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Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga TorstenЧитать онлайн книгу.

Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman - Helga Torsten


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nach.

      Claus trat zu ihr. Sein Mund war verkniffen. In seinen grauen Augen lag Ratlosigkeit und Zorn.

      »Ich verstehe dich nicht, Sybill«, sagte er vorwurfsvoll. »Seit wir hier sind, scheine ich dir überhaupt nichts zu bedeuten. Du hast nur noch Augen für den Fürsten. Die anderen haben es ebenfalls bemerkt. Und doch streitest du alles ab. Ich habe das Gefühl, du bist nicht ehrlich, vielleicht nicht einmal dir selbst gegenüber.«

      Ihr Blick schien aus weiter Ferne zu kommen.

      Er glaubte schon, sie habe gar nicht gehört, was er gesagt hatte, da sprach sie langsam:

      »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie aussichtslos es für eine kleine Baronesse wäre, einen Fürsten zu lieben? Ich möchte dich bitten, dieses Thema nie mehr anzuschneiden, Claus, oder mit unserer Freundschaft ist es endgültig vorbei.«

      Bevor er etwas darauf antworten konnte, hatte sie sich umgewandt und ging langsam auf ihr Zimmer zu.

      Sie hatte die Zimmertür noch nicht ganz erreicht, als Lina die Treppe heraufgehetzt kam.

      »Der Prinz ist verschwunden! Seine Durchlaucht lassen fragen, ob es vielleicht möglich wäre, daß Sie sich ebenfalls an der Suche beteiligen.«

      »Aber selbstverständlich«, sagte Sybill sofort. Ihre Kommilitonen schlossen sich an.

      Man beratschlagte kurz. Dann machte man sich getrennt voneinander auf die Suche.

      Sybill schlug den gleichen Weg ein, den sie vorhin gegangen war. Rechts und links sah sie die Leute des Fürsten das Gebüsch durchkämmen.

      Unbewußt lenkte sie ihre Schritte einer Lichtung zu, deren helles Viereck den Anschein erweckte, als sei der Wald hier zu Ende.

      Eine große Wiese mit hohem, von der Sonne schon ein wenig verbranntem Gras lag vor ihr.

      Roséfarbener und weißer Klee duftete süß.

      Ein paar Schmetterlinge umgaukelten eine kleine Gestalt, die seltsam verloren neben einem großen Brennesselbusch hockte und ihr ängstlich entgegensah.

      Der Kleine mochte etwa sechs oder sieben Jahre alt sein.

      Sybills Herz klopfte unwillkürlich schneller. Sie war fast sicher, daß sie vor dem Gesuchten stand.

      Als sie ihn ansprach, wich er erschrocken zurück. Sie trat vorsichtig näher, um ihn nicht noch mehr zu erschrecken.

      »Wie heißt du denn, mein Junge? Bist du nicht der kleine Prinz?«

      Er nickte furchtsam. Die grau­blauen Augen, die denen seines Vaters so sehr glichen, waren schreckhaft geweitet.

      Sie hockte sich zu ihm in das weiche Gras und sah ihn freundlich an.

      »Fürchtest du dich etwa vor mir?«

      Er nickte schnell.

      »Sie sind eine Fee, nicht wahr? Und jetzt wollen Sie mich verzaubern.«

      Er rückte vorsichtig ein Stück­chen von ihr ab.

      Sie lächelte erstaunt.

      »Eine Fee soll ich sein? Warum glaubst du das?«

      »Weil…« Er schlang die mageren Ärmchen um die Knie und sah sie aufmerksam an. »Weil ich in einen Prinzen verwandelt worden bin. Vorher war ich nur ein kleiner Junge. Aber jetzt bin ich ein Prinz. Ein großer Fürst ist gekommen und hat gesagt, ich bin sein Sohn. Aber ich weiß ganz genau, daß ich keinen Papa habe. Die Mami hat es mir erzählt – die Mami…« Er stockte, und die hellen Augen füllten sich langsam mit Tränen.

      Mitleid erfaßte das Herz des jungen Mädchens. Eine heiße Zärtlichkeit für dieses Kind, das so viele andere Kinder ganz sicher beneiden würden und das doch so einsam und unglücklich war, wallte in ihr auf.

      »Mein kleiner Liebling«, flüsterte sie zärtlich und schlang die Arme um die kleine Gestalt, die sich gar nicht mehr vor ihr zu fürchten schien, denn das Kind schmiegte sich schutzsuchend an sie. »Weißt du nicht, wo deine Mami ist?«

      »Doch!« Das kleine Gesichtchen wirkte ernst, als der Junge jetzt ruhig sagte:

      »Die Mami ist da oben. Der liebe Gott hat sie fortgeholt. Aber sie kann mich immer sehen. Nur wiederkommen darf sie nicht. Der liebe Gott will sie bei sich haben.«

      »Ach.«

      Sybills Kehle war seltsam trocken. Tränen stiegen in ihre schönen Augen. Sie drückte das Kind noch zärtlicher an sich und streichelte sacht das weiche braune Haar.

      Der Kleine kuschelte sich an sie. Er schien keine Furcht mehr vor ihr zu haben.

      »Eine alte Frau hat mich in ein Schloß gebracht. Sie hat mir schöne Sachen gekauft, und ich bin dann in einen Prinzen verwandelt worden«, vertraute er ihr im Flüsterton an. »Aber ich möchte lieber kein Prinz sein. Ich möchte lieber wieder zu den andern Jungen ins Internat zurück. Ich mag es gern, wenn die Tanten dort Märchen erzählen, aber ich mag nicht verzaubert sein und bei einem Zauberer wohnen.«

      Sybill schüttelte lächelnd den Kopf.

      »Ja, glaubst du denn, daß der Fürst ein Zauberer ist?«

      »Doch!« Er nickte ernsthaft.

      »Aber nein, du kleines liebes Dummerchen.«

      Sie streichelte ihn zärtlich.

      »Ich glaube schon, daß dir da alles wie ein Märchen vorkommt. Aber es ist kein Märchen. Der Fürst ist wirklich dein Papa und kein Zauberer. Er wäre ganz sicher traurig, wenn er erführe, daß du ihn dafür hältst.«

      »Aber er ist nicht mein Vater. Die Mami hat doch gesagt…«

      »Vielleicht hatte deine Mami jemandem ein Versprechen gegeben, dir nicht zu erzählen, daß dein Vater ein Fürst ist. Vielleicht durfte die Mami das nicht. Hat dir der Vati das nicht erklärt?«

      »Doch.«

      »Und du glaubst ihm nicht? Da wäre er sicher sehr traurig, wenn er das wüßte. Er hat dich nämlich sehr lieb.«

      »Das glaube ich nicht!« Der Junge befreite sich aus Sybilles Armen und rückte ein Stückchen von ihr ab.

      »Die Vatis von den anderen Jungen kamen immer mal zu Besuch. Mein Vati kam nie.«

      »Vielleicht konnte er nicht kommen.«

      »Ein Erwachsener kann alles, was er will.«

      Sie schüttelte lächelnd den Kopf mit den dunklen Locken.

      »O nein, mein Liebling. Man darf niemals alles, was man will. Aber nun bist du ganz lieb und kommst mit mir. Dein Vater macht sich große Sorgen um dich.«

      Er stand auf und machte Miene, davonzulaufen.

      »Ich komme nicht mit. Ich will da nicht wieder hin!« rief er trotzig.

      Sie erhob sich ebenfalls, vermied es aber, auf ihn zuzutreten.

      Sie strich ihren Rock glatt und wandte sich halb zum Gehen.

      »Ich bin sehr enttäuscht«, sagte sie ruhig. »Ich hatte gedacht, du seist ein kluger kleiner Kerl, aber das bist du nicht. Du bist noch ein ganz, ganz kleiner Junge, der an Hexen und Zauberer glaubt.«

      »Gibt es denn keine Zauberer?«

      Er trat vorsichtig näher.

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Nein. Nur im Märchen.«

      »Aber so ein großes Schloß.« Er schien zu zögern.

      »Dein Vater wird sehr traurig sein. Du machst wohl gern andere Leute traurig.«

      »Aber nein! Wirklich nicht.«

      Jetzt stand er neben ihr.

      »Glauben Sie, daß der Fürst traurig ist, wenn ich nicht mehr zu ihm zurückkomme?«

      »Sehr traurig.«


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