Hausgemeinschaft mit dem Tod. Franziska SteinhauerЧитать онлайн книгу.
kurz nach der Hochzeit unter Mordverdacht ins Gefängnis wirft.«
»Rede keinen solchen Unsinn. Wir haben den Abend gemeinsam verbracht! Und mal ganz abgesehen von deinem Alibi – du hattest auch nicht das geringste Motiv, Simone umzubringen! Ich begreife gar nicht, wie man einem so herzensguten Vater wie dir solch ein grausiges Verbrechen unterstellen sollte!«
Paulsson beschloss, seiner zukünftigen Frau die Gründe dafür nicht im Einzelnen zu erläutern. Es war schlimm genug, dass die Polizei sie sich würde zusammenreimen können.
Nun gut, versuchte er sich zu beruhigen, vielleicht fanden die Ermittler ja bald so ein armes Schwein, das nicht intelligent genug war, sich glaubhaft zu verteidigen, sich keinen guten Anwalt leisten konnte und in naher Zukunft in den Knast wanderte. Möglicherweise verhafteten sie einen Schwächling, der unter gnadenloser Dauerbefragung nur allzu bereit war, den Mord zu gestehen, den er nicht begangen hatte. Am Ende fand der den geregelten Tagesablauf hinter Gittern sogar angenehm. Beheizte Zelle, eine warme Mahlzeit am Tag, leichte körperliche Arbeit. Gottwald grunzte wohlig. Ja, das wäre natürlich die beste Lösung. Er konnte dann in aller Ruhe wieder seinen Geschäften nachgehen – und seine Ingelore heiraten.
Auf der anderen Seite bestand natürlich das Risiko, dass die Beamten nicht lockerließen.
Es wäre sicher kein Fehler zu versuchen, einen Betroffenheitsbonus bei ihnen herauszuschinden. Rücksichtnahme dem untröstlichen Vater gegenüber, der sein einziges Kind durch ein Gewaltverbrechen verloren hat! Ihm war durchaus bewusst, dass sein Agieren am frühen Morgen nicht von Geschick und Klugheit geprägt gewesen war. Vielleicht konnte er das bei der nächsten Gelegenheit mit seinem Schock begründen.
Undeutlich spürte er, wie Ingelore damit begann, seinen Oberkörper zu streicheln. Ihre kühlen Finger schoben sein Hemd hoch, krochen über seine heiße Haut.
Er hatte das alles so unglaublich satt gehabt!
Simone hatte sich zu einer echten Belastung entwickelt, zickig und anmaßend.
Ständig versuchte sie, Geld bei ihm locker zu machen. Für dies, für das, für jenes. Die neue Hose, die sie gesehen hatte, ihre alte war nicht mehr angesagt, ein neues Fahrrad – unter einem schnittigen Spitzenbike war nichts verhandelbar, Geld für die Party bei Tom, den super Kino-Abend mit Freunden, den sie ausgeben wollte.
Gottwald entspannte sich unter Ingelores erfahrenen Händen, die sich bereits am Gürtel zu schaffen machten. Er stöhnte verhalten.
Und dann Simones ständiges Beleidigtsein.
Egal wie sehr er sich auch mühte, am Ende gab es für sie immer eine Veranlassung, patzig und übellaunig zu sein. Als er das erste Mal tastend von Plänen erzählte, eine neue Ehe einzugehen, sein Leben wieder mit einer Frau teilen zu wollen, war sie komplett ausgetickt, hatte rumgekreischt und angefangen, systematisch mit dem Geschirr aus dem Vitrinenschrank nach ihm zu werfen. Mehrere tausend Kronen Schaden.
Zum Aufräumen war sie natürlich nicht geblieben.
Hatte ihm vorgeschlagen, er könnte doch sein ›Flittchen‹ kommen lassen und bei der Gelegenheit auch gleich ihre Fähigkeiten im Haushalt überprüfen. An jenem Tag war ihm zum ersten Mal aufgefallen, wie sehr Simone nach Agneta klang. Er konnte ihr Bild deutlich vor sich sehen – Simone in zehn Jahren: schlampig, ungepflegt, zu fett und vollkommen verblödet. Es war höchste Zeit, diese Verbindung zu kappen.
Um die Wogen zu glätten, war er mit ihr in ein Outlet gefahren und hatte ihr vorgeschlagen, sich eine neue Jacke auszusuchen. Am Abend, nach dem üblichen Gezeter Agnetas bei der ›Übergabe‹ Simones, hatte er die Spuren des Wutausbruchs seiner Tochter beseitigt. Das Gefühl, die Angelegenheit gründlich leid zu sein, war geblieben, selbst als alle Scherben entsorgt waren.
»Aaaah, Ingelore«, seufzte er tief, stemmte sein enormes Gewicht aus dem Polster und gurrte an ihrem Ohr, als er ihr erlaubte, ihm die Hose an den Beinen hinabzustreifen.
Agneta Paulsson öffnete die Wohnungstür nur zögernd.
Rotgeränderte, verquollene Augen spähten misstrauisch durch den Spalt ins Treppenhaus.
»Ihr schon wieder?«
»Tut uns leid. Wir haben noch ein paar Fragen«, entschuldigte sich Sven leise.
Sie drehte sich kommentarlos um und verschwand im Flur. Mit schleppenden Schritten erreichte sie das von Zigarettenrauch verhangene Wohnzimmer und fiel dort erschöpft auf die Couch zurück.
Lundquist beobachtete, wie ihre Hand automatisch nach einem abgeliebten Plüschbären griff und ihn an die Brust presste.
Agneta bemerkte seinen Blick und schluchzte: »Das ist Meister Immel. Simone bekam ihn zur Geburt von einer Bekannten aus Deutschland geschenkt. Er hat sie überallhin begleitet. Ich werde ihn ihr mit ins Grab legen.«
»Unser Kind hat auch einen«, murmelte Lars mit belegter Stimme.
»Agneta, wir haben uns inzwischen ein bisschen umgehört. Simone wollte gestern am späteren Abend noch zu einem Treffen …«
»Davon hat sie kein Wort gesagt«, fiel die Mutter Sven ins Wort. »Und ich hätte es auch nicht erlaubt.«
»Hat Simone einen Onkel namens Ingeleif?«
Agneta sprang auf, als sei die Couch plötzlich unerträglich heiß geworden. »Hat ER das behauptet? Ja? Gottwald war noch nie um irgendeine Ausrede verlegen! Er hat euch eingeflüstert, meine Tochter sei noch verabredet gewesen, dabei weiß er ganz genau, dass ich ihr das an Tagen, die sie mit ihm verbracht hat, nie erlaube. Und überhaupt: Es gibt keinen Onkel, der Ingeleif heißt!«
Sven bemerkte, wie Agnetas gesamter Körper vor unterdrückter Wut zitterte. Fest presste sie das Gesicht gegen den Kopf des Bären, schniefte erneut. »Was für ein Quatsch!«
»Diese Information haben wir nicht von Gottwald. Simone hat es einer Freundin erzählt«, sagte Lundquist sanft.
»Dann muss diese Freundin etwas gründlich missverstanden haben!«, gab Simones Mutter heftig zurück.
»Agneta, du hast uns nicht die Wahrheit gesagt. Der Anwalt Gottwalds bestätigt dessen Aussage, dass er die Scheidung eingereicht habe, nicht du.« Sven setzte sich in einen der Sessel, vermittelte den Eindruck, länger bleiben zu wollen.
»Macht das denn einen Unterschied?«, patzte Agneta ungnädig. »Ich hatte mich emotional schon lange vorher von ihm losgesagt.«
»Aber eine rechtliche Trennung hast du nicht angestrebt. Dieser Schritt ging von ihm aus.«
»Ja. Schön! Er hat sich einen Anwalt genommen – so einen schleimigen Widerling. Der hat sich in allen Punkten durchgesetzt – ich war die Verliererin in der Sache«, knurrte sie.
»Das Sorgerecht für Simone hast du bekommen.«
»Ha! Gottwald wollte es so. Er war mit einer Besuchsregelung vollkommen einverstanden! Bloß keine Verantwortung übernehmen müssen!«, polterte die wütende Frau unbeherrscht.
»Es gab also keinen Deal.« Lars trat einen Schritt auf Agneta zu.
Sie wich zurück, sah sich nervös in ihrem Wohnzimmer um, als suche sie nach einem Versteck.
»N-Nein!«, räumte sie zögernd ein. »Nicht direkt. Aber ich wollte nicht, dass er über Simones Leben mitentscheiden konnte – es war genau die Lösung, die ich wollte.«
»Wir wissen, dass du wegen psychischer Probleme in Therapie warst. Willst du uns etwas darüber erzählen?«, schnitt Sven in freundlichem Ton ein neues Thema an.
»Das hat Gottwald euch erzählt! Psychische Probleme! Klar! Die bekommt man zwangsläufig, wenn man mit einem wie ihm verheiratet ist! Das alles war allein seine Schuld! Er hätte in Therapie gehört. So einen schließt man am besten für immer weg! Gottwald ist gemeingefährlich!«
»Wir würden gern mit deinem Therapeuten sprechen.«
»Nur zu!« Außer sich vor Zorn griff sie nach dem Telefon, wählte eine Nummer. »Hier sitzt