Sophienlust Box 17 – Familienroman. Patricia VandenbergЧитать онлайн книгу.
Einzug in Sophienlust gehalten. Deshalb hatte Denise auch den Entschluss gefasst, den Hund für eine Weile ins Tierheim Waldi & Co. zu geben.
»Ich will das blöde Heim gar nicht sehen«, schrie Bastian.
»Angucken kannst du es dir doch wenigstens. Es gibt dort sogar ein Bärengehege wie in einem richtigen Zoo«, meinte Nick, der eigens mit seiner Mutter von Schoeneich herübergekommen war, um den Transport der Dogge nach Bachenau zu begleiten.
Denise legte sich ins Mittel und redete in ihrer sanften, gütigen Art dem kleinen Burschen zu, bis er sich endlich, wenn auch widerwillig, fügte.
Wiking kletterte artig in den Wagen. Er saß still und kerzengerade wie ein feiner Herr im Auto. Aber eigentlich wirkte er mehr wie ein ausgestopfter Hund. Das jedenfalls raunte Pünktchen Angelika Langenbach ins Ohr, als Denise und Nick ebenfalls einstiegen. Bastian zog ein saures Gesicht und hockte unglücklich neben seinem Hund. Sein Groll hatte sich noch nicht gelegt.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Schon waren sie in Bachenau.
Andrea von Lehn hatte alles getan, um Bastian und seinen Hund würdig zu empfangen. Betti, ihr Hausmädchen, hatte Pflaumenkuchen gebacken und Kakao gekocht.
Wiking benahm sich vorbildlich wie immer und fing mit Severin und Waldi keinerlei Streit an.
»Er wird sich schnell bei uns eingewöhnen«, meinte Andrea zuversichtlich und tätschelte den mächtigen Kopf der Dogge. Dass sie ihren Severin viel schöner fand als Wiking, sagte sie natürlich nicht. Denn sie wollte Bastian nicht kränken. Stattdessen ließ sie von Betti die Tassen füllen und den Kuchen herumreichen.
»Ist meine große Schwester nicht eine prima Hausfrau, Bastian?«, fragte Nick strahlend. Er hatte sich gleich drei Stück Kuchen auf den Teller gelegt.
»Hm, das schon, aber Wiking soll nicht ins Heim.« Bastian hatte den langgestreckten Bau des Tierheims bisher nur aus der Entfernung gemustert, denn zunächst gab es ja Kuchen.
»Es wird dir schon gefallen«, entgegnete Andrea freundlich. »Unsere Tiere fühlen sich alle wohl. Du wirst dich wundern, was wir dir alles zeigen können.«
Bastian antwortete nicht, sondern stopfte sich den Mund trotzig voll Kuchen, den er dann mit Kako hinunterspülte.
Andrea blinzelte ihrer Mutter zu. Es war nun einmal beschlossen, dass Wiking ins Tierheim kam, also würde die Dogge auch hierbleiben, und wenn Bastian noch so viel Theater machte.
Der Junge fing auch bald damit an. Er wollte, dass Wiking an den Tisch geholt wurde und eine Wurst bekam. Doch Denise machte ihm klar, dass die Tiere erst am Abend ihr Futter erhielten. Außerdem hatte Wiking ja mittags in Sophienlust etwas erhalten. Wieder einmal gelang es dem erbosten Bastian nicht, den Kopf durchzusetzen.
Später führte Nick den Jungen zusammen mit Helmut Koster durch das Tierheim. Obwohl der Knirps es nicht recht zugeben mochte, machten ihm die beiden Schimpansen doch großen Spass. Sie waren noch jung und spielten wie übermütige Kinder miteinander. Aber auch das Liliput-Pferdchen gefiel Bastian. Er wollte gar nicht glauben, dass es nicht größer werden sollte. Die Ponys von Sophienlust wirkten dagegen wie richtige große Pferde.
Helmut Koster, der Tierpfleger, der den Widerstand des Jungen spürte, gab sich alle Mühe, Bastians Anteilnahme zu erwecken. »Siehst du, hier kann ich dir etwas besonders Interessantes zeigen«, erklärte er dem Jungen. »Unsere Henne Susi hat sich nämlich im Datum geirrt und noch einmal gebrütet, obwohl wir schon Pflaumen ernten und die Küken normalerweise gar nicht mehr aufwachsen können. Aber ich habe hier eine besondere Wärmeglocke konstruiert. Darunter können sich die Küken verkriechen, sobald es nicht mehr warm genug ist, besonders auch nachts. Ich denke, wir werden sie durchbringen.«
»Und wenn man den Strom abschaltet?«, fragte Bastian wissbegierig.
»Dann wird es zu kalt für die kleinen Küken. Dann werden sie krank oder gehen ein«, erklärte Helmut Koster. »Doch in ein paar Wochen werden sie kräftig genug sein, um mit den anderen Hühnern in den Stall zu gehen.«
»Hm, und wo schläft Wiking?« Bastian schien sich also doch damit abgefunden zu haben, dass der Hund im Heim bleiben sollte.
»Dort! Es ist ein schöner Korb mit einer Decke. Alle Hunde schlafen hier, und jeder hat seinen eigenen Korb. Nur die Dackelfamilie hat eine gemeinsame Schlafstätte. Die Dackel sind nicht zu trennen. Sie liegen wie die Würstchen in der Nacht beisammen.«
»Na ja.« Zufrieden war Bastian nicht. Aber er schimpfte wenigstens nicht mehr. Dann ging er noch einmal zum Affenkäfig und wurde nicht müde, den Schimpansen zuzusehen.
Beim Aufbruch gab es dann aber doch noch eine Szene, die nur dadurch zu beenden war, dass Andrea versprach, Bastian an einem der nächsten Tage noch einmal einzuladen.
»Sobald jemand nach Bachenau fährt, darfst du mitkommen, Bastian, und nachsehen, wie es Wiking geht«, redete sie dem Knirps zu. »Du siehst doch, dass er hier bei mir viel Gesellschaft findet und ganz bestimmt keine Langeweile haben wird.«
»Machst du wieder Kuchen, wenn ich komme, Tante Andrea?«, fragte Bastian.
»Wenn du Glück hast, haben wir Kuchen da. Wenn nicht, wird es vielleicht auch ein Honigbrot tun«, gab Andrea ruhig zurück. »Aber jetzt darfst du die arme Tante Isi nicht länger warten lassen.«
Bastian stampfte ein letztes Mal mit dem kleinen Fuß auf den Boden. »Wir hätten ja nicht zu fahren brauchen. Warum muss mein Wiking denn überhaupt hierher?«
Andrea zog es vor, die ungezogene Frage nicht zu beantworten. Sie nahm Bastian bei der Hand und führte ihn zu ihrer Mutter. »Hier kommt Bastian, Mutti. Wenn jemand von euch morgen oder übermorgen nach Bachenau fährt, dann möchte Bastian gern mitgenommen werden, damit er noch einmal nach Wiking sehen kann. Geht das?«
»Natürlich, Andrea. Der Oberförster kommt morgen bestimmt vorbei. Herr Bullinger macht das schon. Er holt Bastian auch auf dem Rückweg wieder ab.«
»Siehst du, Bastian, du hast großes Glück.«
Doch das finstere Gesichtchen des Jungen hellte sich nicht auf. Dafür bestand er jetzt trotzig darauf, vorn neben Denise zu sitzen. Um keinen weiteren Ärger zu haben, wurde ihm dieser Wunsch sogar erfüllt, und der allzeit freundliche Nicki begnügte sich mit dem Rücksitz.
»Das wäre für den Anfang geschafft«, seufzte Andrea erleichtert, als der Wagen abfuhr. Sie streichelte Wiking, der dem Auto nachblickte. »Bist ein guter Hund, Wiking. Es wird dir schon bei uns gefallen. Aber so fein wie bei der Familie Schlüter brauchst du dich jetzt nicht mehr zu benehmen. Jetzt kannst du mit Severin, Waldi, Hexe und ihren Kindern herumtollen, so viel es dir nur Spaß macht.«
*
»Genug für heute, Frau Schlüter«, sagte der Professor und klappte sein Buch zu.
Angela Schlüter arbeitete seit mehreren Monaten in Heidelberg bei Professor Fabricius als Privatsekretärin. Sie war froh, dass sie als junges Mädchen Stenografie und Maschineschreiben gelernt und anfangs ihrem Mann auch allerlei schriftliche Arbeiten abgenommen hatte. Aber seit er reich geworden war, gab es in seinem Betrieb nichts mehr für sie zu tun. Im Gegenteil, es war Kurt Schlüter jetzt sogar peinlich, wenn er daran erinnert wurde, dass seine Frau ihm einmal geholfen hatte, aus dem kleinen Betrieb ein riesiges Werk aufzubauen. Er tat so, als wäre er von Anfang an der reiche Mann gewesen, dem es auf einen Tausender nicht ankam.
Angela dagegen fürchtete sich vor dem vielen Geld. Sie hatte Kurt aus Liebe geheiratet. Solange sie ihr gutes Auskommen gehabt hatten, aber nicht im Geld geschwommen waren, war ihre Ehe glücklich gewesen. Damals war ihr Mann noch der gewesen, als den ihn auch Alexander von Schoenecker in Erinnerung gehabt hatte: ein zielstrebiger, selbstbewusster Mann, aber weder aufgeblasen noch größenwahnsinnig.
Jetzt zog Angela Schlüter das sauber getippte Blatt aus der Maschine und legte es auf den Stoß der anderen Blätter, die sie bereits nach dem Diktat des Professors geschrieben hatte. Sie war zu stolz und zu verletzt, um von ihrem Mann Geld anzunehmen. Nein, sie konnte ihren Unterhalt selbst verdienen, wenn er sie schon aus dem Haus