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Buddenbrooks. Thomas MannЧитать онлайн книгу.

Buddenbrooks - Thomas Mann


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reichte ihm keineswegs die Hand: Er ließ nur kurz und ruckartig seinen schweren Oberkörper ein wenig nach vorne fallen, als wollte er sagen: So macht man es ja wohl!

      Zwischen Morten und seiner Mutter hindurch ging Herr Grünlich gemessenen Schrittes zur Tür hinaus.

       Inhaltsverzeichnis

      Thomas erschien mit der Krögerschen Kalesche. Der Tag war da.

      Der junge Herr kam um zehn Uhr des Vormittags und nahm einen kleinen Imbiß mit der Familie in der Wohnstube. Man saß beieinander wie am ersten Tage; nur daß der Sommer dahin war, daß es zu kalt und windig war, in der Veranda zu sitzen und daß Morten fehlte … Er war in Göttingen. Tony und er hatten nicht einmal ordentlich Abschied voneinander genommen. Der Lotsenkommandeur hatte dabeigestanden und gesagt: »So, Punktum. Hü.«

      Um elf Uhr stiegen die Geschwister in den Wagen, an dessen hinterem Teile Tonys großer Koffer festgeschnallt worden war. Sie war blaß und fröstelte in ihrer weichen Herbstjacke vor Kälte, Müdigkeit, Reisefieber und einer Wehmut, die dann und wann plötzlich in ihr aufstieg und ihre Brust mit einem drängenden Schmerzgefühl erfüllte. Sie küßte die kleine Meta, drückte der Hausfrau die Hand und nickte Herrn Schwarzkopf zu, als er sagte: »Na, vergessen Sie uns nicht, Mamselling. Und nichts für ungut, was?«

      »So, und glückliche Reise und beste Empfehlungen an den Herrn Papa und die Frau Konsulin …« Dann schnappte der Schlag ins Schloß, die dicken Braunen zogen an, und die drei Schwarzkopfs schwenkten ihre Tücher …

      Tony drückte den Kopf in die Wagenecke und sah zum Fenster hinaus. Der Himmel war weißlich bedeckt, die Trave warf kleine Wellen, die schnell vor dem Winde dahineilten. Dann und wann prickelten kleine Tropfen gegen die Scheiben. Am Ausgang der »Vorderreihe« saßen die Leute vor ihren Haustüren und flickten Netze; barfüßige Kinder kamen herbeigelaufen und betrachteten neugierig den Wagen. Die blieben hier …

      Als der Wagen die letzten Häuser zurückließ, beugte Tony sich vor, um noch einmal den Leuchtturm zu sehen; dann lehnte sie sich zurück und schloß die Augen, die müde und empfindlich waren. Sie hatte in der Nacht fast nicht geschlafen vor Erregung, war früh aufgestanden, um ihren Koffer in Ordnung zu bringen, und hatte nicht frühstücken mögen. In ihrem ausgetrockneten Munde hatte sie einen faden Geschmack. Sie fühlte sich so hinfällig, daß sie es nicht einmal versuchte, die Tränen zurückzudrängen, die jeden Augenblick langsam und heiß in ihre Augen emporstiegen.

      Kaum hatte sie ihre Lider geschlossen, als sie sich wieder in Travemünde in der Veranda befand. Sie sah Morten Schwarzkopf leibhaftig vor sich, wie er zu ihr sprach, sich nach seiner Art dabei vorbeugte und hie und da einen anderen gutmütig forschend ansah; wie er lachend seine schönen Zähne zeigte, von denen er ersichtlich gar nichts wußte … und es wurde ihr ganz ruhig und heiter dabei zu Sinn. Sie rief sich alles ins Gedächtnis zurück, was sie in vielen Gesprächen von ihm gehört und erfahren hatte, und es bereitete ihr eine beglückende Genugtuung, sich feierlich zu versprechen, daß sie dies alles als etwas Heiliges und Unantastbares in sich bewahren wollte. Daß der König von Preußen ein großes Unrecht begangen, daß die Städtischen Anzeigen ein klägliches Blättchen seien, ja selbst, daß vor vier Jahren die Bundesgesetze über die Universitäten erneuert worden, das würden ihr fortan ehrwürdige und tröstliche Wahrheiten sein, ein geheimer Schatz, den sie würde betrachten können, wann sie wollte. Mitten auf der Straße, im Familienkreise, beim Essen würde sie daran denken … Wer weiß? vielleicht würde sie ihren vorgezeichneten Weg gehen und Herrn Grünlich heiraten, das war ganz gleichgültig; aber wenn er zu ihr sprach, würde sie plötzlich denken: Ich weiß etwas, was du nicht weißt … Die Adeligen sind – im Prinzip gesprochen – verächtlich!

      Sie lächelte zufrieden vor sich hin … Aber da, plötzlich, vernahm sie in dem Geräusch der Räder mit vollkommener, mit unglaublich lebendiger Deutlichkeit Mortens Sprache; sie unterschied jeden Laut seiner gutmütigen, ein wenig schwerfällig knarrenden Stimme, sie hörte mit leiblichem Ohr, wie er sagte: »Heute müssen wir beide auf den Steinen sitzen, Fräulein Tony …«, und diese kleine Erinnerung überwältigte sie. Ihre Brust zog sich zusammen vor Wehmut und Schmerz, ohne Gegenwehr ließ sie die Tränen hervorstürzen … In ihren Winkel gedrückt, hielt sie das Taschentuch mit beiden Händen vors Gesicht und weinte bitterlich.

      Thomas, seine Zigarette im Munde, blickte ein wenig ratlos auf die Chaussee hinaus.

      »Arme Tony!« sagte er schließlich, indem er ihre Jacke streichelte. »Du tust mir herzlich leid … ich verstehe dich so gut, siehst du! Aber was ist da zu tun? Dergleichen muß durchgemacht werden. Glaube mir nur … ich kenne das auch …«

      »Ach, du kennst gar nichts, Tom!« schluchzte Tony.

      »Na, sage das nicht. Jetzt steht es zum Beispiel fest, daß ich Anfang nächsten Jahres nach Amsterdam gehe. Papa hat eine Stelle für mich … bei van der Kellen & Comp. … Da werde ich Abschied nehmen müssen für lange, lange Zeit …«

      »Ach, Tom! Ein Abschied von Eltern und Geschwistern! Das ist gar nichts!«

      »Ja –!« sagte er ziemlich langgedehnt. Er atmete auf, als ob er noch mehr sagen wollte und schwieg dann. Indem er die Zigarette von einem Mundwinkel in den anderen wandern ließ, zog er eine Braue empor und wandte den Kopf zur Seite.

      »Und es dauert ja nicht lange«, fing er nach einer Weile wieder an. »Das gibt sich. Man vergißt …«

      »Aber ich will ja gerade nicht vergessen!« rief Tony ganz verzweifelt. »Vergessen … ist das denn ein Trost?!« –

       Inhaltsverzeichnis

      Dann kam die Fähre, es kam die Israelsdorfer Allee, der Jerusalemsberg, das Burgfeld. Der Wagen passierte das Burgtor, neben dem zur Rechten die Mauern des Gefängnisses aufragten, er rollte die Burgstraße entlang und über den Koberg … Tony betrachtete die grauen Giebelhäuser, die über die Straße gespannten Öllampen, das Heilige-Geist-Hospital mit den schon fast entblätterten Linden davor … Mein Gott, alles das war geblieben, wie es gewesen war! Es hatte hier gestanden, unabänderlich und ehrwürdig, während sie sich daran als an einen alten, vergessenswerten Traum erinnert hatte! Diese grauen Giebel waren das Alte, Gewohnte und Überlieferte, das sie wieder aufgenommen und in dem sie nun wieder leben sollte. Sie weinte nicht mehr; sie sah sich neugierig um. Das Abschiedsleid war beinahe betäubt, angesichts dieser Straßen und dieser altbekannten Gesichter darin. In diesem Augenblick – der Wagen rasselte durch die Breite Straße – ging der Träger Matthiesen vorüber und nahm tief seinen rauhen Zylinder ab mit einem so bärbeißigen Pflichtgesicht, als dächte er: Ich wäre ja wohl ein Hundsfott …!

      Die Equipage bog in die Mengstraße ein und die dicken Braunen standen schnaubend und stampfend vorm Buddenbrookschen Hause. Tom war seiner Schwester aufmerksam beim Aussteigen behilflich, während Anton und Line herbeieilten, um den Koffer herunterzuschnallen. Aber man mußte warten, bevor man ins Haus gelangte. Drei mächtige Transportwagen schoben sich soeben dicht hintereinander durch die Haustür, hochbepackt mit vollen Kornsäcken, auf denen in breiten schwarzen Buchstaben die Firma »Johann Buddenbrook« zu lesen war. Mit schwerfällig widerhallendem Gepolter schwankten sie über die große Diele und die flachen Stufen zum Hofe hinunter. Ein Teil des Kornes sollte wohl im Hinterhause verladen werden und der Rest in den »Walfisch«, den »Löwen« oder die »Eiche« wandern …

      Der Konsul kam, die Feder hinterm Ohr, aus dem Kontor heraus, als die Geschwister die Diele betraten, und streckte seiner Tochter die Arme entgegen.

      »Willkommen zu Hause, meine liebe Tony!«

      Sie küßte ihn und sah ihn mit Augen an, die noch verweint waren und in denen etwas wie Scham zu lesen war. Aber er war nicht böse, er erwähnte kein Wort. Er


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