Lustvolle Unterwerfung. Arne HoffmannЧитать онлайн книгу.
Mittel verwendet wie außerhalb des SM-Kontexts. Ich hatte noch nie Schwierigkeiten, mir im Beruf oder in der Politik Gehör zu verschaffen, und setze da Selbstinszenierungsmittel auch sehr bewusst ein – das, was man fälschlicherweise Rhetorik nennt. Fern von Manipulation, aber doch sehr bewusst die Stilmittel wählend, die meine Position am besten unterstreichen. Ich glaube also, dass die Frage, warum ein Lehrer akzeptiert wird und der andere wie ein Hanswurst wirkt und warum ein Abteilungsleiter seine Leute im Griff hat und der andere nicht, sehr ähnlich beantwortet werden muss wie die Frage, warum der eine dominant ’rüberkommt und der andere nicht. Von meinem Naturell her wirke ich wohl eher freundlich, nett, lieb, niedlich, und manche bekommen erstaunte Gesichter, wenn ich aufdrehe. Bei mir stimmt das allgemeine Außenbild also offensichtlich nicht mit dem »dominanten« Außenbild überein. Aber die Aussage »und dann konnte ich nicht anders, weil du es wolltest« höre ich öfters. Womit wir wieder am Anfang sind: Selbst glauben, dass man es will. Und es zeigen.
Sven kennt einige weitere Methoden, um seinen Partner psychologisch zu beherrschen:
Sven: Ein paar Grundmechanismen funktionieren in der Kindererziehung und auch bei Unterwerfungspartnerschaften.
• Zuhören. Ich kann Sub genau dann am besten beherrschen, wenn ich weiß, wie sie »tickt«. Ob ich ihr die geheimen Wünsche im Einzelfall erfülle oder nicht, ist dann natürlich mein Ding.
• Konsequent sein. Angedrohte Handlungen wahr machen und nichts androhen, was man nicht auch bereit und in der Lage ist durchzuziehen.
• Keine Überforderung. Sub ruhig mit schwierigen Aufgaben fordern, aber nicht wirklich überfordern. (Im zeitlich begrenzten Spiel ist das meist unproblematisch, bei 24/7- Beziehungen eher schwierig mit der Überforderung.)
• Positiv sein. Wenn ich fröhlich dominiere und sichtbar meinen Spaß daran habe, fällt es Sub leichter, sich unterzuordnen.
• Selbstbewusstsein zeigen. Greinende, nörgelnde Weichei-Tops sind sicher wenig erotisch und ganz bestimmt kein Segen für Sub. Selbstbewusstsein heißt dabei nicht, immer den großen Starken zu mimen, auch wenn einem nicht danach ist, sondern klar zu sich und seinen Gefühlen zu stehen.
• Loben. Nicht nur strafen und tadeln, auch wenn das Teil der erotischen Spannung ist. Subs sind auch nur Menschen und brauchen neben dem Rohrstock auch ihre Streicheleinheiten.
SM-spezifisch fällt mir noch ein:
• Nicht den Erfüllungsclown machen, sondern den eigenen Bedürfnissen ebenso großen Raum geben wie denen von Sub. Die Kombination macht’s und erweitert im Idealfall den Horizont beider.
• Klare Erwartungen formulieren. Das gilt natürlich für beide. Ich meine damit jetzt nicht: »Ich erwarte, dass du jeden Abend um Punkt 23 Uhr meine Pantoffeln holst, den Rohrstock mitbringst und mich demütig um 27,5 Schläge bittest …« Vielmehr sollten die Erwartungen an die ab und zu in Einklang gebracht werden.
• Ab und zu anspielen (gilt auch für beide) und sich nicht sofort entmutigen lassen, wenn Sub müde, gestresst und fertig von der Arbeit ist. Der Alltag schleicht sich sehr schnell ein. Wenn beide viel zu tun haben, bleibt SM manchmal allzu schnell auf der Strecke. Hier empfiehlt es sich gegebenenfalls, stehende Befehle zu implementieren, die Sub und Top immer wieder auch an die Rolle erinnern. (Fragenmüssen vor dem Toilettengang oder dem Hinsetzen sind da sehr beliebt.)
• Sub auch im Alltag gelegentlich aktiv zeigen, dass man(n) Top ist, selbst wenn man es grad nicht schafft, jeden zweiten Abend die Super-Session durchzuziehen.
• Bei einigen funktioniert es auch ganz gut, wenn Top einfach zwischendurch mal von seinen Phantasien erzählt.
Wie gesagt – die goldene Regel gibt es nicht. Mir scheint aber, dass die Rezepte, die bei Vanilla-Beziehungen manchmal funktionieren, auch in einer notwendig sind. Insbesondere alle Aspekte der Kommunikation haben bei Unterwerfungsspielern aufgrund der Tatsache, dass Sub sich sehr verletzlich macht, einen noch höheren Stellenwert als bei den Vanillas.
Nun mag sich mancher überlegen: Wenn der Dominante alles plant, welche Aufgaben und Einflussmöglichkeiten hat dann überhaupt der Devote?
Arne: Diese Frage kann man in wenigen Sätzen nicht erschöpfend beantworten – angefangen bei dem Punkt: Soll man überhaupt von »Aufgaben« reden, ist das nicht viel zu formal und liegt es letztendlich nicht sowieso an beiden gemeinsam, für ihren Spaß und Wohlergehen zu sorgen?
Auch wenn der Top die konkrete Situation ausgestalten kann, liegt es doch immer letztendlich beim Sub einzuschränken, was geht und wo Grenzen liegen. Genau dies ist auch die primäre Aufgabe des Passiven: seine Grenzen zu kennen und sicherzustellen, dass sein Dom sie ebenfalls kennt. Zudem kann er dem Top helfen, indem er ihn grob in seine Phantasien einweiht, ihm sagt, was ihm Spaß macht, und es kann dem Aktiven helfen, in seine Rolle zu finden, wenn sich der Sub auf die Situation einlässt, seinem Dom signalisiert, dass er bereit ist zu dienen und ihn das ganze vielleicht sogar erregt.
Der Dom muss die Grenzen seines Subs kennen und respektieren. Ebenfalls muss er seine eigenen Grenzen setzen, seine Fähigkeiten realistisch einschätzen und Dinge, die er sich nicht zutraut, ablehnen oder auf später verschieben. Auch kann eine solche Grenze sein, eben nicht für das gesamte Leben seines Sub verantwortlich zu sein.
Der Top braucht die Offenheit des Passiven. Wenn er die Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen des Partners nicht kennt und sich lediglich auf seine Intuition verlassen muss, hat er es sehr schwer, das Spiel für sich und seinen Partner befriedigend zu gestalten. Und natürlich ist der Aktive für die Sicherheit der verwendeten Spielzeuge verantwortlich und muss sich überlegen, ob und welche Auswirkungen das gemeinsame Spiel auf den Sub und dessen soziales Umfeld haben.
Beide Partner haben das Recht auf klare Kommunikation vor, während und nach dem Spiel – insbesondere, wenn ein Spiel mal nicht so gut gelaufen ist. Zu Unterwerfungsspielen gehört das Vertrauen in den Partner, dass dessen Freundschaft nicht an ein gutes Ausfüllen der Dom- oder Subrolle geknüpft ist und beide gemeinsam nach einer Lösung für anfallende Probleme suchen, damit zukünftige Spiele noch schöner werden. Auch Tops machen Fehler. Und durch die Bitte »Nimm mich mal in den Arm!« ist man nicht weniger Dom, sondern mehr Mensch.
Generell gilt: Konstruktive Kritik hilft mehr als gegenseitige Vorwürfe.
Deidra: Ein großer Reiz liegt ja darin, dass es innerhalb vorher vereinbarter Grenzen Überraschungen gibt. Dom und Sub sollten vorher besprochen haben, was ungefähr machbar ist. Hier hat Subbi die Möglichkeit, Wünsche zu äußern, was drankommt und was nicht (bzw. feste Tabus zu markieren). Aber es würde viel Spaß nehmen, wenn man vorher wüsste »das und das kommt in der und der Reihenfolge dran«. Innerhalb des Spiels kann der devote Teil Einfluss nehmen, indem er »Stop« sagt (um das Spiel abzubrechen) oder auch während des Spiels Wünsche äußert (betteln um Gnade, Wunsch nach einer besonderen Belohnung, wenn man eine Grenze überschreitet). Inwieweit Dom darauf eingeht, ist eine andere Sache, besonders da so was auch schnell umschlagen kann in eine Abdrängung des Doms in die Rolle als Wunscherfüller. Dies kann auf lange Sicht nicht für beide Seiten wirklich befriedigend sein.
Sven: Die weit verbreitete Vorstellung, dass Sub nichts zu wollen hat und Dom immer alles aus sich heraus schöpft, ist natürlich Unsinn. Klar lasse ich mich als Sub fallen und versuche, das Spiel aufzunehmen. Ich nehme aber Einfluss, wenn ich auf Rückenprobleme oder einschlafende Gliedmaßen hinweise, ich nehme Einfluss über meine Reaktion auf Schmerz oder Demütigung, ich nehme Einfluss durch Ängste und Grenzen, und womöglich nehme ich auch Einfluss durch Rückmeldung.
Es gibt Spielsituationen, die auf mein Wohlbefinden ausgerichtet sind, wo ich durchaus sagen kann, was ich denn gerne als nächstes hätte (auch wenn mir das meistens sehr schwer fällt).
In anderen Situationen kommt es eher auf die »Mitarbeit« von Sub an. Dort ist die Einflussnahme allein schon dadurch gegeben, dass Sub die gestellten Aufgaben mehr oder weniger gut erfüllt.
Last not least nehme ich oft genug (und zum gelegentlichen Leidwesen von Top) über Provokation und Frechheit