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Reisen unter Osmanen und Griechen. David UrquhartЧитать онлайн книгу.

Reisen unter Osmanen und Griechen - David Urquhart


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wir in einem Khan (Herberge) dicht an dem alten Hafen von Panormo1, jetzt einem Moor, wo die einzige athenische Galeere zum Andenken an die Niederlage der Lakedaimonier zum Andenken an den Sieg geweiht wurde.

      Am selben Morgen hatte den Khan eine Bande von elf Räubern verlassen, die tags vorher alle Reisenden angehalten, geplündert und an Bäume gebunden hatten. Was sie nicht verzehren oder mitnehmen konnten, hatten sie vernichtet, so dass wir nur sehr wenig Vorrat fanden. Einen Mann hatten sie in heisser Asche gebraten, um von ihm die Nachweisung eines vermuteten Schatzes zu erpressen. Die Bauern waren in größter Unruhe und höchster Erbitterung. „So etwas“, sagten sie, „ist während der Anarchie der Revolution nie vorgekommen. Die Kosten für das Militär wurden immer von rechts wegen beigetrieben, aber den Leibgurt eines Griechen zu berühren, einer Frau Gürtel gewaltsam zu lösen, waren unerhörte Verbrechen, und jetzt, da wir eine regelrechte Regierung haben, da wir jede Steuer bezahlen und jedem Befehle gehorchen, jetzt, wo man uns unsere Waffen genommen hat, müssen wir erdulden, was selbst in unseren unruhigen Zeiten unerhört war?“

      Am folgenden Morgen kleideten wir uns sehr elegant, um anständig vor der schönen Welt in Patras zu erscheinen. Vom Khan aus bis zu der Burg von Morea ist es blauer Ton, über den das Wasser von den Hügeln hinströmt und so einen tiefen Morast bildet. Um den zu vermeiden, ritten wir längs der Küste, aber eine Charybdis erwartete uns. Obgleich wir, um dem Morast aus dem Weg zu gehen, im Wellenschlag des Golfs ritten, so begannen doch plötzlich unsere Pferde zu versinken, und ehe wir uns heraushelfen konnten, wälzten wir uns in Schlamm und Sumpf und entkamen nur, indem wir in die See gingen und unsere Pferde ins tiefe Wasser lenkten. In Patras machten wir im hellen Sonnenschein einen wunderhübschen Aufzug, vom Kopf bis zu den Füßen mit Schlamm bedeckt.

      Patras ist als der Punkt beachtenswert, von dem man zuerst weiß, dass dort Mohammeds Anhänger und die slavischen Stämme auf einander stießen. Die letzteren hatten im achten Jahrhundert Morea überfallen; die Sarazenen durchstreiften die See, beide vereinigten sich zur Belagerung und Plünderung von Patras.

      Das stürmische Wetter und der Mangel eines Bootes in der Burg, das geräumig genug war, unsere Pferde aufzunehmen, hielten uns sechs Tage auf, die wir sehr angenehm zwischen der Burg und Patras mit dem Obristen Rayko zubrachte, dem einzigen Russen, der Philhellene gewesen ist. Er gab sich alle mögliche Mühe, uns von der Ausführung unseres tollkühnen Vorhabens abzubringen, Akarnanien und die Grenzscheide zu besuchen. Ich bin überzeugt, hätte er nur eine Ahnung davon gehabt, dass wir auch nach Albanien wollten, so hätte er uns aus lauter Freundschaft in Arrest gesetzt. Wir mussten also unseren Plan unseren Freunden sorgsam verbergen, wollten wir nicht ausgelacht oder gewaltsam festgehalten werden, sowie vor unseren Dienern, sonst hätten sie uns verlassen.

      Als wir über die schmale Meerenge zwischen den beiden Kastellen fuhren, trat mir unwillkürlich die Szene wieder vor das Gedächtnis, die ich bei einer früheren Gelegenheit ebendaselbst erlebte, als ich diesen Batterien in einer feindlichen Barke vorbeikam, und zwar unter dem Feuer des Geschützes jeder Batterie. Es war ein schöner Anblick der Küste: die reichen und gedrängten Trachten, die blitzenden Waffen und die Rauchwolken. Die stolze Aufregung, das trotzige Benehmen, der beleidigende Spott, diese Eigentümlichkeiten eines Krieges, in welchem ein festes System, unausweichliche Manneszucht und unergründliche Ratschläge den Menschen noch nicht zur Maschine gemacht haben, verliehen damals dem Kampf alles Spiel der Leidenschaften und jedem einzelnen Charakter die Entwicklung, wodurch die Kriege des Altertums so poetisch wurden und wonach das Zeitalter, dessen Kriege mit der größten Wahrheit geschildert sind, das heroische heisst. Wie verändert war nun der Anblick dieser Batterien - kalt, bleich, augenlos, tonlos gaben sie kein Lebenszeichen, das man hätte beobachten müssen, kein Zeichen der Bosheit, das man hätte fürchten dürfen, keines von Hass, den sie hätten erregen können, keines von Gefahr, der man hätte trotzen sollen! Ein Windhauch streifte und schäumte den glatten Spiegel und unwillkürlich suchte mein Auge den Flaggenstock, um die jetzt triumphierende Standarte Griechenlands zu betrachten, die in den Lüften wallte an der stolzen Stätte, wo so lange Arabiens Sinnbild herrschte! Dort sieht jetzt der Grieche eine andere Flagge, seine Flagge, die Flagge des befreiten und selbständigen Griechenlands. Aber an der neuen Standarte deuten die abstechenden Farben der neun abwechselnden Streifen2 auf eine andere Harmonie als die der Musen. Man vergleiche diese blasse und gestreifte Standarte mit den prahlenden Farben des Osmanen, die so stark, reich und einfach sind: der Tagesstern des Glückes und der zunehmende Mond der Macht, beide strahlend auf purpurner Wolke. Die dichterischste aller Fahnen! Das herzerhebendste aller Nationalzeichen! Und wieviel des geisteregenden, nervenstählenden Enthusiasmus hängt vielleicht ab von der Poesie eines Sinnbildes? Kann ein Volk, kann selbst eine Partei ohne die Redekunst der Farben bestehen? Wie gross muss also nicht die Wirkung sein, wenn man die Personifizierung der Volkstümlichkeit mit Schönheit bekleidet, wenn man ihren kriegerischen Geist belebt, indem man ihrem Ruhm die erhabensten Werke der Schöpfung zugesellt? Das alles findet sich vereinigt in der Fahne der Osmanen, und in keiner wie in ihr. Das ist obendrein die historisch gewordene Standarte, die mit der Schnelligkeit einer Gewitterwolke über Asien, Europa und Afrika hinflog, von Delhis Palästen bis an den Fuss des Atlas; von den Einöden Abessiniens bis an die-Moorgründe des Don; die Standarte, die ihre Macht bewiesen in den Ebenen von Tours und bei Roncesvalles, vor den Wällen Wiens und am Indus und Oxus. Dreißig Jahre nach ihrem Entstehen hatte sie die beiden größten Reiche damaliger Zeit gedemütigt und in achtzig Jahren rühmte sie sich der Herrschaft in mehr Ländern als Rom in acht Jahrhunderten unterworfen hatte. Diese Flagge ist jetzt von den Kastellen verschwunden, wo ich sie noch vor kurzem erblickte, errötend vor Ärger und Scham; und wie die alten Skythen, bevor sie starben, die Geschichte ihres Lebens erzählten, so untersuchte ich jetzt die Züge und die Geschichte dieser Personifizierung muselmanischer Größe, die vor meinen Augen gesunken war, zugleich mich über die Mittel verwundernd, wodurch sie gestützt wurde.

      Als ich zuerst an Griechenlands Küsten landete, mehr Anteil nehmend an der Beschaffenheit seiner Felsen als an dem dort verhandelten blutigen Streit, wurde ich bald mit Hass und Abscheu vor dem Namen der Türken erfüllt und, mit dem Enthusiasmus des Jugendgefühls, wurde ich Parteigänger. Der Osmane aber, der durch die Gewalttätigkeit im Siege diese Erbitterung erregt hatte, verscheuchte sie wieder, als er besiegt und gefangen erschien, ein Lebensbild stoischer Festigkeit und würdiger Entsagung. Das Mitgefühl, das man dem Missgeschicke zollt, übertrug ich nun auf den Besiegten; aber dieses Mitgefühl mischte sich mit Bewunderung eines Heldenmutes und Achtung vor einem Charakter, von dessen Kraft und Ausdauer ich nie einen Begriff gehabt hatte, vor dem Kampf, dem ich jene Eigenschaften jetzt ausgesetzt sah. So wie ich also früher die rote Flagge nur als das Symbol des Blutvergießens und der Verwüstung betrachtet hatte, so erinnerte ich mich jetzt mit Teilnahme und mit Furcht der Jahrbücher ihres Ruhmes, der Zeiten und Grenzen ihrer Siegesbahn.

      Ich will keineswegs behaupten, dass die gegenwärtige muselmanische Flagge, der Silberstern und der Halbmond im roten Felde, dieselbe Flagge ist, die in Bagdad wehte oder nach Spanien getragen wurde; nicht einmal die zuerst in Konstantinopel aufgepflanzte, die dann ihren Siegeslauf nach der Ukraine, nach Wien und den Alpen fortsetzte. Die Farbe der Moslemen ist nicht rot, sondern grün, obgleich zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern auch andere Farben angenommen wurden. Mohammeds Fahne war gelb; die Sarazenen kämpften zuerst unter einem schwarzen Adler; diesem folgten die Parteifarben: weiß und schwarz, die Farben der Familien, die sich einander das Kalifat streitig machten. Das heilige Grün3 war die erste Farbe, die die Osmanen in Europa entfalteten, aber an ihr hängen so mannigfache nationale und religiöse Gefühle, dass, so gut sie auch dienen mochte, um bei einem Angriffe oder einem Sturme Enthusiasmus zu erregen, man doch bedachte, der Verlust eines so hoch verehrten Zeichens würde den Mut eines Heeres niederschlagen. Im Jahre 1595 eroberte Sigismund, Fürst von Siebenbürgen4, die erste türkische Fahne und schickte sie an Papst Clemens VII. Da wurde die Farbe von grün in rot verändert; der Stern und der Halbmond waren byzantinische Zeichen, welche, gleich vielen anderen, die Türken von den Griechen erborgten. Dass die Türken auf diese Weise ihre Nationalfarben änderten, deutet auf große Empfänglichkeit für Nationalehre. Die Römer verschwiegen den eigentlichen Namen ihrer Stadt, damit kein fremdes Heer die Penaten aus den Mauern fortbeschwören solle. Venedig hat mit so gutem Erfolge die entführten Gebeine des heiligen Markus verhehlt, dass keine Spur von ihrem Dasein aufgefunden ist. Beide


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