QuerDenken. Wolfgang A. KasperЧитать онлайн книгу.
können.
Kreativität und QuerDenken? Ja, bitte!
Die beiden amerikanischen Psychologen und Erziehungswissenschaftler Mihaly Csikszentmihalyi und Howard Gardner, namhafte Experten auf dem Feld der Kreativitätsforschung, haben überzeugend nachgewiesen, dass „kreative Intelligenz“ konsequent mit dem Thema „Problemlösung“ zu tun hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich eine kreative Persönlichkeit bei der Problemlösung auf sich selbst, auf andere Personen oder auf einen Gegenstand bezieht. Immer wieder führt ein überraschender Einfall – der in der Regel das Ergebnis eines längeren internalen Prozesses ist – dazu, dass eine zuvor gestellte Frage beantwortet oder ein bestimmtes Problem gelöst wird.
Aus unserer Sicht handelt es sich bei „Kreativität“ um eine natürlich vorkommende, humane Ressource, welche
– die intuitive Intelligenz einzelner Personen oder ganzer Organisationen einsetzt, um anstehende Aufgaben zu erkennen und zu bewältigen,
– das individuelle und soziale Neugierverhalten nutzt, um aktuelle Probleme wahrzunehmen und nachhaltig zu lösen,
– neue Ideen und Einfälle generiert sowie bereits vorhandene neu kombiniert und somit etwas ganz Neues schafft.
Erfahrungsgemäß verfügen alle Menschen über ein mehr oder minder stark ausgeprägtes Maß an Kreativität. Es kann allerdings in der Tat vorkommen, dass man selbst vorübergehend in seinem Ideenfluss eingeschränkt und gehemmt ist. Dann gilt es konsequent Mittel und Wege zu finden, um sich von dieser Blockade zu befreien und alsbald in einen guten Kontakt mit der eigenen Kreativität zu kommen.
Genau dazu möchte Ihnen „QuerDenken“ verhelfen, indem es
– Tools und Strategien an die Hand gibt, die es Ihnen in Zukunft ermöglichen werden, immer wieder in einen beständigen Ideenfluss zu gelangen, wann immer Sie es wünschen und für nützlich erachten,
– erlaubt, kontinuierlich kreative Auszeiten zu nehmen und Distanz zu Kreativitätsblockaden einzunehmen,
– Ihre schon immer vorhandene Kreativität abbildet und Sie befähigt, optimale Rahmenbedingungen zu entwickeln, so dass sich Ihre intelligenten Problemlösungen von selbst entfalten können.
Was es mit Kreativität auf sich hat
Erste Annäherungen an einen schillernden Begriff
Die allgemeinen Vorstellungen von „Kreativität“ decken einen weiten Bereich ab. Sie beziehen sich auf genial begabte Literaten, Künstler und Musiker bis hin zu den als kreativ geltenden Grafikern, Designern und Werbefachleuten. Ursprünglich ganz auf den musisch-künstlerischen Bereich bezogen, scheint Kreativität Ausdruck besonders begabter Genies und Zeichen elitärer Berufe zu sein, ohne dass es hier für die überwiegende Mehrheit der Menschheit etwas zu erlernen und sich anzueignen gäbe. Kreativität wurde etwas Besonderes, und nicht jede und jeder verfügt darüber. Kreativität hat man oder man hat sie eben nicht – so könnte ein landläufiges Vorurteil lauten. Also nichts für jedermann?
Oder doch? Nicht erst seit dem Mitte der 90er-Jahre erschienenen Bestseller „Emotionale Intelligenz“ von D. Goleman gibt es Hinweise darauf, dass Führungskräfte in der Wirtschaft wichtige unternehmerische Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“ treffen. Solche Entscheidungen bedeuten nicht ein irrationales, auf spontane Emotionen gegründetes Verhalten, sondern beinhalten nach Abwägung sämtlicher sachlich-inhaltlicher Gesichtspunkte eine Entscheidungsqualität, die rational begründete und kreativ-intuitive Kompetenzen kombiniert und vereint. Kreativität scheint ein Zusammenwirken von Gaben zu sein, die in der Regel alle Menschen haben. Es bleibt jetzt nur noch miteinander zu kombinieren, was vorher noch nicht in Beziehung gebracht wurde. Das würde heißen: Jeder Mensch kann auf seine ganz persönliche Weise sehr wohl kreativ sein.
Ein Blick in den Brockhaus verhilft zu einer vorläufigen Definition von Kreativität: Kreativität ist „schöpferisches Vermögen, das sich im menschlichen Handeln oder Denken realisiert und einerseits durch Neuartigkeit oder Originalität gekennzeichnet ist, andererseits aber auch einen sinnvollen und erkennbaren Bezug zur Lösung technischer, menschlicher (…) Probleme aufweist.“
Dabei stammt „kreieren“ von dem lateinischen Wort „creare“, was so viel wie „schaffen“, „schöpfen“ und „erzeugen“ heißt. In biblischer Tradition ist die „Kreatur“ das von seinem göttlichen Schöpfer geschaffene und somit ins Leben gerufene Wesen. Mit dem biblischen Schöpfungsauftrag, dass der Mensch die Erde „bebauen und bewahren“ solle, ist der Grundstein gelegt für die „schöpferische“ Schaffenskraft aller menschlichen Kreatur.5 Ein Blick in die aktuelle Literatur zu diesem Thema zeigt eine weitgehende Übereinstimmung in der Beschreibung von Kreativität – sei sie individueller oder organisationeller Natur. Exemplarisch seien die beiden folgenden Definitionen aufgeführt:
„Demnach ist Kreativität die Fähigkeit, neue Lösungen bzw. neue Ideen zu finden“ (Knieß, S. 1);
„Kreativität als Potential des Menschen, als Ausdruck für Problemlöse- und Kombinationsfähigkeit, als Gestaltungsbedürfnis, wird zum Schlüsselfaktor unternehmerischer Produktions- und Leistungsherstellung“ (Blumenschein/Ehlers, S. 11).
Gerade diese beiden Zitate zeigen, dass Kreativität ein Wechselspiel mehrerer Eigenschaften zu sein scheint: Findigkeit, Kombinationsgabe, Gestaltungsfähigkeit und das Verlassen alter, ausgetretener Geleise.
Die Anfänge der Kreativitätsforschung
Obwohl sich die wissenschaftliche Psychologie seit mehr als hundert Jahren mit den Möglichkeiten der Lokalisierung und Messung menschlicher Intelligenz beschäftigt und auf diesem Gebiet breite Forschung betrieben wird, gilt dies für den Bereich der Kreativität nicht annähernd in einem vergleichbaren Umfang. Vielmehr führt diese bis heute tendenziell ein Schattendasein innerhalb der Forschung. Dem Thema kann man sich also nur Schritt für Schritt annähern.
Eine erste Wende in der Kreativitätsforschung bildete der bekannte „Creativity“-Vortrag des Psychologen J. P. Guilford 1950 in den USA, der die Einführung von Testverfahren zur Evaluation von Kreativität vorschlug. Er prägte auch das Bild von einem „divergenten“ Denken, das charakteristisch für kreative Persönlichkeiten sei, gegenüber einem „konvergenten“ Denken, das auf logisch ableitbare, korrekte Lösungen abziele und damit Ausdruck notwendiger Routine sei. In der Folge stieg das wissenschaftliche Interesse an dem Phänomen Kreativität deutlich an. Nicht zuletzt der „Sputnikschock“ in den USA, der durch den Start des ersten Satelliten der damaligen Sowjetunion ausgelöst worden war, führte zu einer verstärkten Förderung neuer, intelligenter und kreativer Köpfe.6 Eine bis heute in vielen Abwandlungen genutzte intuitiv-kreative Technik ist das schon 1963 von Alex Osborn entwickelte Brainstorming („Ideenwirbel“), das vielfach in Gruppensituationen bei der Ideensuche eingesetzt wird.
Zu den bedeutenden Entwicklern von Kreativitätstechniken ist ebenfalls Edward de Bono7 zu zählen, der den Begriff des „lateralen“ oder „spielerischen“ Denkens geprägt hat, das am ehesten mit „QuerDenken“ übersetzt werden könnte. Dabei geht es um eine möglichst vielfältige, mitunter unkonventionelle Suche nach neuen Lösungen, die sich mit herkömmlichen (mentalen) Methoden nicht immer erschließen lassen.
Bis in die Gegenwart ist die interessante Frage nach dem Zusammenhang zwischen Intelligenz und Kreativität in der Forschung völlig ungeklärt: Ist Intelligenz eine notwendige Voraussetzung für Kreativität oder nur eine hinreichende Bedingung, damit Menschen einfallsreich und innovativ werden können? Demgegenüber mehren sich die Stimmen, die die klassische IQ-Forschung hinter sich lassen und ein multiples Modell der Intelligenz favorisieren und dabei die Annahme einer „kreativen Intelligenz“ vertreten.8
In jüngster Zeit zeichnen sich vor dem Hintergrund neuer Untersuchungsmethoden in der Gehirnforschung beziehungsweise