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Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern. Karen GravanoЧитать онлайн книгу.

Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern - Karen Gravano


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viele der ersten Immigranten sehr hart, aber sie waren Ausländer und fanden kaum Arbeit. Also fingen sie an, zu stehlen und zu rauben und was sonst noch notwendig war, um ihre Familien durchzubringen.

      Als diese Männer begannen, viel Geld zu verdienen, ernteten sie großen Respekt, und viele der jüngeren Männer wollten Teil der Organisation sein, die inzwischen Mafia genannt wurde. Auch ich wollte dazugehören, Nick«, erklärte mein Vater.

      »Ich blickte so sehr zu dieser Bruderschaft auf, dass ich genau wie sie sein wollte, selbst wenn das bedeutete, nicht immer das Richtige zu tun. Es gefiel mir, dass es Regeln gab, eine Struktur und eine Organisation. Für mich war es, als wäre ich in der Armee, und die Cosa Nostra wurde zu meiner Regierung.«

      Meine Tochter sagte kein Wort, sie hörte nur zu.

      »Hast du einmal jemanden umgebracht?«, fragte Nicholas mit leiser Stimme.

      »Ja, das habe ich, aber Gott gefällt das nicht, Nick. Deshalb bin ich hier drin. Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich, dass ich den einfachen Weg gewählt habe. Alles, was ich in meinem Leben je getan habe, geschah nur, weil ich meiner Familie ein besseres Leben bieten wollte. Und weil ich Fehler begangen habe, bin ich hier im Gefängnis gelandet. Ich lebe jeden Tag mit meinen Taten. Also sieh zu, dass das alles nicht ganz umsonst war. Sieh zu, dass du nie hier drin landest.«

      Bevor wir das Gefängnis an jenem Tag verließen, nahm mein Vater Nicholas beiseite. »Du musst Papa Bull eines versprechen. Du wirst immer ein braver Junge sein und dich um deine Tante kümmern, deine Kusine Karina und deine Oma. Geh’ immer zur Schule. Das ist wichtig. Wenn etwas zu einfach aussieht, dann schlag einen anderen Weg ein.«

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      Ich war neun Jahre alt, als ich meinen Vater zu verdächtigen begann, ein Gangster zu sein. Es war Sonntag, und Papa hatte uns alle ins Auto gepackt, um einen Nachmittag lang auf Hausbesichtigungstour zu gehen. Er liebte es, durch verschiedene Viertel zu fahren, uns Häuser zu zeigen, die ihm gefielen, und über seine Renovierungsideen zu reden. An jenem Sonntag fuhren wir in Todt Hill herum, einer wohlhabenden Gemeinde am südlichen Ende von Staten Island, in der Ärzte, Rechtsanwälte und »Geschäftsleute« ihre Häuser hatten.

      Mama saß mit Papa und meinem kleinen Bruder Gerard auf der Vorderbank, mich hatte man hinten angeschnallt. Mein Vater hatte gerade die Renovierungsarbeiten an einem Dreizimmer-Haus fertig gestellt, das er für uns gekauft hatte. Es lag in Bulls Head, einer vornehmlich von Arbeitern bewohnten Gegend auf der anderen Seite der Verrazano-Narrows Brücke und nicht weit von der Wohnung, in der wir in Bensonhurst, Brooklyn, zur Miete gewohnt hatten.

      Mein Vater war besessen vom Bauen und Umbauen. Jede Bleibe, in der wir je lebten, nahm er auseinander und gestaltete sie neu. Wir hatten kaum das Eigentum an unserem neuen Haus erworben, da machte er sich schon an eine Runderneuerung, riss Wände ein und verbesserte die künftige Wohnqualität, etwa durch hübsche Fliesen aus Europa.

      Mein Bruder und ich besuchten die örtliche staatliche Schule, die PS 60. Meine Mutter begleitete mich jeden Tag dorthin. Ich hatte einige gute Freunde dort, aber Papas Freund Louie Milito meinte immer, er solle mich an der privaten Grundschule »auf dem Hügel« unterbringen. Seine eigene Tochter Dina besuchte sie, ebenso wie Dori LaForte. Doris Großvater war ein wichtiges Mitglied der Familie Gambino. Auf dem »Hügel« säumten hübsch herausgeputzte Häuschen die steilen Straßen. Die Gegend lag etwa zehn Minuten von unserem Dreizimmerhaus am Leggett Place entfernt. Wer etwas auf sich hielt, wohnte auf dem »Hügel«.

      Ein Haus in dieser feineren Gegend gehörte Paul Castellano, einem Gangsterboss der Familie Gambino. Auf einer unserer sonntäglichen Expeditionen zeigte Papa es uns. Es war ein gewaltiges Monster von einem Haus, das in dem Viertel seinesgleichen suchte. Es war viel prächtiger und aufwändiger verziert. Mit seinem schmiedeeisernen Tor, unglaublich akkurat geschnittenen Rasenflächen und einem gigantischen Springbrunnen inmitten der breiten, kreisrunden Einfahrt voller teurer Autos ähnelte es mehr einer italienischen Villa oder einem Museum.

      Es musste ein Vermögen gekostet haben. Das Anwesen, das einen ganzen Block einzunehmen schien, wurde durch ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem mit Überwachungskameras abgeschirmt.

      »Wow«, sagte ich. »Was macht denn Paul beruflich, dass er so ein großes Haus hat?«

      »Er ist im Baugewerbe«, erwiderte mein Vater.

      Ich erinnere mich, wie froh ich darüber war, dass mein Vater in derselben Branche tätig war wie Paul, weil wir dann eines Tages eine ähnliche Villa beziehen könnten. Papa sagte nichts davon, dass Paul sein Boss in einer der größten, blutrünstigsten und am meisten gefürchteten Familien New Yorks war – auch nicht, dass im »Baugewerbe« niemandem ein kleines Häuschen gebaut wurde, sondern dass damit organisiertes Verbrechen, Gaunerei und Erpressung gemeint waren. Er erwähnte nicht, dass ein Geschäftsmann wie Paul mit dem Leben anderer Menschen spielte. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich diesen Aspekt des Geschäfts kennen lernte.

      Im Herbst desselben Jahres verkündete mein Vater, dass für mich ein Schulwechsel anstehe. Er wolle, dass ich eine bessere Bildung erhalte, daher habe er mich an der prestigeträchtigen Staten Island Academy angemeldet. Ich war wütend, weil ich mich von meinen Freunden trennen musste, und hatte Angst, dass mich die Kinder an der Privatschule vielleicht nicht akzeptieren würden. Ich war gerade ein paar Wochen dort, da lud mich eine Klassenkameradin zum Spielen zu sich nach Hause ein. Sie lebte so nah bei der Schule, dass wir von ihrem Hof aus den Spielplatz sehen konnten. Es war ein schöner Tag, und wir waren draußen auf dem Rasen vor dem Haus. Ihre Mutter war gerade hineingegangen, um uns Limonade zu machen, als meine neue Freundin etwas sehr Verblüffendes kundtat.

      »Meine Mutter und mein Vater sagen, dass in dem Haus dort ein großer Gangster wohnt«, sagte sie und zeigte über die Straße auf das Castellano-Anwesen.

      Ich wusste, dass Paul Papas Freund war. Ich zählte zwei und zwei zusammen. Wenn Paul Castellano ein Gangster war, dann war mein Vater auch einer. Er benahm sich nur nicht wie ein Gangster. Meine Vorstellung eines Gangsters war Vito Corleone, der fiktive Mafiaboss aus Der Pate. Der Film war sogar ein paar Blocks von meiner Schule entfernt gedreht worden.

      An jenem Nachmittag wurde ich allerdings nicht zum ersten Mal mit der Möglichkeit konfrontiert, dass mein Vater »Verbindungen« haben könnte. Als ich sechs war, fand ich im Schlafzimmer meiner Eltern in unserer Wohnung an der 61. Straße in Bensonhurst eine Pistole. Mama war gerade in der Küche und ich amüsierte mich damit, einige meiner Lieblingsbücher unter ihrem Bett zu verstecken. Dabei entdeckte ich die Pistole, die Papa unter die Matratze gesteckt hatte. Ich wusste, dass Papa während des Vietnamkriegs in der Armee gedient hatte, weil ich seine Hundemarken gesehen hatte. Ich fragte mich also, ob dies ein Souvenir aus dem Krieg war. Ich rannte in die Küche und fragte meine Mutter, was es mit dieser erstaunlichen Entdeckung auf sich habe.

      »Mami, hat Papa eine Pistole, weil er in der Armee war?«

      »Ja«, war alles, was ihr darauf einfiel.

      Am nächsten Tag gab ich vor meinen Schulfreunden an und erzählte ihnen, mein Vater habe eine Pistole unter dem Bett, weil er in der Armee gewesen sei. Meine Lehrerin hörte das zufällig und ging direkt zu meiner Mutter. Als Papa davon erfuhr, war er nicht böse. Er befahl mir lediglich, nie wieder mit jemandem darüber zu sprechen.

      Mein Vater hatte diese gewisse »Coolness« an sich. Er war schicker als die Väter der anderen Kinder. Er trug Sweatshirts und Goldketten und hatte Tätowierungen: Jesus auf dem einen Arm und eine Rose auf dem anderen. Dazu trug er mitten auf der Brust noch einen kleinen Diamanten. Er besaß Nachtclubs und blieb immer sehr lange aus. Einige seiner Freunde waren Türsteher. Sie sprachen anders als die Väter der anderen Kinder an der Schule und kleideten sich auch anders. Sie hatten Geldbündel in ihren Taschen und brachten immer Geschenke mit – und wenn es auch nur eine Schachtel Gebäck am Sonntag war.

      An den Wochenenden nahm mich mein Vater manchmal mit in »den Club« in Bensonhurst. Damals wusste ich es noch nicht, aber es war ein örtlicher Mafiatreff, auch bekannt als »Geselligkeitsverein« für Männer.


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