Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
hatte. Auch ihr Chef hatte sich äußerst positiv über sie geäußert, aber sie machte sich keine Illusionen. Zwar schätzte er sie, aber vor allem ging es ihm um Werbung für das Hotel, und diese Werbung lieferte sie ihm im Augenblick kostenlos. Würde die öffentliche Meinung kippen und sich gegen sie wenden, sie wäre ihre Arbeit, dessen war sie gewiss, sehr schnell los. Sie betrachtete das Foto von ihr, das die Zeitung veröffentlicht hatte. Es war ein schönes Foto, sie erinnerte sich daran, wie es vor zwei oder drei Jahren aufgenommen worden war. Sie lächelte darauf, ihre blonden Haare waren damals kürzer gewesen als heute. Sie trug hautenge Jeans, in denen ihre Rundungen gut zur Geltung kamen. Im Hotel kleidete sie sich natürlich viel seriöser, aber auch kein noch so streng geschnittenes Kostüm konnte ihre Attraktivität verbergen, und das wusste sie. Die Reaktionen vor allem der männlichen Gäste zeigten es ihr.
»Nein«, erwiderte Patrick. »Ich dachte mir, es reicht, wenn alle anderen dein Loblied singen, da werde ich nicht auch noch gebraucht.«
»Es ist mir fast ein bisschen unheimlich, das zu lesen«, gestand sie. »Ich wusste nicht, dass ich so beliebt bin.«
»Ich will dir deine Illusionen nicht rauben, aber der Chef hat vorher eine kleine Ansprache gehalten. Darin war viel von ›Solidarität‹, ›Teamgeist‹ und dem ›Ruf unseres Hauses‹ die Rede.« Er lächelte sie an. »Aber du bist tatsächlich beliebt, Corinna, nicht nur bei unseren männlichen Gästen.«
»Meinst du?«
»Niemand ist gezwungen worden, sich interviewen zu lassen. Wer also nichts Positives über dich sagen wollte, brauchte sich ja nicht zu beteiligen.«
»Danke«, sagte sie leise. »Es klingt vielleicht blöd, aber mir tut es gut zu lesen, dass die anderen mich mögen und meine Arbeit schätzen.«
»Das wusstest du aber doch auch vorher schon, oder nicht?«
»Ich habe es gehofft, aber jetzt habe ich es schwarz auf weiß, das ist etwas anderes.«
Er sah ihr in die Augen. »Wie geht’s dir sonst?«, fragte er.
»Nicht so gut, das kannst du dir ja wohl denken. Ich muss mich immer noch verstecken, und vielleicht bleibt das jetzt für lange Zeit so. Und ich bin traurig, dass sich die Sache so lange hinzieht.«
»Ist dein Anwalt auch wirklich gut?«
»Oh ja, ganz bestimmt, er baut mich bei jedem Gespräch auf, und er ist sehr zuversichtlich. Wir haben ja noch einiges in der Hinterhand.«
»Ich wünsche dir jedenfalls, dass du Recht bekommst«, sagte Patrick. »Und mir wünsche ich, dass wir beide bald wieder zusammen vorn an der Rezeption stehen, Corinna. Wir sind das beste Team von allen.«
Als er gegangen war, griff sie noch einmal nach dem Zettel mit Ferdinand von Stades Telefonnummern. Sollte sie oder sollte sie nicht?
*
Franziska schlief lange am Tag nach ihrer Rückkehr aus Brasilien. Die Zeitverschiebung machte ihr zu schaffen, dennoch war sie nach wie vor entschlossen, nach Sternberg zu reisen. Sie hatte einen schönen Abend mit ihren Eltern und Carl verbracht, bei dem sich die Gespräche natürlich zunächst nur um ihre Reise gedreht hatten, doch schon bald war Leopold von Sternbergs angebliche Affäre das Hauptthema geworden.
»Allmählich fragen wir uns«, hatte ihr Vater irgendwann gesagt, »ob nicht vielleicht doch etwas dran ist. Es gibt so viele Indizien, die darauf hinweisen, dass Leo tatsächlich eine Affäre mit dieser Frau hatte. Die können ja nicht alle falsch sein.«
»Was für Indizien, Papa?«, hatte Franziska gefragt. »Hat irgendjemand diese angeblichen Fotos und Briefe gesehen?«
»Das nicht, aber sie existieren, das schreiben mehrere Zeitungen, und die sind ja gewöhnlich besser informiert als wir.«
»Ihr könnt sagen, was ihr wollt, ich glaube keine Sekunde an diese Affäre und den angeblichen Sohn. Und ich werde morgen nach Sternberg fahren und fragen, ob ich etwas für Chris und die Kants tun kann.«
»Du willst nach Sternberg?«, hatte ihre Mutter entgeistert gerufen. »Das lass mal lieber bleiben, du solltest dich nicht in diese Geschichte verwickeln lassen, Franzi.«
»Die Sternberger sind meine Freunde, Mama, und ich will sehen, wie es ihnen geht.«
Danach war die Stimmung nicht mehr ganz so entspannt gewesen, und Franziska hatte sich wenig später mit dem Hinweis, sie sei wegen der Zeitverschiebung sehr müde, verabschiedet.
Sie war dann erst sehr spät ins Bett gegangen, jetzt jedoch fühlte sie sich einigermaßen ausgeschlafen. Die Koffer hatte sie zum großen Teil bereits ausgepackt, jetzt wollte sie sich zuerst ein üppiges spätes Frühstück gönnen. Am frühen Nachmittag würde sie dann nach Sternberg fahren und abends wieder zurückkommen, es war ja nicht allzu weit bis dorthin.
Da ihr Kühlschrank leer war, beschloss sie, das Frühstück in einem Café einzunehmen. Anschließend würde sie einkaufen und sich dann in aller Ruhe auf den Weg nach Sternberg machen.
*
Ferdinand von Stade saß an seinem zweiten großen Artikel über Fürst Leopold von Sternbergs Affäre. Oder besser gesagt: Er plante, anhand dieses Beispiels, eine Abhandlung über die moderne Medienwirklichkeit. Natürlich war ihm bewusst, dass die Geschichte vor allem für den fünfzehnjährigen Sohn des verstorbenen Fürstenpaars katastrophal war, aber seine Sympathie gehörte dennoch Corinna Roeder, dieser couragierten Frau, die jetzt für eine bessere Zukunft ihres Sohnes kämpfte.
Nur brauchte er unbedingt ein Interview mit ihr. Sie hatte sich bis jetzt von niemandem interviewen lassen, was er für klug hielt. Sie trat in der Öffentlichkeit praktisch überhaupt nicht in Erscheinung, was sympathisch und bescheiden wirkte. Auch dass sie weiterhin arbeitete, kam bei den Leuten gut an.
Sein Chef hatte ihm grünes Licht gegeben, aber von ihm verlangt, dass er es schaffte, mit Corinna Roeder zu reden. »Die Frau ist im Augenblick eine Garantin für eine hohe Auflage«, hatte er gesagt. »Ein Foto von ihr, schon haben wir zwanzigtausend Zeitungen mehr verkauft. Die Boulevardpresse hat das natürlich längst begriffen und nutzt es nach Kräften aus.«
Ihm widerstrebte es eigentlich, seine Arbeit nach solchen Gesichtspunkten auszurichten, andererseits lag ihm der Erfolg der Zeitung, für die er schrieb, natürlich am Herzen. Also hatte er Corinna Roeder angerufen. Es war nicht einfach gewesen, zu ihr vorzudringen, doch schließlich hatte er es geschafft. Ihre Stimme war angenehm leise gewesen, sie hatte eine kultivierte Art zu sprechen und ihm schließlich versprochen, sich seinen Vorschlag zu überlegen und zurückzurufen. Das hatte sie bis jetzt nicht getan.
Er saß also gewissermaßen wie auf Kohlen. Noch keinen vernünftigen Satz hatte er zu Papier gebracht, weil er sich nicht konzentrieren konnte. Ohne das Interview mit ihr würde es seinen Artikel nicht geben, also arbeitete er möglicherweise für den Papierkorb, und das war nicht motivierend.
Als sich sein Telefon meldete, machte er einen regelrechten Satz. »Roeder«, sagte die Stimme, die er sofort wiedererkannte.
»Und ich dachte, Sie hätten mich vielleicht vergessen.«
»Ich musste mir das gut überlegen, Herr von Stade, dafür haben Sie doch sicherlich Verständnis.«
»Ja, natürlich.«
Atemlos wartete er darauf, dass sie ihm ihre Entscheidung mitteilte. Als sie es schließlich tat, biss er sich fest auf die Lippen, um keinen Triumphschrei auszustoßen.
»Ich bin einverstanden, Herr von Stade. Aber ich möchte das Interview lesen, bevor es veröffentlicht wird, und behalte mir vor, Passagen zu streichen.«
»Dass wir es noch einmal vorlegen, ist bei uns üblich, Frau Roeder.«
»Am besten machen wir es hier im Hotel«, sagte sie.
Er wusste längst, dass sie mittlerweile dort wohnte, behielt sein Wissen aber für sich. »Wann und wo?«, fragte er.
Sie nannte ihm Zeit und Ort und verabschiedete sich. Er konnte nicht umhin, sie auch jetzt wieder