Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
»Ich lege Ihnen die Druckfassung morgen vor, wie vereinbart.«
Als er sich verabschiedet hatte, umarmte Sofia ihren Neffen. »Gut gemacht, Chris«, sagte sie.
Barbara von Kreyenfelss reichte Christian feierlich die Hand. »Sie werden ein würdiger Nachfolger Ihres Vaters sein, Prinz Christian«, sagte sie ernst. »Es ist mir eine Ehre, für Sie arbeiten zu dürfen.«
Nach diesen Worten ging sie. Wenig später veröffentlichte die erste Nachrichtenagentur, dass Prinz Christian von Sternberg, vertreten durch seine Tante Sofia von Kant und deren Mann, Friedrich von Kant, Anzeige gegen Corinna Roeder erstattet hatte, wegen Verleumdung und Betrugs und zahlreicher weiterer Vergehen, sowie gegen einen gewissen Bodo Kleinert wegen Beihilfe zum Betrug.
Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile, und mit einem Mal schien sich der Wind in der Sache ›Roeder gegen Sternberg‹ gedreht zu haben.
*
Bodo Kleinert ließ sich widerstandslos von zwei Polizeibeamten abführen, wobei er beteuerte, keine Ahnung zu haben, was man ihm eigentlich vorwerfe. Die Polizei beschlagnahmte sämtliche Computer, die sich in der Werkstatt des Buchbinders fanden – und das bedeutete, dass diese nach dem Einsatz mehr oder weniger leer war. Begleitet wurde die Aktion von einem riesigen Presseaufgebot.
Ebenso verlief der Einsatz bei Corinna Roeder, die ebenfalls zur Vernehmung ins Polizeipräsidium gebracht wurde. Sie wirkte blass, aber gefasst und äußerte sich vor der Presse nicht. Ihr Anwalt ließ verlauten, die Aktion werde bald im Sande verlaufen, denn in Wirklichkeit habe man nichts gegen seine Mandantin in der Hand.
Auch die Sternberger hüllten sich in Schweigen, niemand wollte einen Kommentar abgeben, und so kochte die Gerüchteküche beinahe über. Lediglich der Polizeisprecher gab eine kurze Erklärung ab: Gegen Bodo Kleinert sei Anzeige erstattet worden, ebenso gegen Corinna Roeder, beide würden jetzt erst einmal vernommen, anschließend jedoch vermutlich wieder auf freien Fuß gesetzt, von einer Verhaftung könne keine Rede sein. Man habe die Ermittlungen ja gerade erst aufgenommen, es bestehe ein Anfangsverdacht. Nein, zu einer Verbindung zwischen Frau Roeder und Herrn Kleinert wolle man sich nicht äußern.
Einen Tag später erschien in der Süddeutschen Allgemeinen Zeitung das Interview, das der kleine Fürst Ferdinand von Stade gegeben hatte. Es hätte zu jedem denkbaren Zeitpunkt für großes Aufsehen gesorgt, doch nun schlug es ein wie eine Bombe, und tatsächlich geschah, was Christian und seine Familie sich erhofft hatten: Die Stimmung begann sich einmal mehr zu drehen. Viele Menschen, die längst auf der Seite Corinna Roeders gewesen waren, schwenkten wieder um angesichts der klaren Antworten des fünfzehnjährigen Fürstensohnes, der auch dann nicht auswich, wenn ihm eine Frage unangenehm war. ›Der kleine Fürst‹ war auf einmal wieder in aller Munde, und nicht wenige Leute schämten sich, an seinem Vater gezweifelt zu haben, zumal Corinna Roeders Vernehmung daraufhin zu deuten schien, dass sie vielleicht doch etwas zu verbergen hatte.
»Der Fall ist praktisch entschieden«, verkündete ein Nachrichtensprecher abends in den Fernsehnachrichten, und so dachten die meisten.
Auf Schloss Sternberg kehrte zum ersten Mal seit Wochen so etwas wie Ruhe ein. Hoffnung auf eine baldige Aufklärung der Affäre hatte es zwischendurch immer wieder gegeben, aber nie schien das glückliche Ende näher gewesen zu sein als jetzt. Christian verbrachte viel Zeit auf dem Hügel, vor der Gruft seiner Eltern, zumal er sie in der Woche am Edersee nicht hatte besuchen können. Er fühlte sich von einer schweren Last befreit, stets kehrte er mit einem Lächeln ins Schloss zurück.
Einige Tage nach dem Erscheinen des Interviews und den Vernehmungen von Corinna Roeder und Bodo Kleinert, die zunächst einmal nichts erbracht hatten, sagte die Baronin, als ihr Neffe wieder einmal von einem Besuch auf dem Hügel zurückkehrte: »Du hast Post bekommen, Chris, von einem Mann namens Jakob von Falckenberg.«
»Wer ist das?«, erkundigte sich der kleine Fürst.
»Das wollte ich dich gerade fragen. Es ist ein ziemlich dickes Päckchen.« Die Baronin zögerte. »Wenn du den Mann gar nicht kennst, sollten wir vielleicht vorsichtig sein. Seit die Wellen so hochschlagen, kann man ja nicht sicher sein, dass nicht irgendein Verrückter auf dumme Ideen kommt.«
»Dann hätte er bestimmt nicht seinen Absender auf das Päckchen geschrieben, Tante Sofia«, widersprach Christian. Er hatte die Verpackung bereits aufgerissen und hielt nun einen Stapel Fotos in den Händen, sowie mehrere Streifen Negative. Erstaunt betrachtete er die Fotos. »Das glaube ich einfach nicht!«, rief er.
Seine Tante nahm ihm die Fotos auf der Hand. »Das ist ja Caroline von Hessen, mit der du dich da unterhältst«, sagte sie.
Der Junge nickte. »Wir haben uns eines Abends ziemlich spät noch unterhalten, dabei hat uns ein Fotograf aufgenommen. Sie ist ziemlich wütend auf ihn losgegangen, er konnte aber entwischen. Ich habe euch das nicht erzählt, um euch nicht zu beunruhigen.«
»Und das sind die Fotos, die er gemacht hat?«
»Scheint so. Sieht aber eher so aus, als hätte er die Fotos von ihr gemacht und nicht von mir, oder?«
»Allerdings«, murmelte die Baronin.
»Warte mal, hier ist auch noch ein Brief.«
Es war ein nicht sehr langes Schreiben, das Christian rasch überflog. Als er aufsah, lächelte er. »Das ist ja ein Ding«, sagte er.
»Was denn?«
»Lieber Prinz Christian, verzeihen Sie die vielleicht zu vertrauliche Anrede, aber ich habe Ihr Gesicht in den letzten Tagen so oft in meiner Dunkelkammer gesehen, dass Sie mir mittlerweile wie ein sehr guter Bekannter vorkommen. Es gibt einiges, das ich erklären muss, aber zu allererst möchte ich mit dem Missverständnis aufräumen, dass ich ein ›Spanner‹ bin oder ein Paparazzo, der Ihnen und Caroline von Hessen aufgelauert hat, um sie zu fotografieren und die Fotos dann meistbietend zu verkaufen.
Es war ganz einfach so, dass ich Frau von Hessen bereits vorher einmal gesehen hatte und fasziniert von ihr war. Normalerweise frage ich in solchen Fällen, ob ich ein paar Fotos machen darf, das ging in diesem Fall nicht, weil ich nicht allein war – und dann war mein wunderschönes Motiv auch schon weggegangen. Ich konnte jedoch ermitteln, wie sie heißt und dass sie als nächstes eine Gruppe Jugendlicher aus Süddeutschland führen würde, und die geplante Tour bekam ich auch heraus. Der Abend, an dem ich Sie mit ihr auf der Terrasse stehen sah, war ein unverhofftes Geschenk für mich. Wie gesagt, normalerweise hätte ich um Erlaubnis gebeten, aber stattdessen habe ich einfach die Gunst der Stunde genutzt – und mich, während ich fotografierte, in mein Motiv verliebt. Es kränkt Sie hoffentlich nicht, wenn ich gestehe, dass Sie mir dabei kaum aufgefallen sind. Und hätte nicht ein Freund mir gesagt, wen ich da so ganz nebenbei auch noch fotografiert hatte, ich wüsste es wohl jetzt noch nicht.
Unter diesen Umständen möchte ich die Fotos nicht behalten, zumal ich es mir mit Frau von Hessen wohl für immer und ewig verdorben habe. Jedenfalls schicke ich Ihnen sämtliche Abzüge – bis auf einen, den ich zur Erinnerung behalte – und die Negative zur weiteren Verwendung. Außerdem bitte ich vielmals um Entschuldigung dafür, dass ich Ihnen beiden ›aufgelauert‹ habe. Es tut mir unendlich leid, dass dabei ein falscher Eindruck entstanden ist. Es lag mir wirklich fern, jemanden zu verletzen oder mich an Bildern von Ihnen zu bereichern.
In der Hoffnung, dass Sie mir verzeihen, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen Ihr Jakob von Falckenberg.« Christian sah seine Tante an. »Er hat sich in Caroline verliebt«, sagte er. »Deshalb hat er sie fotografiert. Es ging überhaupt nicht um mich, Tante Sofia.«
»Ein erstaunlicher Brief«, stellte die Baronin fest. »Er wirkt ehrlich.«
»Ich rufe ihn an«, beschloss der kleine Fürst. »Und dann …« Er verstummte und lächelte plötzlich in sich hinein.
»Und dann?«, fragte die Baronin.
Er sagte ihr, welche Idee ihm gerade gekommen war, und sie brachte es nicht über sich, ihm seine Bitte abzuschlagen. Endlich beschäftigte ihn wieder einmal etwas anderes als die angebliche Affäre seines Vaters, das wollte sie ihm nicht kaputt machen.
»Du