Sophienlust - Die nächste Generation Staffel 1 – Familienroman. Karina KaiserЧитать онлайн книгу.
der Unterredung sein.
»Wir haben eine ganz wichtige Sache mit dir zu besprechen«, begann Linda. »Du weißt ja schon, dass wir dich gerne als Tochter haben und zusammen eine richtige Familie sein wollen.«
»Ja, das weiß ich, und ich freue mich unheimlich darüber. Aber ihr habt auch gesagt, dass da noch ein großes Problem ist, das ihr erst einmal lösen müsst.«
Linda nickte. »Genau darum geht es. Um dieses Problem zu lösen, brauchen wir deine Hilfe. Ich weiß nicht, ob wir dir das so richtig erklären können.«
»Vielleicht kann ich es versuchen«, bot Nick sich an und wandte sich an Romina. »Du hast mir neulich erzählt, dass du mit deiner Freundin Vanessa manchmal Theater gespielt hast. Dann habt ihr euch verkleidet und seid Prinzessinnen, Hexen oder Elfen gewesen.«
»Ja, das haben wir oft gemacht. Manchmal waren wir auch Schneewittchen und die böse Stiefmutter oder Frau Holle und die Goldmarie.«
»Siehst du, jetzt wird das so ähnlich sein. Du sollst ein bisschen Theater spielen. Dann bist du nicht mehr Romina, sondern Christine. Du hast nie in einem Wohnwagen gelebt, sondern in einem kleinen Haus am Stadtrand. Es gibt da zwei Leute, denen du diese Rolle vorspielen sollst. Meinst du, dass du das schaffen kannst?«
»Natürlich kann ich das. Aber warum soll ich das tun?« Romina blickte fragend in die Runde.
»Siehst du, jetzt kommt das Problem. Mit deiner Tante Linda und deinem Onkel Daniel bekommst du prima Eltern. Aber du könntest auch noch einen Opa und eine Oma bekommen. Die beiden haben aber Angst, dass sie das kleine Mädchen Romina nicht mögen.«
Die Siebenjährige war verwirrt. »Warum sollen die mich nicht mögen? Sie kennen mich doch noch gar nicht. Das geht nicht, dass man jemanden nicht leiden kann, den man gar nicht kennt.«
»Eigentlich nicht, aber Erwachsene sind manchmal etwas komisch. Die beiden Leute sind Tante Lindas Eltern, also deine richtigen Großeltern. Bis vor kurzer Zeit haben sie noch nicht gewusst, dass es dich gibt. Wahrscheinlich hätten sie jetzt nichts gegen dich, wenn dein Opa nicht ein schlimmes Erlebnis gehabt hätte. Es ist schon lange her, aber damals hat er böse Erfahrungen mit Leuten gemacht, die Schausteller waren. Seitdem glaubt er, dass alle Menschen, die auf einem Kirmesplatz in einem Wohnwagen leben, schlechte Menschen sind. Er denkt, dass deren Kinder frech, ungezogen und böse sind. Deshalb will er nichts von seiner Enkeltochter Romina wissen, und seine Frau will das auch nicht. Beide fürchten sich davor, dass diese Romina auch frech und ungezogen sein könnte.«
Die Siebenjährige hatte aufmerksam zugehört. »Ich glaube, ich habe schon begriffen. Ich soll nun Tante Lindas Eltern treffen, und die dürfen nicht wissen, wer ich bin. Deshalb heiße ich Christine und bin kein Kind von der Kirmes. Wenn die beiden dann sehen, dass ich gar nicht frech bin, finden sie mich, also Christine, ganz nett. Wenn sie mich mögen, sagen wir ihnen, dass ich gar nicht Christine, sondern Romina bin. Dann wissen sie, dass nicht alle Kinder von Schaustellern schlecht sind. Wenn alles gut klappt, habe ich dann auch noch richtige Großeltern. Das finde ich gut. Ich hatte nämlich noch nie welche. Papas Eltern sind schon gestorben, als ich noch ganz klein war.«
»Du bist ein sehr kluges Mädchen«, lobte Daniel. »Wir erzählen dir gleich noch, wo wir dieses Theaterstück aufführen wollen und wie sich alles genau abspielen soll. Wenn es nicht klappt, darfst du nicht traurig sein. Es kann nämlich passieren, dass du am Ende doch keine netten Großeltern bekommst. Aber Eltern wirst du auf jeden Fall haben. Das versprechen wir dir.«
»Das ist das Wichtigste«, betonte Romina. »Aber ich glaube, dass unser Plan klappen wird. Ich gebe mir jedenfalls große Mühe. Aber da ist noch etwas. Christine ist kein falscher Name. Ich heiße wirklich so. Meine Eltern haben mich Romina Christine getauft.«
»Das wissen wir«, erwiderte Linda. »Aber meine Eltern wissen nicht, dass du auch den Namen Christine trägst. Das haben sie bis jetzt noch nicht erfahren.«
Romina lächelte verschmitzt.
»Ich freue mich schon richtig auf dieses Theaterstück. Das macht bestimmt großen Spaß. Es ist immer lustig, wenn man ein ganz anderer Mensch sein darf. Kann ich den anderen Kindern erzählen, dass wir meinen Großeltern ein Theaterstück vorspielen?«
Linda und Daniel dachten nach. Nick hingegen sah keine Probleme. »Das kannst du ruhig allen erzählen. Die Kinder können sich nicht aus Versehen verplappern, weil sie deine Großeltern zunächst überhaupt nicht treffen werden. Ich glaube, sie werden begeistert sein, wenn sie von unserem Plan erfahren.
Schon kurze Zeit später stellte sich heraus, dass Nick richtig getippt hatte. Alle Kinder fanden das Vorhaben einfach genial und drückten die Daumen, dass es gelingen würde. Dass Romina neue Eltern bekommen würde, war schon mehr als erfreulich. Zwei nette Großeltern konnte das kleine Mädchen aber durchaus auch gebrauchen.
»Ich hoffe wirklich sehr, dass der Plan gelingt«, meinte Pünktchen. »Wenn es nicht funktioniert, wird Romina bestimmt furchtbar enttäuscht sein und denken, dass sie etwas falsch gemacht hat.«
»Die Marbachs werden ihr dann schon erklären, dass sie keinen Fehler gemacht hat«, entgegnete Martin. »Wenn diese Großeltern Romina weiterhin ablehnen, dann ist es allein ihre Schuld, und dann haben sie eine so nette Enkelin auch gar nicht verdient.« Der Junge machte eine kurze Pause. »Und einen so wunderbaren Hund wie Fabio haben sie dann auch nicht verdient«, fügte er noch hinzu. Pünktchen musste unwillkürlich schmunzeln. Das war wieder einmal typisch Martin. Wenn irgendwo ein Tier im Spiel war, wurde es von Martin niemals vergessen. Er liebte Tiere über alles. Aber er hatte ja recht. Nicht nur Romina war eine glückliche Familie zu wünschen. Auch Fabio hatte es verdient, in einer Gemeinschaft mit möglichst vielen freundlichen Menschen leben zu dürfen.
*
Der Vorschlag, ihr künftiges Enkelkind, das derzeit vorübergehend bei Pflegeeltern lebte, einmal zu besuchen, war von Thorsten und Barbara Ellinger begeistert aufgenommen worden. Sie freuten sich sehr darauf, das kleine Mädchen, das Linda und Daniel adoptieren wollten, schon im Vorfeld sehen zu dürfen.
Als Linda und Daniel mit den beiden in Bachenau eintrafen, war Romina bereits anwesend. Denise hatte sie einige Stunden zuvor nach Bachenau gebracht. Fabio war in Sophienlust geblieben. Sein italienisch klingender Name hätte bei Barbara und Thorsten möglicherweise einen Verdacht aufkommen lassen können.
Romina war ungeheuer aufgeregt. Sie wusste, dass nun alles auf sie und auf die Rolle ankam, die sie zu spielen hatte. Andrea und Hans-Joachim hatten das kleine Mädchen zwischendurch immer wieder beruhigt und ihm versichert, dass es gar keinen Fehler machen konnte. Trotzdem wurde der Siebenjährigen abwechselnd heiß und kalt, als sie die Besucher draußen vor dem Haus aus dem Wagen steigen sah.
»Ich glaube ich habe Lampenfieber«, gestand Romina und griff nach Andreas Hand.
»Ein bisschen Lampenfieber ist gut«, erklärte Andrea lächelnd. »Nur Angst darfst du keine haben. Das brauchst du auch nicht. Ich bin immer ganz nah bei dir. Es kann also gar nichts passieren. Wenn es zu schlimm wird, dann sagst du einfach, dass du schnell einmal zur Toilette musst. So hast du eine Pause und kannst dich ein bisschen erholen. Ich komme dann mit dir und kann dich wieder beruhigen. Außerdem sind deine Tante Linda und dein Onkel Daniel auch noch da. Auch sie werden dir helfen.«
Romina nickte dankbar und betrachtete ihre Großeltern, wie sie aus dem Wagen stiegen. »Eigentlich sehen die ganz nett aus. So schlimm können die nicht sein, dass man Angst vor ihnen haben muss.«
Wenige Minuten später stellte Romina fest, dass Thorsten und Barbara tatsächlich recht sympathisch waren. Nachdem sie Andrea und Hans-Joachim begrüßt hatten, kamen sie freundlich auf sie zu.
»Hallo, du bist also Christine, das nette kleine Mädchen, das bald unsere Enkeltochter sein soll. Wir heißen Thorsten und Barbara Ellinger, und wir freuen uns, dass wir dich heute besuchen dürfen.«
»Ich freue mich auch darüber, dass Sie gekommen sind«, erwiderte Romina. »Tante Linda und Onkel Thorsten haben mir schon eine Menge von Ihnen erzählt. Deshalb war ich schon richtig neugierig. Ich weiß, dass man eigentlich nicht so neugierig sein darf,