100.000 Tacken. Reiner HänschЧитать онлайн книгу.
die gute Giovanna breit lächelnd aus der Küche, und ich kann dann auch ein bisschen rumknutschen. Giovanna ist eine kleine rundliche, sehr herzliche, geradezu mütterliche Person mit einem riesigen Busen, der einem fast die Luft nimmt, wenn sie einen erbarmungslos an sich drückt.
„Ragazzo! Bello!“, schnurrt sie, drückt mir einen Schmatzer auf die Wange, dass ich fast ersticke. „Sstääffii, freu isch mir!“
„Wolle ässe, cari amici, liebe Freunde?“, fragt Gaetano freudig und reibt sich die Hände. Er reibt sich immer die Hände, das ist so eine Angewohnheit von ihm, und manch einer, der ihn nicht kennt und zum ersten Mal seinen Laden betritt, hat vielleicht das Gefühl, dass er ihm in die Falle gegangen ist.
Ja, wollen wir.
„Prego. Il menù!“
Damit schleudert er uns lässig die laminierte Speisekarte auf den Tisch, und bevor wir etwas daraus aussuchen können, weiß er schon, was wir auf jeden Fall nehmen sollen und nimmt uns die Karten schon wieder weg.
Es gibt heute Tortellini Colosseo und Rigatoni della Casa für alle, einen trockenen Weißen und dann noch einen, und es schmeckt wie immer fantastisch. Und Gaetano hat seinen Laden gut geheizt.
„Hast du Geld?“, fragt Steffi.
„Jep!“, sage ich großspurig, weil der Wein schon sehr angenehme Wirkung zeigt. „Über zweihundertausend.“
„Nein, ich meine jetzt zum Bezahlen, natürlich“, sagt sie und schmunzelt, weil wir auf einmal so reich sind. Jetzt hat sie es also auch begriffen und es scheint ihr zu gefallen.
„Ja klar.“
Ich zücke einen Hunderter und Gaetano gibt mir einen Fünfziger zurück. Aufgerundet. Ja, billig ist er nicht, unser italienischer Freund.
„Grazie mille!“
„Gaetano, wir haben ein Haus gekauft!“, sage ich ihm dann stolz, weil ich eigentlich immer allen alles erzähle, wenn es mir auf der Zunge brennt und mich augenblicklich bewegt. Steffi findet das nicht immer gut.
„Eine Chaus?“
„Ja, ein Mietshaus, weißt du?“
„Ooh, meine Bruder hatte so eine Chaus.“
„Unser Haus ist sehr schön. Wohnen viele Leute drin. Alle sehr nett!“
„Auche Ausseländär?“, fragt Gaetano vorsichtig.
„Nur!“
„Oooh, Alessandro“, stöhnt er da und sieht mich außerordentlich bemitleidenswert an, „gibbte nur Ärger! Gibbte nur Ärger! Pericoloso! Gefährelische! Passe auf, dass nisch falle auf Schnauze, liebe Amico!“
Ach was.
„Arrivederci, Gaetano! Arrividerci, Gioavanna!“
Und dann küssen wir uns wieder alle und Gaetano reibt sich die Hände.
Als wir das Sapori Italiani verlassen, freuen wir uns, dass es ein bisschen geschneit hat. Ein sanfter weißer Hauch hat sich über unser Städtchen gelegt und es sieht wunderbar kitschig aus. Puderzucker.
„Oh, Steffi, sieh dir das an! Bald ist Weihnachten!“, sage ich hocherfreut, denke an klingelnde Glöckchen, Paketchen mit goldenen Schleifchen und glitzernde Weihnachtsbäume und rutsche dabei überraschend elegant auf der untersten Stufe aus. Steffi kann mich leider nicht auffangen, weil ihre Reaktionsfähigkeit anscheinend doch etwas gelitten hat, aber zum Glück verfehle ich die tödlichen Spitzen des schmiedeeisernen Geländers von Gaetanos kleiner Treppe um einige Zentimeter mit dem Hinterkopf, so dass ich wohl gerade noch mal davon gekommen bin und nur mit dem Steißbein krachend und hart auf Beton lande.
„Scheiße!“
„Mann, Alex, das war knapp!“
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