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Die Sieben Weltwunder. Johannes ThieleЧитать онлайн книгу.

Die Sieben Weltwunder - Johannes Thiele


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Zerstörung von außen geschützt. Sogar Nahrung wurde dem Toten, der ja in Wahrheit ewig lebte, mitgegeben. Für die Opfergaben wurden Gefäße zur Aufnahme von Salben und erfrischenden Flüssigkeiten aufgestellt. Das Abbild des Pharao wurde errichtet, damit der Geist des Toten in ihm Wohnung nehmen konnte.

      In das Grab wurde eine große Steintafel in Gestalt einer verschlossenen Haustür, der sogenannten Scheintür, eingemauert: der Eingang in die Welt der Geister. Die Welt, die den Lebenden umgeben hatte, sollte auch dem Toten zugänglich sein: Familie, Diener, Knechte, Felder und Rinder, Fische und Vögel und die ganze Köstlichkeit des Lebens. Der Sinn dieses Totenkults: das kurze Menschenleben in alle Ewigkeit zu verlängern. Das scheinbar Unmögliche möglich zu machen.

      Und der Pharao ließ seine Familie teilhaben an seiner Unsterblichkeit: Gemahlinnen und Kinder, die Mitglieder seines Hofstaats und die höchsten Reichsbeamten. Rings um die Gräber der Pharaonen entstanden Totenstädte für die Angehörigen der königlichen Familie. In regelmäßig angelegten Straßen reihte sich Grabbau an Grabbau. Was dem Pharao im Großen, im Übermenschlichen errichtet wurde, wiederholte sich dort in überschaubaren Maßen.

      Wenn auch Ägypten zum Mittelpunkt der ganzen Welt wurde – mit der Zeit begann der Boden unter den lebenden Pharaonen zu wanken. Noch saßen sie auf den Thronen, aber die Priester und Adlige gewannen mehr und mehr an Macht. Der Sonnengott Re wurde zum neuen Gott auf Erden, und die Könige wurden seine Diener. Hinter den Königsstädten von Memphis entstand das Sonnenheiligtum von Abusir. Die Idee des Gottkönigtums erlosch. Re war der neue Herrscher des Reiches und aller Welten, und der Pharao sein gehorsamer Sohn, der seinen Willen erfüllte, aber nach seinem Tod zum Gott wurde.

      Schließlich waren die Pharaonen des sogenannten Alten Reichs, das kaum sechshundert Jahre bestand, entthront. Geblieben sind die Pyramiden von Gizeh, das erste und älteste der Sieben Weltwunder der Antike.

      DIE PYRAMIDEN VON GIZEH

      Die Großstadt Kairo, mit acht Millionen, in der Agglomeration zur Zeit über vierzehn Millionen Einwohnern, hat sich längst an die Pyramiden heran geschoben. Kairo ist ja, zur Überraschung der meisten Reisenden, eine moderne Großstadt mit Hochhäusern: Das unabsehbare Häusermeer hat die Motive aus Tausendundeiner Nacht, die vierhundert Moscheen und die Gräber der Kalifen überwältigt.

      Nur acht Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, am Rande der Lybischen Wüste, deren Hitzewellen über Kairo hinweg ziehen, liegen die Pyramiden, schon nahe an die Metropole herangerückt, was irgendwie nicht angemessen erscheint. Das Gefühl trügt nicht: Ursprünglich waren die Pyramiden in weitem Abstand von Mauern umgeben, feierliche Prozessionen bewegten sich auf große Tore zu. Die Pyramiden waren unnahbar, erstrahlten hinter den Mauern des Tempelbezirks wie riesige Kristalle.

      Es war König Cheops, ein energischer Herrscher, mit dem die 4. Dynastie begann und der mit seiner Pyramide das gewaltigste Bauwerk der Geschichte errichten ließ.

      Die Ausmaße der Großen Pyramide von Gizeh, errichtet etwa um 2600 v. Chr., sind bis heute unübertroffen. Ihre Grundfläche – eine quadratische Basis von 230 Meter Seitenlänge – entspricht einer Größe von sieben Fußballfeldern, und fünf der größten Kirchen der Erde könnten in ihr Platz finden: die Peterskirche in Rom, die Dome von Mailand und Florenz, die St. Pauls-Kathedrale und die Westminster-Abtei in London.

      Die Pyramide des Cheops, genannt »Horizont des Cheops«, die größte, heute 137 Meter hoch, einst noch zehn Meter höher, würde das Straßburger Münster überragen. Steht man zu ihren Füßen, verschlägt es einem den Atem. So groß, so mächtig hat man sie sich nicht vorgestellt.

      Südwestlich von dem Bau des Cheops ließ sich der Pharao Chephren auf dem gleichen Felsplateau seine Pyramide nach den gleichen Prinzipien erbauen wie sein großes Vorbild. Die kleinste der Pyramiden von Gizeh ist die von Mykerinos, Chephrens Sohn und Nachfolger. Mit den beiden großen Pyramiden und der nach Osten, nach Sonnenaufgang, errichteten geheimnisvollen Sphinx bietet dieses Ensemble von Gizeh ein überwältigendes Panorama.

      Zwar sind die Pyramiden, für sich betrachtet, Wunder der von Menschen geschaffenen Welt, doch sind sie nur ein Teil der Grabanlage. Der Gesamtkomplex bestand aus dem am Ufer des Nils gelegenen Torbau, dem bis zu vier Kilometer langen Aufweg zum Wüstenplateau, dem Totentempel zu Füßen der Pyramide mit Vorhalle und Säulensaal und der Pyramide als Krönung.

      Die Pyramide des Chefren trägt an ihrer Spitze noch die Reste des glatten Steinmantels, der einmal alle Pyramiden umhüllte. Die Außensteine wurden in späterer Zeit abgetragen, um Häuser daraus zu bauen. Die Chephren-Pyramide ist heute 136 Meter hoch; ihr ursprüngliches Maß war 143 Meter. Obwohl sie kleiner als die Cheops-Pyramide ist, erscheint sie, besonders von der Wüste her, größer, da sie auf einem etwas höheren Plateau liegt. Die Pyramide des Mykerinos, ab ca. 2600 v. Chr., ist mit heute 62 Metern Höhe noch knapp halb so hoch.

      IDEE UND SYMBOL DER PYRAMIDEN

      Was waren diese Pyramiden? Den Menschen des alten Ägypten galten sie als »Thron des Sonnengottes«, der sich auf seiner Tagesreise hier ausruhen konnte und sich auf den polierten Steinschrägen spiegelte. Der Thron des Sonnengottes war zugleich Grabmal des Gottkönigs, ein Schutzgebirge über dem Sarg des Pharao, dessen Körper unversehrt bleiben sollte, der Vorstellung folgend, dass die Seele, die beim Tod den Körper verlässt, ihn später wiederfinden müsse.

      Doch was war der Grund für ihren Bau? Die ursprüngliche Intention, den Sarg des verstorbenen Pharao aufzunehmen und ihn durch monumentales Steinwerk um die Grabkammer herum gegen Grabräuber zu schützen, reicht als Erklärung nicht aus. Denn längst ist erwiesen, dass eine derartige Vorsichtsmaßnahme – falls sie wirklich eine war – sinnlos gewesen ist. Die Grabkammer wurde ebenso ausgeraubt wie fast alle bisher in Ägypten entdeckten Grabmäler. Deshalb war es eine Sensation, als der Engländer Howard Carter 1922 das verschüttete Grab des Tut-anch-Amun entdeckte und sowohl die Maske der Mumie aus purem Gold als auch die in der Grabkammer gefundenen Schätze der Forschung zur Verfügung stellte.

      DER BAU DER PYRAMIDEN

      Für den Bau der Großen Pyramide waren mindestens einhunderttausend Menschen nötig, die in ständigem Wechsel ihre Arbeitskraft einsetzten. Im Bauzentrum waren neben den Baumeistern, Wissenschaftlern und Organisatoren als feste Angestellte vor allem Maurer, Steinmetze, Zimmerleute und Fährmänner das ganze Jahr hindurch beschäftigt. Eine perfekte Organisation hielt das unvergleichliche Unternehmen in Bewegung: Die Einberufung, Einkleidung, Unterbringung, Verpflegung und Einteilung des Heeres von Transportarbeitern, zumeist Bauern, erforderte exzellente Managementqualitäten.

      Jedes Jahr im Juni, wenn sich erstmals am nördlichen morgendlichen Sternenhimmel die Sothis zeigte, die auch Sorius genannt wurde, kündigte sich das neue Jahr an. Für die Ägypter ein untrügliches Zeichen – drei Wochen später musste mit der Überschwemmung des Nils gerechnet werden. Seit Generationen wussten die Bauern, dass ihre Felder überflutet und sie monatelang untätig und arbeitslos sein würden. So erwarteten sie das Erscheinen der Schreiber des Königs, die sie zum Bau der Pyramide holten. Vielleicht hätten sie lieber während dieser Zeit mit ihren Frauen getanzt, ihre Hütten repariert oder wären auf die Affenjagd gegangen, doch es galt als gute Tat und religiöse Pflicht, dem Pharao zu dienen.

      So zog bald eine Karawane von zahllosen Bauern zum Fluss in Richtung Gizeh, den schmalen Uferstreifen mit Getreidefeldern, Obstgärten und Gemüsebeeten entlang. Die Üppigkeit der Früchte und das hochstehende Getreide ließen die erbarmungslose Wüste vergessen, die wenige Schritte entfernt auf beiden Seiten des Flusses lauerte. »Unser Land ist ein Geschenk des Nils«, sagten die Ägypter voller Freude über den fruchtbaren Schlammboden, den der Fluss mit sich brachte und der zusammen mit der ungeheuren Kraft der Sonne drei Ernten im Jahr ermöglichte. Den fehlenden Regen ersetzte der Tau, der nach kühler Nacht morgens auf den Feldern lag.

      Die Bauern führten ein fast sorgloses Leben, sie hatten keinen Hunger zu leiden und lebten »vom Tisch des


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