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Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern. Karen GravanoЧитать онлайн книгу.

Mafiatochter - Aufgewachsen unter Gangstern - Karen Gravano


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sprachen, mein Großvater hingegen nicht.

      Als Großvater Gravano einst nach New York gekommen war, hatte er eine Arbeit als Anstreicher gefunden. Ich weiß nicht, wie er meine Großmutter kennen lernte, doch als sie heirateten, arbeitete sie als Näherin.

      Durch den ständigen Kontakt mit Farbe holte sich mein Großvater eine Bleivergiftung, also musste meine Großmutter, eine ehrgeizige und hart arbeitende Frau, die Familie durchbringen. Der Boss meiner Großmutter half ihr, eine Kleiderfabrik in Bensonhurst zu eröffnen, und mein Großvater half ihr bei den Geschäften. Ich erinnere mich, dass meine Großmutter immer hübsche Kleider trug. Sie ging viel zu Fuß, sodass sie ihre gute Figur behielt.

      Meine Großeltern bekamen erst relativ spät Kinder, was durch eine Reihe von Fehlgeburten bedingt war. Schließlich zeugten sie drei Kinder, zunächst die beiden Töchter Jeannie und Fran, dann einen Sohn, Salvatore. Papas Eltern nannten ihn »Sammy«, weil er seinem Onkel Sammy so stark ähnelte. Den Namen behielt er. Er war das »Baby« meiner Großmutter.

      Meine Großeltern hatten zwar keine Verbindungen zur Mafia, in direkter Nachbarschaft lebten aber viele Mitglieder der Organisation. In Sizilien, wo die Cosa Nostra gegründet worden war, beschützen die Mafiosi ihr jeweiliges Viertel. Als sie aus Italien nach Amerika kamen, fanden sie, sie sollten dort dasselbe tun. Deshalb wurden sie in den Gemeinden geachtet. Großvater Gravano war mit der Kultur der Mafia vertraut und begegnete ihren Mitgliedern stets mit dem notwendigen Respekt.

      Wenn mein Großvater und mein Papa auf dem Weg zur Kleiderfabrik waren, saßen die Mafiosi immer vor den Gesellschaftsvereinen. Sie kannten meinen Großvater mit Namen und begrüßten ihn stets freudig auf der Straße. Mein Vater war neugierig, woher mein Großvater sie kannte. Mein Großvater erklärte, dass sie keine hart arbeitenden, netten Leute seien. »Es sind schlechte Leute, aber es sind unsere schlechten Leute«, pflegte er zu sagen.

      Er erklärte meinem Vater, dass sie diejenigen seien, an die sich die italienische Gemeinde wandte, wenn es Probleme zu lösen gebe. Den Italienern gegenüber bestünden große Vorurteile, daher fänden es die Italiener besser, sich um ihre Angelegenheiten so zu kümmern, wie sie es in der alten Heimat getan hätten. Er machte ihm unmissverständlich klar, dass man die Mafiosi zwar respektieren, ihnen aber besser aus dem Weg gehen solle.

      Mein Vater sagte, er sei eines jener Kinder gewesen, die auf dem Spielplatz der Schule ständig in eine Schlägerei geraten seien. Er war ein lausiger Schüler und deshalb gnadenlos gehänselt und gedemütigt worden. Die einzige Möglichkeit, sich Respekt zu verschaffen, habe darin bestanden, etwas draußen zu regeln, vor der Tür. Dort ließen ihn die Tyrannen in Ruhe. Als mein Papa in der vierten Klasse war, blieb er sitzen, weil er angeblich eine Lernschwäche hatte. Er war ein starker Legastheniker, doch seine Lehrer hielten ihn für geistig zurückgeblieben. Er versuchte, es mit einem Lachen abzutun, indem er den Klassenclown spielte. Die Fäuste zu gebrauchen und Stänkerer zu Boden zu schlagen, war jedoch leichter und befriedigender, also wurde jeder, der ihn hänselte, nach der Schule verprügelt.

      Zu Sammys zehntem Geburtstag kauften ihm meine Großeltern ein neues Fahrrad. Es wurde von ein paar Jugendlichen gestohlen, doch Sammy entdeckte es eine Woche später auf der Straße gegenüber vom Gesellschaftsverein. Als er es sich wieder holen wollte, nahm er es mit den beiden Jungs auf, die die Herausgabe verweigerten. Er schlug sich tapfer, was ihm von einigen Mafiosi, die das Ganze beobachteten, den Namen »Little Bull« – kleiner Stier einbrachte.

      Als mein Vater dreizehn war, bekam er einen Eindruck von der Macht der Mafia. Eines Tages war er in der Kleiderfabrik und half meinem Großvater bei der Lohnabrechnung, als zwei irisch aussehende Schlägertypen das Büro betraten. Sie behaupteten, sie kämen von der Gewerkschaft und bedrohten meinen Großvater. Sie sagten, er müsse entweder Schmiergeld zahlen oder den Laden gewerkschaftlich organisieren, ansonsten werde man ihm die Beine brechen. Mein Vater war entsetzt, wie respektlos sie mit ihm umsprangen. Sein Vater aber sagte, alles sei in Ordnung, Zuvito werde sich darum kümmern.

      Sammy wusste, dass Zuvito ein alter, gebrechlicher Mann aus der Nachbarschaft war. Er konnte gegen zwei wütende irische Bullenbeißer gewiss nichts ausrichten. Seine Kumpel von den Rampers gaben ihm eine Pistole und rieten ihm, die beiden Typen umzupusten. Am Montagmorgen kamen die beiden Männer wie angekündigt in die Kleiderfabrik. Diesmal jedoch waren sie äußerst freundlich und entschuldigten sich sogar. Sie sagten, sie hätten nicht gewusst, dass Zuvito Gerrys compadre sei. Alles war gut, und alle schüttelten sich die Hände.

      Sammy war verblüfft. Sein Vater sagte ihm abermals, dass er sich keine Sorgen machen müsse. Zuvito sei ein mächtiger Mann, ein schlechter Kerl, aber »unser schlechter Kerl«.

      Als Sammy seinem Vater die Pistole zeigte, geriet Gerry in Wut. Zornig blickte er seinen Sohn an, nahm die Waffe an sich und sagte, die Gravanos seien ehrliche, gesetzestreue Leute. Er sagte, wenn sie Probleme hätten, dann gingen sie zu Leuten wie Zuvito und bäten um Hilfe. Mein Großvater schlug ihn zwar nicht, aber mein Vater sagte, es habe nicht mehr viel gefehlt.

      Schließlich erfuhr Sammy die Wahrheit: Zuvito und die anderen Typen, die vor den Gesellschaftsvereinen herumlungerten, waren Gangster. Er beschloss, ebenfalls diesen Lebensstil zu wählen. Die Kämpfe auf dem Spielplatz eskalierten. Schulisch war er ein Totalversager. Als er sechzehn war, mussten ihn seine Eltern von der Schule nehmen. Seine formale Bildung war damit beendet.

      Mein Vater zog ohnehin das Leben mit den Rampers vor. Das Leben in einer Straßenbande war aufregend und brachte den wagemutigen Mitgliedern eine Menge Geld ein. Viele Rampers träumten davon, sich der Mafia anzuschließen. Mein Vater war ein »Gutverdiener«, was bedeutete, dass er das Zeug zum Gangster hatte. Er war loyal, machte einen Haufen Geld, war eine Führernatur und konnte anderen, wenn nötig, eine Abreibung verpassen.

      Bald schon fiel er Joe Colombo auf, dem Haupt der Familie Colombo. Colombo erinnerte sich daran, dass mein Vater ein paar Jahre zuvor seine beiden Söhne in einem Kino zusammengeschlagen hatte. Colombo hegte deshalb keinen Groll gegen ihn. Im Gegenteil: Es gefiel ihm, dass er von ihnen abgelassen und sie nicht krankenhausreif geschlagen hatte. Colombo machte Sammy und seinen Rampers-Kumpel Tommy Spero zu »Mitarbeitern« seiner Organisation. Als Mitarbeiter unterstanden beide den »gemachten« Mitgliedern der Mafia. Um »gemacht« zu werden, musste ein Mitarbeiter von einem »gemachten« Mann vorgeschlagen werden. Damals waren die »Bücher« der Mafiafamilien seit über elf Jahren geschlossen. Die beiden jungen Männer hofften, aufgenommen zu werden, wenn man sie wieder aufschlug.

      Mein Vater wurde der Bande von Thomas »Shorty« Spero, Tommys Onkel, zugeteilt. Sein erster Job war ein Raub in einem Bekleidungsgeschäft, seine zweite Aufgabe bereits eine Bank. Nach diesen beiden Überfällen wurde er festgenommen, entging jedoch einer Verurteilung, weil die Augenzeugen ihre Aussagen widerriefen.

      Als mein Vater bereits seit zwei Jahren Mitarbeiter der Familie Colombo war, verlangte man zum ersten Mal von ihm, jemanden umzubringen. Mit fünfundzwanzig Jahren schoss er seinem ersten Opfer Joe Colucci zwei Mal in den Hinterkopf, während im Hintergrund ein Stück von den Beatles lief. Es hieß, Colucci, ebenfalls ein Mitarbeiter der Familie, wolle Sammy töten, also erhielt Sammy vom Colombo-Capo Carmine Persico die Erlaubnis, ihm zuvorzukommen. Um vier Uhr morgens, nachdem sie die ganze Nacht lang durch die Clubs gezogen waren, stiegen Joe, Sammy, Tommy Spero und ein Typ namens Frankie in ein Auto. Sammy saß hinten, und Joe saß vor ihm auf dem Beifahrersitz. Mit hoher Geschwindigkeit rasten sie den Belt Parkway in Brooklyn hinab, und Sammy feuerte aus dem fahrenden Wagen zwei Kugeln in Joes Kopf. Dann wies er den Fahrer an, in einem Wohngebiet zu halten, wo er Joe mit dem Gesicht nach unten auf die Straße warf. Er feuerte weitere drei Schüsse auf die Leiche ab, um ganz sicher zu gehen, dass Joe auch wirklich tot war.

      Anschließend wurde Sammy viel mehr respektiert. In gewissen Kreisen hatte er nun einen Ruf und ein Prestige. Er musste nicht länger Schlange stehen, um in Clubs oder Discos zu gelangen, und die Bosse mochten ihn. Er war auf dem besten Wege, ein Mafioso zu werden.

      Sammy blieb nicht lange bei der Familie Colombo. Ralph und Shorty Spero waren ein bisschen eifersüchtig über die Aufmerksamkeit, die er genoss, und sorgten sich, er könnte noch vor Shortys Neffen, dem jungen Tommy, »gemacht« werden. Mit dem Segen aller wurde mein Vater der Familie Gambino anempfohlen, wo


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