Fürstenkinder Staffel 1 – Adelsroman. Helga TorstenЧитать онлайн книгу.
beim Erntefest richtig dabeizusein.
Er tanzte für sein Leben gern. Nicht einmal Claudia hatte ihm Gesellschaft leisten wollen, was er ihr sehr übelnahm. Er kam sich verlassen und verraten vor, wie er da so allein auf der Terrasse in einem bequemen Liegestuhl lag und in den Büchern blätterte, die der Fürst ihm hatte bringen lassen.
»Das ist aber riesig nett, daß Sie nach mir schauen«, lächelte er Diana entgegen, die schüchtern zu ihm trat. »Tanzen Sie denn nicht mit?«
Sie schüttelte traurig den Kopf, und er erinnerte sich ihrer Trauer.
»Verzeihen Sie«, lächelte er verlegen. »Ich hatte nicht daran gedacht.«
Sie setzte sich zu ihm und sagte mit einer Offenheit, die ihn erstaunte:
»Das macht nichts. Ich hatte es selbst auch ganz vergessen. Mama mußte mich erst wieder erinnern. Ist das nicht schrecklich? Ich habe meinen Vater sehr lieb gehabt, wirklich. Trotzdem hatte ich es einen Augenblick lang vergessen. Ist das nicht herzlos von mir? Ich bin selbst ganz unglücklich darüber.«
Sie machte einen niedergeschlagenen Eindruck. Er legte seine Hand auf ihren Arm und sagte tröstend:
»Ich finde, Sie sollten sich nicht mit derartigen Gedanken quälen. Sie sind doch jung und hübsch. Da ist es gar kein Wunder, wenn Sie sich ein bißchen amüsieren möchten. Niemand kann Ihnen das verübeln.«
»Finden Sie wirklich?«
Sie sah ihn erstaunt an. Ihre zarten Finger strichen verlegen das offen über die Schultern fallende Haar zurück.
»Ob ich was finde?«
»Nun, daß ich hübsch bin.«
Sie senkte die langen Wimpern über die Augen und sah verschämt auf die Platten des Fußbodens.
Sie wirkte in diesem Augenblick so mädchenhaft reizend, daß er sie am liebsten in die Arme genommen und geküßt hätte.
»Natürlich sind Sie hübsch. Hat Ihnen das noch niemand gesagt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich bekomme nur immer das Gegenteil zu hören.«
»Von wem? Den Burschen werde ich mir einmal vornehmen. Ich werde mich mit ihm duellieren! Jawohl! Sowie ich einigermaßen wieder zu Fuß bin, werde ich ihn fordern – auf Säbel und Pistolen! Das darf nicht ungesühnt bleiben! Wer ist der Kerl?«
Sie kicherte erst, dann lachte sie laut auf.
»Sie sind ulkig. Würden Sie das wirklich tun für mich?«
»Mich für Sie schlagen? Selbstverständlich! Sofort! Wenn es sein muß, mit einem ganzen Regiment!« scherzte Jürgen Bentloh.
Er legte die Hand aufs Herz und warf ihr einen feurigen Blick zu.
»Aber Sie können sich mit dem Burschen nicht schlagen, denn es handelt sich um meine Mutter«, lachte sie.
»Ach so! Ihre Frau Mama.«
Er wiegte bedächtig den Kopf hin und her. »Das ist natürlich dumm. Da kann man tatsächlich nichts tun. Man könnte sie höchstens einmal sehr nachdrücklich darauf aufmerksam machen, welch bezauberndes Wesen sie mit ihren ungerechten Worten vergrämt und zutiefst beleidigt hat.«
»Um Himmels willen! Sie sitzt da drinnen im Salon. Sagen Sie bloß nichts. Sonst dürfte ich ganz sicher nicht mehr zu Ihnen.«
Diana sah sich erschrocken um.
Jürgen folgte ihrem Blick und schüttelte unwillig den Kopf. Die Gräfin war ihm auf den ersten Blick unsympathisch.
Als spüre sie seine Gedanken, sah sie auf und zog die Brauen zusammen. Er verbeugte sich höflich, so gut es im Sitzen mit dem eingegipsten Bein ging; aber sie tat, als bemerke sie es nicht.
»Sie mag mich nicht«, flüsterte er. »Sie kann mich nicht ausstehen.«
»Machen Sie sich nichts draus«, tröstete Diana ihn. »Ich jedenfalls mag Sie sehr.«
»Wirklich?«
Er sah ihr tief in die Augen, und sie errötete über und über.
»Ich… Es ist mir nur so herausgerutscht«, flüsterte sie verschämt. »Ich hatte es eigentlich gar nicht sagen wollen!«
»Es stimmt also nicht«, stellte er bekümmert fest. »Schade!«
»Doch, stimmt es!«
Sie war wirklich verlegen. »Aber nun wollen wir von etwas anderem reden, ja?«
»Ich finde, es ist ein herrliches Gesprächsthema«, beharrte er. »Ich kann gar nicht genug darüber hören.«
Sie erhob sich und tat, als wolle sie gehen.
Er faßte nach ihrer Hand und drückte sie sanft in ihren Sessel zurück.
»Warum wollen Sie jetzt davonlaufen? Sie sind ein ängstlicher kleiner Hase. Aber ich mag ängstliche kleine Hasen sehr.«
Sie sagte nichts. Ihre Finger spielten nervös mit dem zarten Batisttuch.
»Wenn Sie weiter so daran zerren, werden Sie gleich nur noch Fetzen in den Händen halten. Ich fände das schade«, sagte er leise.
Sie steckte das Taschentuch ein und fuhr sich verlegen mit der Hand übers Haar.
»Sie haben wunderschönes Haar. Aber warum lassen Sie es nicht kürzer schneiden? Es würde viel besser aussehen als diese schulterlangen Strähnen«, sagte er nachdenklich.
Diana ärgerte sich. »Das war eben nicht gerade sehr liebenswürdig. Jetzt gehe ich aber wirklich. Auf Wiedersehen.«
Sie stand auf und kehrte ihm beleidigt den Rücken. Als er nach ihrer Hand greifen wollte, sah er den Blick ihrer Mutter streng und gleichzeitig unaussprechlich hochmütig auf sich gerichtet.
»Diana«, rief sie mit ihrer etwas schrillen Stimme. »Bitte komm herein. Ich machte, daß du mir beim Wollewickeln hilfst!«
»Auf Wiedersehen.«
Diana warf Jürgen einen schnellen Blick zu, in dem nichts Gekränktes mehr lag. Dann lief sie in den Salon.
Er sah ihr nachdenklich nach. Er fand sie reizend, ein bißchen üppig vielleicht, aber er mochte die allzu schlanken Mädchen sowieso nicht.
*
Sybill tanzte mit einem der Knechte einen feurigen Csardas. Er packte sie bei den Hüften und schwenkte sie hoch in die Luft. Sie lachte strahlend und stützte die schlanken Arme anmutig auf seine Schulter. Die anderen jubelten ihr ausgelassen zu. Sie erkannte unter ihnen den Fürsten, der lächelnd zu ihr emporsah und jetzt auf sie zukam.
Er klatschte in die Hände und sagte fordernd:
»Hier warten noch andere Tänzer auf Ihre Dame, mein Lieber.« Und er ergriff Sybill und nahm sie dem Knecht einfach fort, der lachend zurücktrat und seinem Herrn Platz machte. Sie schätzten ihn alle und verehrten ihn sehr. Er kehrte nie den Gebieter heraus und gab sich immer leutselig und freundlich.
Sybill tanzte mit dem Fürsten weiter, ruhiger jetzt und eleganter.
»Wissen Sie eigentlich, wie bezaubernd schön Sie sind?« flüsterte der Fürst ihr zu und sah ihr tief in die leuchtenden Augen.
Sie antwortete nicht, aber sie lächelte glücklich.
Er konnte den Blick nicht von ihrem sanft geröteten Gesicht mit den strahlenden Augen und dem lockenden Blick lassen.
Ihre Haut schimmerte wie mattes Elfenbein. Das dunkle Haar trug sie zu einer hohen Krone aufgesteckt, was zu dem echten Dirndl ganz entzückend aussah.
Er drückte sie fester an sich.
»Sybill, Sie sind zauberhaft«, flüsterte sein Mund und neigte sich dem ihren zu.
Dicht neben ihm klatschte jemand in die Hände, und eine helle Knabenstimme rief bittend: