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Ecce Homo. Friedrich NietzscheЧитать онлайн книгу.

Ecce Homo - Friedrich Nietzsche


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ich greife nur Sachen an, die siegreich sind, – ich warte unter Umständen, bis sie siegreich sind. Zweitens: ich greife nur Sachen an, wo ich keine Bundesgenossen finden würde, wo ich allein stehe, – wo ich mich allein compromittire … Ich habe nie einen Schritt öffentlich gethan, der nicht compromittirte: das ist mein Kriterium des rechten Handelns. Drittens: ich greife nie Personen an, – ich bediene mich der Person nur wie eines starken Vergrößerungsglases, mit dem man einen allgemeinen, aber schleichenden, aber wenig greifbaren Nothstand sichtbar machen kann. So griff ich David Strauß an, genauer den Erfolg eines altersschwachen Buchs bei der deutschen "Bildung", – ich ertappte diese Bildung dabei auf der That … So griff ich Wagnern an, genauer die Falschheit, die Instinkt-Halb[328]schlächtigkeit unsrer „Cultur", welche die Raffinirten mit den Reichen, die Späten mit den Großen verwechselt. Viertens: ich greife nur Dinge an, wo jedwede Personen-Differenz ausgeschlossen ist, wo jeder Hintergrund schlimmer Erfahrungen fehlt. Im Gegentheil, angreifen ist bei mir ein Beweis des Wohlwollens, unter Umständen der Dankbarkeit. Ich ehre, ich zeichne aus damit, daß ich meinen Namen mit dem einer Sache, einer Person verbinde: für oder wider – das gilt mir darin gleich. Wenn ich dem Christenthum den Krieg mache, so steht dies mir zu, weil ich von dieser Seite aus keine Fatalitäten und Hemmungen erlebt habe, – die ernstesten Christen sind mir immer gewogen gewesen. Ich selber, ein Gegner des Christenthums de rigueur, bin ferne davon, es dem Einzelnen nachzutragen, was das Verhängniß von Jahrtausenden ist. –

      8.

      Darf ich noch einen letzten Zug meiner Natur anzudeuten wagen, der mir im Umgang mit Menschen keine kleine Schwierigkeit macht? Mir eignet eine vollkommen unheimliche Reizbarkeit des Reinlichkeits-Instinkts, so daß ich die Nähe oder – was sage ich? – das Innerlichste, die „Eingeweide" jeder Seele physiologisch wahrnehme – rieche … Ich habe an dieser Reizbarkeit psychologische Fühlhörner, mit denen ich jedes Geheimniss betaste und in die Hand bekomme: der viele verborgene Schmutz auf dem Grunde mancher Natur, vielleicht in schlechtem Blut bedingt, aber durch Erziehung übertüncht, wird mir fast bei der ersten Berührung schon bewußt. Wenn ich recht beobachtet habe, empfinden solche meiner Reinlichkeit unzuträgliche Naturen die [329] Vorsicht meines Ekels auch ihrerseits: sie werden damit nicht wohlriechender ... So wie ich mich immer gewöhnt habe – eine extreme Lauterkeit gegen mich ist meine Daseins-Voraussetzung, ich komme um unter unreinen Bedingungen –, schwimme und bade und plätschere ich gleichsam beständig im Wasser, in irgend einem vollkommen durchsichtigen und glänzenden Elemente. Das macht mir aus dem Verkehr mit Menschen keine kleine Gedulds-Probe; meine Humanität besteht nicht darin, mitzufühlen, wie der Mensch ist, sondern es auszuhalten, dass ich ihn mitfühle ... Meine Humanität ist eine beständige Selbstüberwindung. – Aber ich habe Einsamkeit nöthig, will sagen, Genesung, Rückkehr zu mir, den Athem einer freien leichten spielenden Luft … Mein ganzer Zarathustra ist ein Dithyrambus auf die Einsamkeit, oder, wenn man mich verstanden hat, auf die Reinheit … Zum Glück nicht auf die reine Thorheit. – Wer Augen für Farben hat, wird ihn diamanten nennen. – Der Ekel am Menschen, am „Gesindel" war immer meine größte Gefahr ... Will man die Worte hören, in denen Zarathustra von der Erlösung vom Ekel redet?

      Was geschah mir doch? Wie erlöste ich mich vom Ekel? Wer verjüngte mein Auge? Wie erflog ich die Höhe, wo kein Gesindel mehr am Brunnen sitzt?

      Schuf mein Ekel selber mir Flügel und quellenahnende Kräfte? Wahrlich, in's Höchste mußte ich fliegen, daß ich den Born der Lust wiederfände! –

      Oh ich fand ihn, meine Brüder! Hier im Höchsten quillt mir der Born der Lust! Und es giebt ein Leben, an dem kein Gesindel mittrinkt!

      [330] Fast zu heftig strömst du mir, Quell der Lust! Und oft leerst du den Becher wieder, dadurch, daß du ihn füllen willst.

      Und noch muß ich lernen, bescheidener dir zu nahen: allzuheftig strömt dir noch mein Herz entgegen:

      – mein Herz, auf dem mein Sommer brennt, der kurze, heiße, schwermüthige, überselige: wie verlangt mein Sommer-Herz nach deiner Kühle!

      Vorbei die zögernde Trübsal meines Frühlings! Vorüber die Schneeflocken meiner Bosheit im Juni! Sommer wurde ich ganz und Sommer-Mittag. –

      – ein Sommer im Höchsten mit kalten Quellen und seliger Stille: oh kommt, meine Freunde, daß die Stille noch seliger werde!

      Denn dies ist unsre Höhe und unsre Heimat: zu hoch und steil wohnen wir hier allen Unreinen und ihrem Durste.

      Werft nur eure reinen Augen in den Born meiner Lust, ihr Freunde! Wie sollte er darob trübe werden? Entgegenlachen soll er euch mit seiner Reinheit.

      Auf dem Baume Zukunft bauen wir unser Nest; Adler sollen uns Einsamen Speise bringen in ihren Schnäbeln!

      Wahrlich, keine Speise, an der Unsaubere mitessen dürften! Feuer würden sie zu fressen wähnen und sich die Mäuler verbrennen.

      Wahrlich, keine Heimstätten halten wir hier bereit für Unsaubere! Eishöhle würde ihren Leibern unser Glück heißen und ihren Geistern!

      [331] Und wie starke Winde wollen wir über ihnen leben, Nachbarn den Adlern, Nachbarn dem Schnee, Nachbarn der Sonne: also leben starke Winde.

      Und einem Winde gleich will ich einst noch zwischen sie blasen und mit meinem Geiste ihrem Geiste den Athem nehmen: so will es meine Zukunft.

      Wahrlich, ein starker Wind ist Zarathustra allen Niederungen: und solchen Rath räth er seinen Feinden und Allem, was spuckt und speit: hütet euch, gegen den Wind zu speien! ...

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