­ni­gen Wei­te­run­gen eine Au­di­enz. Der Kur­fürst dach­te zwar nicht im Ernst dar­an, die Kro­ne an­zu­neh­men, woll­te sie aber auch nicht ge­ra­de­zu ab­leh­nen, ei­ner­seits, weil sei­ne Stän­de größ­ten­teils böh­misch ge­sinnt wa­ren, so­dann, um sich dem Kai­ser kost­bar zu ma­chen, der in die­sem Strei­te je­den­falls sei­ner Hil­fe be­durf­te. Er emp­fing des­halb den Gra­fen nicht all­zu freund­lich, und als die­ser sich drei­mal bis auf den Bo­den ver­neig­te und dar­auf Gott an­fleh­te, einen so groß­mü­ti­gen Herrn wie den Kur­fürs­ten der Welt, dem Reich und der lu­the­ri­schen Kir­che zu er­hal­ten, nick­te er nur bei­läu­fig, ohne den Blick von sei­ner Be­schäf­ti­gung weg­zu­wen­den. Auf ei­nem vor ihm ste­hen­den Tisch­lein näm­lich lag ein Hau­fen sau­ber ge­putz­ter Gän­se­kno­chen, wel­che er aus­ein­an­der­las, ans Licht hielt und be­tas­te­te. Nach ei­ner Wei­le sag­te er zu dem be­schei­den war­ten­den Gra­fen, er gehe da­mit um, die Gän­se­kno­chen zu ver­wer­ten, denn bei ei­nem fürst­li­chen Haus­halt, an dem so vie­le Mäu­ler zehr­ten, müs­se Spar­sam­keit herr­schen, da­von hän­ge das Ge­mein­wohl ab; dar­an däch­ten frei­lich die ad­li­gen Her­ren nicht, die nur da­her­kämen, um zu fres­sen und zu sau­fen, und nicht frag­ten, wo­her es kom­me; ein ge­wis­ses Knöch­lein, näm­lich das Steiß­bein, wer­de ver­pul­vert und kom­me dann in die Apo­the­ke sei­ner Frau als ein vor­züg­li­ches schweiß­trei­ben­des Mit­tel, für die an­de­ren habe er noch kei­ne Ver­wen­dung, aber es wer­de ihm schon et­was ein­fal­len.

      Nach­dem er die lan­des­vä­ter­li­che Für­sor­ge des Kur­fürs­ten ge­prie­sen hat­te, sag­te Graf Schlick, er habe als Bube auf dem Gän­se­brust­kno­chen bla­sen kön­nen, und wenn es der Kur­fürst ge­stat­te, wol­le er ihm das Stück­lein vor­ma­chen. »Ei der Tau­send«, rief Jo­hann Ge­org, als Schlick aus­ge­pfif­fen hat­te, in­dem er einen er­staun­ten Blick auf ihn warf, »ich hät­te nicht ge­dacht, dass du ein sol­cher Teu­fels­kerl wä­rest«, hieß ihn sich an sei­ne Sei­te set­zen und ihm das Ex­pe­ri­ment noch ein­mal gründ­lich zei­gen. Schlick ent­schul­dig­te sich er­rö­tend, dass er dem Kur­fürs­ten mit ei­ner be­schei­de­nen Kunst aus der Bu­ben­zeit zu die­nen sich un­ter­ste­he, es wür­de gar nichts dar­an sein, wenn der Kur­fürst nicht so gnä­dig und groß­mü­tig zu­zu­hö­ren ge­ru­he. »Ach was, Schlick«, sag­te Jo­hann Ge­org, »eine blin­de Hen­ne darf auch ein­mal ein Körn­lein fin­den, dar­um bleibt der Go­ckel doch Go­ckel«, und lach­te über die­sen Spaß, dass ihm die Trä­nen aus den Au­gen lie­fen.

      Nach­dem so­mit ein ver­trau­li­cher Ton an­ge­schla­gen war, brach­te Schlick


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