Dr. Norden Extra Box 2 – Arztroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Befunde vorlagen, stand es fest, daß ein nur sehr schwierig zu diagnostizierender Virus die Bauchspeicheldrüse und den Magen angegriffen hatte. Es mußten jedoch erst noch weitere Untersuchungen stattfinden, um festzustellen, inwieweit Zellschädigungen vorliegen könnten. Das Blutbild war erschreckend. Vor allem für die Schwangerschaft waren die Aussichten sehr problematisch. Dr. Leitner wollte sich mit Dr. Norden beraten, was man unternehmen könnte, um wenigstens Michelles Zustand einigermaßen zu stabilisieren.
»Ist es nicht wahrscheinlich, daß es einen Abortus gibt?« fragte Daniel.
»Das wäre natürlich die beste Lösung, aber meinst du, daß sie diese hinnimmt?«
»Ich denke schon. Es fragt sich jedoch, wie stark ihre Widerstandskraft ist, mit einer langwierigen Krankheit fertig zu werden und ob die psychische Belastung den körperlichen Zustand nicht noch verschlimmert. Ich werde erstmal mit Mona Holsten sprechen, die sich ja sicher auch ihre Gedanken macht.«
»Sind sie so eng befreundet?«
»Das auch, aber sie ist sehr eng mit Philipp Laurentis liiert. Sie hat eine ganz persönliche Beziehung zu Michelle. Sie ist eine sehr gute Ärztin. Ich zolle ihr Respekt.«
»Aber sie ist doch nicht verheiratet mit Laurentis«, meinte Schorsch Leitner, der diesbezüglich sehr konservativ dachte.
»Für die beiden ist das nur eine Formsache. Sie hat Charakter, und sie sind schon lange zusammen. Eine bessere Frau kann Laurentis gar nicht finden.«
»Sag mir Bescheid, was ihr austüftelt«, bat Schorsch Leitner, und das versprach Daniel.
Er rief Mona an. Sie war überrascht, aber auch erfreut. »Was verschafft mir die Ehre, Daniel?«
»Haben Sie Michelle schon gesehen und gesprochen?« fragte er ohne Umschweife.
»Gestern abend. War sie bei Ihnen?«
»Schon vor ein paar Tagen. Kann ich mal mit Ihnen über die Befunde sprechen, Mona?«
»Ist es etwas Ernstes? Ich mache mir nämlich Sorgen.«
»Ich auch. Können Sie mal vorbeikommen?«
»Gleich nach dem Dienst. Ich bin siebzehn Uhr fertig.«
»Das trifft sich gut, dann nehme ich mir Zeit.«
*
Sie kam ganz pünktlich, und so konnte sie sich noch ein bißchen mit Wendy unterhalten, die sie recht gut kannte, weil Wendy einmal eine Bekannte von ihr gepflegt hatte, bevor sie die feste Anstellung bei Dr. Norden übernahm.
»Sie sehen ja blendend aus, Wendy«, stellte sie erfreut fest.
»Es geht mir auch sehr gut. Die Arbeit schmeckt, der Chef ist einmalig, und jetzt habe ich auch eine hübsche Wohnung in der Nähe. Was will ich mehr?«
»Also wunschlos glücklich?«
Das Ja kam aus tiefstem Herzen, und nach all den wenig erfreulichen Erfahrungen, die Wendy hatte machen müssen. Es war ihr zu gönnen, daß sie auch mal Glück hatte.
Aber einen Chef wie Dr. Norden zu haben, war schon großes Glück, das konnte Mona nur bestätigen, denn sie schätzte und respektierte ihn über alle Maßen. Was er ihr dann aber mitteilen mußte, ließ sie erstarren.
Verdacht auf Perniziöse Anämie, das hing plötzlich wie ein drohendes Schwert über ihr.
»Der Virus ist einfach nicht festzustellen«, sagte Daniel Norden. »Er gehört zu den ganz seltenen, und sie wird uns kaum sagen können, wo sie den aufgeschnappt hat. Es fing vielleicht ganz harmlos an mit einer Infektion.«
»Vielleicht mit einer Wunde? Sie hatte vor einem halben Jahr einen kleinen Unfall an der Côte d’Azur. Ich erinnere mich, daß sie davon amüsiert erzählte. Sie war am Strand auf eine Glasscherbe getreten, und weil sie nicht mehr auftreten konnte, wurde sie zum Arzt gebracht, das hat sie vor einem gewaltigen Sonnenbrand bewahrt. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie gerötet ihre Haut schon war. Aber das war jetzt nur eine Vermutung.«
»Die aber zutreffen könnte. Wahrscheinlich wurde versäumt, eine Tetanusspritze zu geben, und so entwickelte sich langsam eine Sepsis.«
»Aber es wäre ein langer Zeitraum.«
»Es ist möglich.« Ich hatte schon so seltene Fälle. Wenn man ihr den Ernst der Situation klarmachen kann, könnte man durch weitere Untersuchungen und eine gleich einzuleitende Behandlung möglicherweise einen Stillstand erreichen und dann durch die medikamentöse Therapie auch eine Heilung erzielen.«
»Aber Sie sind skeptisch, und ich bin es auch nach Ihrer Schilderung. Momentan bin ich geschockt, was Sie sicher verstehen. Ich mag Michelle sehr, und ich denke auch an Philipp, der das nicht begreifen wird. Wir haben gestern über die Schwangerschaft gesprochen. Michelle wollte darüber anscheinend nichts sagen, und sie verriet auch nicht, daß sie schon bei Ihnen war.«
»Auch bei Dr. Leitner, aber ich darf darauf zählen, daß Sie es für sich behalten.«
»Das ist selbstverständlich. Ich werde auch Dr. Leitner nichts erzählen. Vorerst wenigstens noch nicht. Aber wird sich Michelles Zustand nicht schnell verschlechtern?«
»Ich wage keine Prognose zu stellen. Vielleicht spürt sie, daß etwas in ihr vor sich geht, und deshalb kommt es auch zu sehr impulsiven Reaktionen.«
»Wie zum Beispiel die Heirat. Jedenfalls war das eine falsche Entscheidung, und sie sieht es wohl auch schon ein. Philipp nimmt das noch gelassen, aber froh sind wir natürlich nicht. Jetzt nehmen wir an, daß sie so schnell heiraten wollte, weil die Schwangerschaft eintrat. Michelle ist nämlich recht konservativ, was die Beziehung zwischen Mann und Frau betrifft und möchte, daß wir heiraten. Den Gefallen werden wir ihr auch tun, aber mir wäre es lieber, wir könnten sonst mehr für sie tun.«
»Sie sind doch schon Jahre mit Philipp zusammen.«
»Und ich habe ein bißchen Angst, daß ich vielleicht keine Kinder bekommen kann, aber er möchte Kinder haben.«
»Sie haben sich doch sicher bereits untersuchen lassen.«
»Es gibt auch keinen Grund für meine Besorgtheit, aber ich habe mir früher mal die Karten legen lassen und da stand nichts von Kindern.«
Daniel lachte auf. »Glauben Sie denn daran?«
»Wahrscheinlich ist es Blödsinn, aber der Herzensmann stand vor der Tür, und bald darauf lernte ich Philipp kennen. Das paßte schon.«
»Damals waren ja auch noch keine Kinder vorhanden, und der Mann war auch erst vor der Tür«, meinte Daniel lächelnd. »Es wird schon alles gutgehen, so wie Sie aussehen, Mona.«
»Auch in bezug auf Kinder waren Sie mir ein Vorbild«, sagte Mona.
»So viel Mut wie wir hat aber nicht jeder.«
»Aber Sie möchten keins missen.«
»Nein, es wäre schrecklich, wenn wir eins verloren hätten. Aber im Fall Michelle wäre es besser, es würde zu einer Fehlgeburt kommen.«
»Aber wie würde sich diese auf ihr Befinden auswirken?«
»Gewiß nicht so schlimm, wie eine neunmonatige Schwangerschaft, die sie kaum überstehen würde.«
Mona schloß die Augen. »Es ist zum Verzweifeln. Sie war doch immer so gesund. Nicht gerade die Kräftigste, aber doch zäh, und ich habe sie nie richtig krank erlebt. Sie ist auch nicht wehleidig. Vielleicht können wir auf ein Wunder hoffen.«
Wer tat das nicht, wenn es um einen Menschen ging, den man liebte, aber Wunder geschahen eben nun mal ganz selten. Natürlich gab es in der modernen Medizin Möglichkeiten, von denen man noch vor einigen Jahren kaum zu träumen wagte, aber es gab auch Krankheiten, die man nicht heilen und erst recht nicht verhindern konnte. Ein tückischer Virus konnte einen Menschen aufzehren, und man mußte hilflos zusehen.
*
Michelle machte sich keine Gedanken.