Mami Staffel 13 – Familienroman. Lisa SimonЧитать онлайн книгу.
sagte sie leise: »Deine Mutter hatte mit dir immer besondere Pläne.«
Das Kästchen hielt er noch immer, verzog nur ein wenig spöttisch den Mund.
»Ja, sie hatte gehofft, aus Luise von Trott und mir würde ein Paar. Sie konnte nicht laut genug Luises Loblied singen. Denk dir«, er lachte schadenfroh, »Luise kam aus dem Pensionat frühzeitig zurück. Und weißt du warum? Sie bekam ein Kind. Stell dir das vor. Meine Mutter war am Boden zerstört. Hatte sie mich doch oft genug mit ihrer Meinung gequält. War Luise bei uns zu Gast, war ich nicht ritterlich genug, nicht aufmerksam. Sie verlangte sogar von mir, daß ich ihr schrieb.«
Die Freude war in Laura gestorben, sie hatte einen argen Dämpfer bekommen.
»Ich habe euch oft zusammen gesehen, Harro. Hast du sie gern gehabt?«
Er hob die Spieluhr noch einmal auf und legte den Kopf ein wenig schief. Jung Siegfried hatten sie ihn im Dorf genannt.
»Verrückt war ich nach dir. Aber du gingst fort und warst vom Erdboden verschwunden. Vielleicht war ich ein wenig in Luise verliebt.
Aber ich heirate nicht ein Mädchen, das ein Kind mit in die Ehe bringt. Ich habe im ganzen Leben nie das Zweitbeste gewollt.«
Er lachte verführerisch. »Laura, bitte, komm mit mir. Du weißt bestimmt ein tolles Lokal. Wir müssen doch unser Wiedersehen feiern. Mit einem Glas Champagner natürlich. Der beste ist für uns gerade gut genug.«
»Gut. Warte einen Moment, ich muß nur meinem Teilhaber Bescheid sagen. Schließlich können wir nicht einfach den Laden schließen.«
»Tu das. Aber laß dich nicht aufhalten. Sag mir nur rasch, was ich bezahlen muß. Die Kostbarkeit gebe ich nicht mehr aus der Hand. Die Kostbarkeit, die Laura heißt, aber auch nicht«, lachte er. Wie ein Sieger sah er aus. Alles im Leben war ihm bisher geglückt. Die Sache mit Luise war ihm gewiß nicht unter die Haut gegangen.
Sie hatten eine Treppe zur ersten Etage bauen lassen. Oft saßen Kunden auf den Holzstufen, hielten Bücher oder andere Kostbarkeiten in der Hand.
Er betrachtete mit Vergnügen ihre Beine, als sie die Treppe hinauflief, zwinkerte ihr zu und pfiff wie ein Lausejunge. Ja, ein unbeschwerter, vom Schicksal verwöhnter Mann war er.
Seine Worte dröhnten in ihren Ohren, als sie die Tür zu ihrer Wohnung öffnete.
Joachim saß am runden Kirschbaumtisch, der im Erker seinen Platz gefunden hatte. Von hier hatte man einen wundervollen Blick auf den Marktplatz, über das kleine Gäßchen bis zum Park hinüber.
Er hielt die Kleine auf dem Schoß und fütterte sie liebevoll.
»Kam ein Freund von dir?« Seinen klugen Augen blieb nichts verborgen.
»Er ist aus meinem Heimatort. Es ist ein riesengroßer Zufall, daß er in unseren Laden kam. Joachim, er möchte mit mir essen gehen, dabei kann man am besten von alten Zeiten reden.«
»Wie schön für dich. Mach’ dir um Stephanie keine Sorgen. Ich bin glücklich, wenn ich sie für mich allein habe. Wenn du nur Freude hast.«
Seine Augen waren voll Liebe für sie. Aber er hatte auch immer ein wenig Angst.
»Ich fürchte nur, daß es zuviel für dich wird. Soll ich den Laden schließen? Es kann spät werden, und ich weiß genau, daß Stephanie nicht einschlafen will, wenn du mit ihr allein bist. Soll Frau Bauer dir das Abendessen richten?«
Frau Bauer war »das Mädchen für alles«, wie die beleibte Frau sich ausdrückte. Sie machte die beiden Wohnungen sauber, kochte das Mittagessen und ging dann wieder in ihre Wohnung zurück. Joachim achtete eifersüchtig darauf, daß sie sich nicht um Stephanie kümmerte. Stephanie war das große Geschenk seines Alters. Manchmal träumte er, daß Laura heiratete und mit Stephanie fortzog. Er blieb allein zurück. Dann wachte er schweißüberströmt auf, und sein Herz hämmerte schmerzhaft.
»Halt mir die Frau lieber vom Hals«, verlangte er unwirsch. »Mir genügt das Mittagessen, das sie mir kocht. Wenn du es zubereitest, Laura, schmeckt es mir nicht nur, ich habe auch anschließend keine Magenschmerzen.«
»Ihr beiden, sie und du, ihr seid wie Hund und Katze. Es ist doch nur natürlich, daß sie Stephanie hin und wieder auf den Arm nehmen will.« Sie wußte genau, wo die Ursache für seine Abneigung zu suchen war.
»Sie faßt Stephanie mit ihren rauhen Händen viel zu grob an. Und dann drückt sie das Kind… das kann doch nicht gut für Stephanie sein«, behauptete er eifersüchtig. »Nun zieh dich um. Ich weiß zwar nicht, welches Kleid dich noch hübscher macht. Ich wünsche dir einen wunderschönen Abend, Laura. Du hast in der letzten Zeit sehr viel gearbeitet. Da wird dir diese Abwechslung willkommen sein.« Mit einem amüsierten Lachen setzte er hinzu: »Verdreh’ ihm nur nicht den Kopf. Ich glaube, dazu gehört nicht viel. Ich wollte in den Laden kommen, aber als ich auf der ersten Stufe stand, warf ich einen Blick auf ihn. Der Mann hat dich ja mit den Augen verschlungen. Da bin ich leise zurückgegangen. Jetzt scher dich fort. Stephanie, wer wird denn im Brei herummatschen? Siehst du nicht, Laura, daß du uns störst?«
*
Harro sah sich zufrieden in dem Weinlokal um. Er liebte diese vornehme Atmosphäre.
»Sehr geschmackvoll alles. Kann man gar nicht vermuten, wenn man die äußere Fassade sieht. Du kommst oft hierher, nicht wahr?«
»Woraus schließt du das?« Sie setzte sich bequem zurecht. Laura hatte ihr Gleichgewicht zurückgefunden.
Ein guter Freund aus den Kindertagen war aufgetaucht. Sie würden in Erinnerungen schwelgen. Er war da… er würde wieder fortfahren… das war alles.
»Ich hab’ doch Augen im Kopf. Schließlich hat der Kellner dich wie eine gute Bekannte begrüßt und uns den besten Platz gesichert.«
Sie lachte unbeschwert. In ihren braunen Augen fing sich das Kerzenlicht. Ihre langen, dunklen Wimpern zitterten ein wenig, wie Gras im Wind. Herr im Himmel, war diese Frau bezaubernd.
»Falsch getippt, Harro. Er ist ein guter Kunde von uns. Er sammelt Weihnachtsteller. Wenn ich einen habe, rufe ich ihn an.«
Er schüttelte nachsichtig den Kopf. »Ideen haben manche Leute. Aber es ist lieb von dir, daß du nicht vergessen hast, welch einen Sammlertick meine Mutter nährt. Diese Spieluhr wird sie begeistern. Ich weiß allerdings nicht, die wievielte das ist.« Er nahm die Speisekarte und erklärte energisch: »Wir werden das Essen bestellen, natürlich auch einen ausgezeichneten Wein. Und dann wollen wir nicht mehr gestört werden. Ich habe tausend Fragen. Und ich will sie alle beantwortet haben.«
Der Kellner kam, sie gaben ihre Bestellung auf. Bevor er ging, lächelte er Laura noch einmal zu. Harro fand das übertrieben. Heimlich amüsierte Harro sich über sich selbst. Er würde doch wohl nicht auf einen Kellner eifersüchtig sein? Er legte die Ellbogen auf den weißgescheuerten Tisch und schob das blaue Leinenset achtlos zur Seite. Er beugte sich ein wenig vor und stellte fest: »Ich habe vieles von dir in meinem Kopf gespeichert, Laura. Wenn du so aussiehst wie jetzt, deine Augen beinahe schwarz sind, hat dich etwas sehr aufgerührt. So sahst du als kleines Mädchen aus, wenn ich dir helfen durfte.«
Sie schob die unbequeme Regung, die ihr unter die Haut gegangen war, energisch von sich.
»Ist das nicht natürlich? Da taucht ein guter Freund aus der Heimat auf, da werden Erinnerungen wach. Ich müßte ja ein Stockfisch sein, wenn ich nicht ein wenig angeschlagen wäre.«
»Ein Stockfisch bist du ganz sicher nicht. Stockfische sind nicht so schön wie du. Jetzt sag mir nur eines, Laura. Warum um alles in der Welt meidest du unser hübsches Dorf, als herrschte dort die Pest? Ist etwas zwischen deinen Eltern und dir? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Schließlich warst du der Abgott deines Vaters. Er muß doch stolz auf dich sein. Du bist Mitbesitzerin eines bekannten Geschäftes. Ja, bekannt, ich erinnere mich, daß eine Dame auf dem Golfplatz davon sprach.«
Sie drehte das Weinglas zwischen den Fingern. Sie sah einen Moment in die Flüssigkeit hinein. Dann hob sie den Kopf, ihr Lächeln sollte bewußt spöttisch sein.