Die bedeutenden Historiker. Lars HoffmannЧитать онлайн книгу.
2), die die judäischen Herrscher vom Ende des Makkabäerauftstands (165 v. Chr.) bis zur römischen Eroberung Jerusalems durch Pompeius im Jahr 63 v. Chr. stellten. Allerdings fehlen entsprechende Quellen, um dieses Selbstzeugnis kritisch zu überprüfen. Entgegen dem Rang und der Tradition seiner Familie schloss sich Iosephus der Gruppe der Pharisäer an, die in ihren politischen und religiösen Ansichten dem Volk recht nahe standen. Politisch aktiv wurde er erstmals im Rahmen einer Gesandtschaft nach Rom in den Jahren 64-66 n. Chr. Immerhin erreichte man damals die Freilassung jüdischer Priester, denen von Seiten der römischen Verwaltung politische Agitation gegen Rom zum Vorwurf gemacht worden war. Rom seinerseits war am Frieden in seinen Provinzen interessiert, sodass es sich durchaus zu Zugeständnissen bereit erklärte – was auf jüdischer Seite jedoch fälschlich als Schwäche interpretiert wurde. So kam es bald darauf zum Ausbruch eines jüdischen Aufstands gegen die römischen Statthalter Gessius Florus und Cestius Gallus, zumal der erstgenannte zur Zahlung der fälligen Abgaben Teile des jüdischen Tempelschatzes eingefordert hatte. Iosephus übernahm dabei ein größeres militärisches Kommando in der galiläischen Festung Iotapata. Wie er persönlich zu den sog. Zeloten, den jüdischen Glaubenseiferern stand, die entgegen den Empfehlungen der jerusalemitischen Priesteraristokratie zur offenen Rebellion gegen die Römer aufriefen, ist unklar. Gleichwohl gelang es dem damaligen Feldherrn Vespasian, Iotapata im Jahr 67 n. Chr. nach längerer Belagerung einzunehmen (Bell. iud., III, 340-391). Iosephus geriet dabei in römische Gefangenschaft, doch gelang es ihm, sich die Gunst Vespasians zu sichern, indem er ihm das Kaisertum voraussagte. Nach der Erhebung Vespasians zum princeps im Jahr 69 n. Chr. ließ dieser seinen Kriegsgefangenen frei, der sich danach in Rom niederließ. Anlässlich der Belagerung Jerusalems durch Titus begleitete ΙJosephus diesen im folgenden Jahr und kämpfte loyal auf römischer Seite. Zurückgekehrt in seine neue Heimat, erhielt er als Belohnung für seine treuen Dienste das römische Bürgerrecht, was ihm von Vespasians Familie her den Namen Flavius einbrachte. Außerdem bekam er eine feste jährliche Apanage sowie Landgüter, was ihm insgesamt ein sicheres Auskommen verschaffte. In seiner erhaltenen Biographie berichtet er von vier Ehen, deren letzte er mit einer kretischen Jüdin um das Jahr 75 n. Chr. schloss. Drei seiner Söhne dürften ihn überlebt haben. Aufgrund der Veröffentlichung seiner Schriften geht man für ihn von einem Todesdatum um das Jahr 100 n. Chr. aus.
Seine literarischen Werke verfasste Flavius Iosephus nach dem Jahr 70/71 n. Chr. in Rom. Sie sind alle in griechischer Sprache geschrieben worden, nur seinen Bericht über den Jüdischen Krieg dürfte er in zunächst in seiner Muttersprache Aramäisch aufgezeichnet haben. Mit Sicherheit besaß er auch hinreichende Lateinkenntnisse, aber als ein Autor aus dem hellenistischen Orient lag es in seiner Zeit durchaus nahe, sich für literarische Werke des Griechischen zu bedienen.
Um das Jahr 80 n. Chr. erschien als sein erstes Buch der Jüdische Krieg (griech. Perí tu Iudaïkú polému), den die Vorrede an die Oberschicht des Römischen Reiches adressiert. Zum größten Teil wird in den sieben Einzelbüchern der Verlauf des römisch-jüdischen Krieges vom Aufstand der Juden im Jahr 66 bis zum Fall der Bergfestung Massada im Jahr 73 n. Chr. skizziert, d.h. Ereignisse, von denen Iosephus die meisten selbst erlebt hatte. Dem schickte er eine Auflistung früherer Besetzungen Jerusalems und lokaler jüdischer Erhebungen ab dem Jahr 174 v. Chr. voraus, von denen insbesondere dem Makkabäeraufstand eine größere Bedeutung zukam. Iosephus gibt sich im gesamten Werk eher prorömisch und stellt heraus, dass es nicht der jerusalemitische Priesteradel gewesen sei, der zur Rebellion gegen die römische Oberhoheit aufgerufen habe, sondern religiöse Splittergruppen, und dabei insbesondere die Zeloten. Den flavischen Kaisern begegnet er mit großem Respekt, um deren Handlungsweise als für das jüdische Volk letzten Endes doch positiv herauszustellen. Aufgrund solcher Tendenzen verwundert es kaum, dass nicht nur dieses Werk des Iosephus im Judentum so gut wie gar nicht rezipiert wurde. Nur in das sog. Sefer Josippon, eine mittelalterliche hebräische Weltchronik, die um das Jahr 1000 im apulischen Oria entstand und die von der Erschaffung der Erde – was für hebräische Texte eher ungewöhnlich ist – bis zur Eroberung Jerusalems durch Titus im Jahr 70 n. Chr. reicht, hielt eine lateinische Fassung des Iosephus Einzug.
Sein zweites historiographisches Werk, die Jüdischen Altertümer (griech. Historia tes Iudaïkes Archaiologias) publizierte Iosephus im Jahr 93 n. Chr. Es handelt sich um 20 Bücher zur jüdischen Geschichte, wobei dem überlieferten Text ein Inhaltsverzeichnis zu den einzelnen Abschnitten vorangeht. Die Bücher I-X umfassen die Geschichte der Welt von der Schöpfung bis zur Zerstörung der altisraelitischen Königreiche und der persischen Oberhoheit. Grundlage dafür sind im Wesentlichen die alttestamentlichen Texte in hebräischer und griechischer Übersetzung. Der zweite Teil (bis Buch XX) beginnt bei Alexander dem Großen und endet im Jahr 66 n. Chr. mit dem Römisch-Jüdischen Krieg, wobei sich als Quellen unter anderem die Makkabäerbriefe, Polybios sowie die nur fragmentarisch erhaltene Universalgeschichte des Nikolaos von Damaskus (geb. um 65 v. Chr.) herausarbeiten lassen. Nikolaos war zunächst am Hof von Herodes dem Großen und danach in Rom im Umfeld des Augustus tätig. Daneben lassen sich unterschiedliche Dokumente und Archivalien bestimmen, zu denen Iosephus in Rom Zugang besessen haben muss.
Im weiteren Sinne der Geschichtsschreibung zuzuordnen ist noch seine Lebensbeschreibung (gr. Iosepu bios), die teils eigenständig, teils als Anhang zu den Jüdischen Altertümern überliefert ist. Teilweise überschneidet sich dieser Text mit den beiden zuvor genannten Werken, doch spielt das Motiv der persönlichen Rechtfertigung seines Verhaltens im römisch-jüdischen Krieg sowie sein Frontwechsel unter Vespasian bzw. Titus eine entscheidende Rolle. Gerade dies musste ihn vor seinen Glaubensgenossen als suspekt erscheinen lassen, ein Element, das sich in der nur sehr geringen Rezeption seines Werkes in der hebräischen Literatur der Folgezeit widerspiegelt. Ganz anders sah dies im griechischen und lateinischen Mittelalter aus, für das man eine starke Verbreitung seiner beiden Hauptschriften annehmen kann, und auch für den frühen Buchdruck sind hohe Auflagenzahlen belegt. Grund dafür dürfte in erster Linie gewesen sein, dass Iosephus Zeitgenosse Jesu Christi war und sich im überlieferten Text zwei Hinweise auf Jesus finden, auch wenn diese trotz immer wieder von kirchlicher Seite propagierter Einwände eindeutig als Einfügungen späterer Kopisten identifiziert werden konnten. Daneben schließen die Texte aber die zeitliche Lücke zwischen den beiden biblischen Testamenten, sie bieten also für einen christlichen Leser wesentliche Informationen, über die er anderweitig nicht verfügte. Im Umkehrschluss erschwerte dies natürlich seine Lektüre innerhalb des Judentums umso mehr.
Werke:
Flavius Josephus. Der Jüdische Krieg und Kleinere Schriften. Mit der Paragraphenzählung nach Benedict NIESE. Wiesbaden 2004.
Flavius Josephus, Jüdische Altertümer. Mit Paragraphenzählung nach Flavii Josephi Opera recognovit Benedictus Niese (Editio minor). Wiesbaden 2004.
Weiterführende Literatur:
Z. ROGERS, Making History. Iosephus and Historical Method. Leiden u.a. 2007 (Supplements for the Journal of the Study of Judaism, 110).
K.-St. KRIEGER, Geschichtsschreibung als Apologetik bei Flavius Josephus. Tübingen 1994 (Texte u. Arbeiten z. neutestamentl. Zeitalter 9).
H. LINDNER, Die Geschichtsauffassung des Flavius Josephus im Bellum Iudaicum. Gleichzeitig ein Beitrag zur Quellenfrage. Leiden u.a. 1972 (Arbeiten z. Geschichte d. antiken Judentums u. d. Urchristentums 12).
R. LAQUEUR, Der jüdische Historiker Flavius Josephus. Ein biographischer Versuch auf neuer quellenkritischer Grundlage. 2. Aufl. Gießen 1920 (Neudruck Darmstadt 1970).
Plutarchos aus Chaironeia
Plutarch ist der letzte bedeutende griechische Historiker der klassischen Antike. Geboren wurde er um das Jahr 46 in Chaironeia, einer griechischen Stadt in der Landschaft Böotien gut 50 km nördlich von Athen. Seine Familie war durchaus wohlhabend, sodass er sich einer philosophischen und rhetorischen Ausbildung unterziehen konnte. Diese erhielt Plutarch in Athen, wo zu seiner Zeit der aus Alexandria stammende Philosoph Ammonios lehrte, dessen Arbeiten dem Ziel gewidmet waren, Platon und Aristoteles in ein philosophisches System zu bringen. Nach eigenem Zeugnis beschäftigte sich Plutarch aber auch mit den Lehren der Stoiker und der Epikureer, die er mit kleineren Schriften