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Buddenbrooks. Thomas MannЧитать онлайн книгу.

Buddenbrooks - Thomas Mann


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war sehr still und feierlich hier oben um diese Nachmittagsstunde. Ein paar Vögel schwatzten, und das leise Rauschen der Bäume vermischte sich mit dem des Meeres, das sich dort tief unten ausbreitete und in dessen Ferne das Takelwerk eines Schiffes zu sehen war. Geschützt vor dem Winde, der bislang um ihre Ohren gespielt hatte, empfanden sie plötzlich eine nachdenklich stimmende Stille.

      Tony erkundigte sich: »Kommt der oder geht er?«

      »Wie?« fragte Morten mit seiner schwerfälligen Stimme … und als ob er aus irgendeiner tiefen Abwesenheit erwachte, sagte er rasch: »Geht! Das ist der ›Bürgermeister Steenbock‹, der nach Rußland fährt. – Ich möchte nicht mit«, setzte er nach einer Pause hinzu. »Dort muß es noch empörender zugehen als bei uns!«

      »So!« sagte Tony. »Nun gedenken Sie wieder mit den Adligen anzufangen, Morten, ich sehe es Ihrem Gesichte an. Es ist nicht schön von Ihnen … Haben Sie jemals einen gekannt?«

      »Nein!« rief Morten beinahe entrüstet. »Gott sei Dank!«

      »Ja! ja, sehen Sie wohl? Ich aber. Ein Mädchen allerdings, Armgard von Schilling dort drüben, von der ich Ihnen schon erzählte. Nun, sie war gutmütiger als Sie und ich, sie wußte kaum, daß sie ›von‹ hieß, sie aß Mettwurst und sprach von ihren Kühen …«

      »Sicherlich gibt es Ausnahmen, Fräulein Tony!« sagte er eifrig. »Aber hören Sie … Sie sind eine junge Dame, Sie sehen alles persönlich an. Sie kennen einen Adligen und sagen: Aber er ist doch ein braver Mensch! Gewiß … aber man braucht gar keinen zu kennen, um sie alle zu verurteilen! Denn es handelt sich um das Prinzip, wissen Sie, um die Einrichtung! Ja, darauf müssen Sie schweigen … Wie? Jemand braucht nur geboren zu werden, um ein Auserlesener und Edler zu sein … der verächtlich auf uns anderen herabblicken darf, … die wir mit allen Verdiensten nicht auf seine Höhe gelangen können?…« Morten sprach mit einer naiven und gutherzigen Entrüstung; er versuchte, Handbewegungen zu machen, sah selbst, daß sie ungeschickt waren, und unterließ sie wieder. Aber er redete fort. Er war in Stimmung. Er saß vorgebeugt, einen Daumen zwischen den Knöpfen seiner Joppe, und gab seinen gutmütigen Augen einen trotzigen Ausdruck … »Wir, die Bourgeoisie, der dritte Stand, wie wir bis jetzt genannt worden sind, wir wollen, daß nur noch ein Adel des Verdienstes bestehe, wir erkennen den faulen Adel nicht mehr an, wir leugnen die jetzige Rangordnung der Stände … wir wollen, daß alle Menschen frei und gleich sind, daß niemand einer Person unterworfen ist, sondern alle nur den Gesetzen untertänig sind!… Es soll keine Privilegien und keine Willkür mehr geben!… Alle sollen gleichberechtigte Kinder des Staates sein, und wie keine Mittlerschaft mehr existiert zwischen dem Laien und dem lieben Gott, so soll auch der Bürger zum Staate in unmittelbarem Verhältnis stehen!… Wir wollen Freiheit der Presse, der Gewerbe, des Handels … Wir wollen, daß alle Menschen ohne Vorrechte miteinander konkurrieren können und daß dem Verdienste seine Krone wird!… Aber wir sind geknechtet, geknebelt … was wollte ich eben sagen? Ja, passen Sie auf: Vor vier Jahren sind die Bundesgesetze über die Universitäten und die Presse erneuert worden – schöne Gesetze! Es darf keine Wahrheit niedergeschrieben oder gelehrt werden, die vielleicht nicht mit der bestehenden Ordnung der Dinge übereinstimmt … Verstehen Sie? Die Wahrheit wird unterdrückt, sie kommt nicht zum Worte … und warum? einem idiotischen, veralteten, hinfälligen Zustande zuliebe, der, wie jedermann weiß, früher oder später ja dennoch abgeschafft werden wird … Ich glaube, Sie begreifen diese Gemeinheit gar nicht! Die Gewalt, die dumme, rohe, augenblickliche Polizistengewalt, ganz ohne Verständnis für das Geistige und Neue … Nein, von allem abgesehen will ich nur noch eines sagen … Der König von Preußen hat ein großes Unrecht begangen! Damals, anno dreizehn, als die Franzosen im Lande waren, hat er uns gerufen und uns die Konstitution versprochen … wir sind gekommen, wir haben Deutschland befreit …«

      Tony, die ihn, das Kinn in die Hand gestützt, von der Seite betrachtete, überlegte einen Augenblick ernstlich, ob er selbst wohl wirklich geholfen haben könne, Napoleon zu vertreiben.

      »… aber meinen Sie, daß das Versprechen eingelöst worden ist? Ach nein! – Der jetzige König ist ein Schönredner, ein Träumer, ein Romantiker, wie Sie, Fräulein Tony … Denn eines müssen Sie beachten: Wenn die Philosophen und Dichter eine Wahrheit, eine Anschauung, ein Prinzip soeben wieder überwunden und abgetan haben, dann kommt allmählich ein König, der nun gerade dabei angelangt ist, der nun gerade dies für das Neueste und Beste hält und sich danach benehmen zu müssen glaubt … Ja, so ist es mit dem Königtum bestellt! Die Könige sind nicht nur Menschen, sie sind sogar höchst mittelmäßige Menschen, sie sind immer um mehrere Postmeilen zurück … Ach, mit Deutschland ist es gegangen, wie mit einem Burschenschafts-Studenten, der zur Zeit der Freiheitskriege seine mutige und begeisterte Jugend hatte und nun zum kläglichen Philister geworden ist …«

      »Jaja«, sagte Tony. »Alles gut. Aber lassen Sie mich das eine fragen … Was geht Sie das eigentlich an? Sie sind ja gar kein Preuße …«

      »Ach, das ist alles eins, Fräulein Buddenbrook! Ja, ich nenne Ihren Familiennamen, und zwar mit Absicht … und ich müßte eigentlich noch ›Demoiselle‹ Buddenbrook sagen, damit Ihnen Ihr ganzes Recht wird! Sind bei uns etwa die Menschen freier, gleicher, brüderlicher als in Preußen? Schranken, Abstand, Aristokratie – hier wie dort!… Sie haben Sympathie für die Adligen … soll ich Ihnen sagen warum? Weil Sie selbst eine Adlige sind! Ja–ha, haben Sie das noch nicht gewußt?… Ihr Vater ist ein großer Herr, und Sie sind eine Prinzeß. Ein Abgrund trennt Sie von uns anderen, die wir nicht zu Ihrem Kreise von herrschenden Familien gehören. Sie können wohl einmal mit einem von uns zur Erholung ein bißchen an der See spazieren gehen, aber wenn Sie wieder in Ihren Kreis der Bevorzugten und Auserwählten treten, dann kann man auf den Steinen sitzen …« Seine Stimme war ganz fremdartig erregt geworden.

      »Morten«, sagte Tony traurig. »Nun haben Sie sich doch geärgert, wenn Sie auf den Steinen saßen! Ich habe Sie doch gebeten, sich vorstellen zu lassen …«

      »Oh, Sie nehmen die Sache wieder als junge Dame, zu persönlich, Fräulein Tony! Ich spreche doch im Prinzip … Ich sage, daß bei uns nicht mehr brüderliche Menschlichkeit herrscht als in Preußen … Und wenn ich persönlich spräche«, fuhr er nach einer kleinen Pause mit leiserer Stimme fort, aus der aber die eigentümliche Erregung nicht verschwunden war, »so würde ich nicht die Gegenwart meinen, sondern eher vielleicht die Zukunft, … wenn Sie als eine Madame So und So einmal endgültig in Ihrem vornehmen Bereich verschwinden werden und … man Zeit seines Lebens auf den Steinen sitzen kann …«

      Er schwieg, und auch Tony schwieg. Sie blickte ihn nicht mehr an, sondern nach der anderen Seite, auf die Bretterwand neben ihr. Es herrschte ziemlich lange eine beklommene Stille.

      »Erinnern Sie sich«, fing Morten wieder an, »daß ich Ihnen einmal sagte, ich hätte eine Frage an Sie zu richten? Ja, die beschäftigt mich seit dem ersten Nachmittage, als Sie hier ankamen, müssen Sie wissen … Raten Sie nur nicht! Sie können unmöglich wissen, was ich meine. Ich frage ein anderes Mal, bei Gelegenheit; es hat keine Eile, es geht mich im Grunde gar nichts an, es ist bloß Neugierde … Nein, heute will ich Ihnen nur das eine verraten … etwas anderes … Sehen Sie mal.«

      Hierbei zog Morten aus einer Tasche seiner Joppe das Ende eines schmalen, buntgestreiften Bandes hervor und sah mit einem Gemisch von Erwartung und Triumph in Tonys Augen.

      »Wie hübsch«, sagte sie verständnislos. »Was bedeutet das?«

      Morten aber sprach feierlich: »Das bedeutet, daß ich in Göttingen einer Burschenschaftsverbindung angehöre – nun wissen Sie es! Ich habe auch eine Mütze in diesen Farben, aber die habe ich für die Ferienzeit dem Gerippe in der Polizistenuniform aufgesetzt … denn hier dürfte ich mich nicht damit sehen lassen, verstehen Sie … Ich kann doch darauf rechnen, daß Sie reinen Mund halten? Wenn mein Vater von der Sache erführe, so gäbe es ein Unglück …«

      »Kein Wort, Morten! Nein, auf mich können Sie zählen!… Aber ich weiß gar nichts davon … Sind Sie alle gegen die Adligen verschworen?… Was wollen Sie?«

      »Wir wollen die Freiheit!« sagte Morten.

      »Die Freiheit?«


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