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Märchen aus China. Richard WilhelmЧитать онлайн книгу.

Märchen aus China - Richard Wilhelm


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Das Heimweh

       100. Der Affe Sun Wu Kung

       Anmerkungen

       Kindermärchen

       Göttersagen

       Von Heiligen und Zauberern

       Natur- und Tiergeister

       Gespenstergeschichten

       Historische Sagen

       Kunstmärchen

       Benutzte literarische Quellen

       Kontakt zum Verlag

      Vorwort

      In dem vorliegenden Band der Märchensammlung soll eine Auswahl aus der Märchenwelt Chinas gegeben werden. Die Wahl ist so getroffen, dass möglichst alle Ausprägungsweisen irgendwie vertreten sind. Das Märchen bildet in China kein streng gesondertes Gebiet. Von den Ammengeschichten und Fabeln bis zu Göttermythen, Sagen und Novellen sind die Grenzen durchaus schwankend. Das Wunderbare gehört für China noch zum natürlichen Weltlauf, so dass hier sich keine scharfe Grenze ziehen läßt.

      Im allgemeinen wird man sagen können, dass in China besonders das einzelne Bild, die einzelne Situation vorherrscht. Folgerichtige Verbindung der Motive zu einer geschlossenen Handlung ist auch hier dem Kunstmärchen vorbehalten, von dem es wahre Perlen in großer Zahl gibt. Irgendwelche Vollständigkeit konnte nicht erstrebt werden, da sonst der zur Verfügung stehende Raum weit überschritten worden wäre.

      Für die Zusammenstellung des Stoffes waren folgende Grundsätze maßgebend:

      1. Fast durchweg ist auf mündliche Überlieferung zurückgegriffen, auch da, wo das betreffende Stück in der Literatur schon vorhanden ist. Der Zweck dabei war, festzustellen, wie die Geschichte tatsächlich heute im Volke lebt. Nur bei den Kunstmärchen ist engerer Anschluß an das Original genommen.

      2. Neben spezifisch chinesischen Märchen sind auch solche aufgenommen, die fremde Einflüsse zeigen, soweit die Verarbeitung dieser Einflüsse in chinesischem Geiste sich vollzogen hat. So ist Stoff zu Vergleichen gegeben, und es ist oft besonders reizvoll, wie der Stoff in dem chinesischen Mittel sich spiegelt.

      3. Außer den eigentlichen Märchen sind Sagenstoffe und Göttermythen mit aufgenommen, soweit sie märchenhaft spielend behandelt sind. Dass durch unsere Sammlung sich auf diese Weise ein Einblick in Sitten und Gebräuche, Glauben und Denkungsart des chinesischen Volkes eröffnet, dürfte ein nicht unerwünschter Nebenerfolg der Lektüre sein.

      4. Derbheiten und gewagte Situationen sind, wo es die Vorlage gebot, nicht vermieden, aber auch nicht absichtlich gesucht, um den Tatbestand möglichst unverfälscht wiederzugeben. Die Sammlung gibt Stoff zu Erzählungen für Kinder, ohne dass sie als solche ein Kinderbuch wäre.

      5. Die Anordnung der einzelnen Stücke beginnt mit Ammen- und Kindermärchen, die dem Volksmund abgelauscht sind, 1—10. Daran schließen sich einige der in China nicht besonders zahlreichen Tierfabeln, 11—14. Sagen und Märchen von Göttern, Zauberern und Heiligen folgen von 15—44. Dann kommen Geschichten von Natur- und Tiergeistern 45—61, Gespenstergeschichten und Märchen von Teufeln und Geistern von 62—82, historische Sagen von 83—92, Kunstmärchen von 93—99, endlich ein größeres Stück, das die verschiedenen Motive in sich vereinigt, Nr. 100.

      Tsingtau, April 1913 D. Richard Wilhelm

      Märchen aus China

      1. Weiberworte trennen Fleisch und Bein

      Es waren einmal zwei Brüder, die wohnten in demselben Hause. Der Große hörte auf die Worte seines Weibes und kam darob mit seinem Bruder auseinander. Der Sommer hatte angefangen, und es war Zeit, die hohe Hirse zu säen. Der Kleine hatte kein Korn und bat den Großen, ihm zu leihen. Der Große befahl seinem Weib, es ihm zu geben. Die nahm das Korn, tat es in einen großen Topf und kochte es gar. Dann gab sie es dem Kleinen. Der Kleine wußte nichts davon, ging hin und säte es auf seinem Felde. Da aber das Korn gekocht war, kamen die Halme nicht hervor. Nur ein einziger Same war noch nicht gar gewesen; so wuchs ein einziger Halm in die Höhe. Der Kleine war arbeitsam und fleißig von Natur, darum begoß und behackte er ihn den ganzen Tag. Da wuchs der Halm mächtig wie ein Baum, und eine Ähre brach hervor wie ein Baldachin, so groß, dass sie einen halben Morgen Landes beschattete. Im Herbste ward sie reif. Da nahm der Kleine eine Axt und hieb damit die Ähre ab. Kaum war die Ähre auf den Boden gefallen, da kam plötzlich ein großer Vogel Rokh rauschend heran, nahm die Ähre in den Schnabel und flog davon. Der Kleine lief ihm nach bis an den Strand des Meeres. Der Vogel wandte sich nach ihm und redete auf Menschenweise also: »Ihr müsst mir nichts zuleide tun. Was ist die eine Ähre Euch denn wert? Östlich vom Meer, da ist die Gold- und Silberinsel. Ich will Euch hinübertragen. Da könnt Ihr nehmen, soviel Ihr wollt, und sehr reich werden.«

      Der Kleine war es zufrieden und stieg dem Vogel auf den Rücken. Der hieß ihn die Augen schließen. So hörte er nur die Luft an seinen Ohren sausen, als führe er durch einen starken Wind, und unter sich hörte er das Rauschen und Toben von Flut und Wellen. Im Nu ließ sich der Vogel auf einer Insel nieder. »Nun sind wir da«, sagte er.

      Da machte der Kleine die Augen auf und blickte um sich; da sah er allenthalben Glanz und Glimmer, lauter gelbe und weiße Sachen. Er nahm von den kleinen Stücken etwa ein Dutzend und barg sie in seinem Busen.

      »Ist es genug?« fragte der Vogel Rokh.

      »Ja, ich habe genug«, antwortete er.

      »Gut so«, sagte der Vogel, »Genügsamkeit schützt vor Schaden.«

      Dann nahm er ihn wieder auf den Rücken und trug ihn übers Meer zurück.

      Als der Kleine nach Hause kam, da kaufte er sich mit der Zeit ein gut Stück Land und ward recht wohlhabend.

      Sein Bruder aber ward neidisch auf ihn und fuhr ihn an: »Wo hast du denn das Geld gestohlen?«

      Der Kleine sagte ihm alles der Wahrheit gemäß. Da ging der Große heim und hielt mit seinem Weibe Rat.

      »Nichts leichter als das«, sagte das Weib. »Ich koche einfach wieder Getreide und behalte ein Korn zurück, dass es nicht gar wird. Das säst du aus, und wir wollen sehen, was geschieht.«

      Gesagt, getan. Und richtig kam ein einzelner Halm hervor, und richtig trug der Halm eine einzelne Ähre, und als es Zeit zur Ernte war, kam wieder der Vogel Rokh und trug sie in seinem Schnabel davon. Der Große freute sich und lief ihm nach, und der Vogel Rokh sprach wieder dieselben Worte wie das vorige Mal und trug den Großen nach der Insel. Dort sah der Große Gold und Silber ringsum angehäuft. Die größten Stücke waren wie Berge, die kleinen waren wie Ziegelsteine und die ganz kleinen wie Sandkörner. Es blendete ihn ganz in den Augen. Er bedauerte nur, dass er kein Mittel wußte, Berge zu versetzen. So bückte er sich denn und hob an Stücken auf, was er konnte.

      Der Vogel Rokh sprach: »Nun ist es genug! Es geht dir über die Kraft.«

      »Gedulde dich noch eine kleine Weile«, sagte der Große. »Sei nicht so eilig! Ich muss noch ein paar Stücke haben.«

      Darüber verging die Zeit.

      Der


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