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Hölle auf zwei Rädern. Kerrie DrobanЧитать онлайн книгу.

Hölle auf zwei Rädern - Kerrie Droban


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erschoss er Leute oder schlitzte sie auf, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen. Als er nicht mehr gehen oder Bike fahren konnte, bastelte er sich einen Totenkopfstock aus einem Eispickel.

      „Man merkte nie, wenn er sich von hinten anschlich“, bemerkte Saint.

      Das stimmte. Einmal wurde der Tattoo-Shop von Saint das zufällige Ziel einer Ballerei. Terrible saß im Stuhl, die Hände auf seinen Stock gestützt, während die Kugeln um ihn herum flogen. Einige davon schlugen in die Wand knapp über seinem Kopf ein. Saint spachtelte die Löcher nie zu. Sie stellten eine Art Tribut an Terribles verrückten Mut dar.

      Abgesehen von Onkel Russell war es das erste Mal, dass ich wirklich jemanden vermisste – und ich vermisste Terrible, weil er etwas präsentierte: Weihnachten. Geschenke spielten an diesen Festtagen keine Rolle, denn niemand schenkte mir was. Allerdings stand ich einen herrlich langen Tag im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wir telefonierten ein oder zwei Minuten mit Leuten, einfach nur um ihnen zu zeigen, dass es andere Menschen in dieser Welt gab, denen sie etwas bedeuteten. Vor meinem geistigen Auge kann ich immer noch Terrible sehen, sein Gesicht vom goldenen Schein einer Kerze erleuchtet und die zerknitterten 20 Dollar Telefongeld in der Hand. Er hielt den Hörer dicht an das Ohr gepresst. Mit unsicheren Fingern wählte er die Nummern der Clubmitglieder.

      „Hey Alter, wünsch dir frohe Weihnachten.“ Klick.

      Die Stunden zogen nur so vorüber. Wenn Terrible seine Anrufe machte und sich dabei versicherte, dass die Kumpels ein weiteres Jahr überlebt hatten, strahlte das eine andächtige Atmosphäre aus. Keiner war erstochen oder erschossen worden oder im Gefängnis gelandet, hatte sich eine Überdosis gesetzt oder wurde von der Diabetes unter die Erde gebracht. Das war wirklich ein Grund zum Feiern! Während Terrible sein Ritual zelebrierte, spielte ich mit Mum ein Kartenspiel – War. Wir saßen auf einem Haufen Kissen, draußen schneite es, und ich schmiedete Pläne, wie ich das Spielzeug der Nachbarskinder stehlen könnte. Ich müsste es vor Mum verstecken, würde es freudig betrachten und mir einreden, dass ich genau so gut bin wie alle anderen Kids.

      „Hey Alter, das tut mir leid. Muss ’n schwerer Verlust sein“, tönte Terribles dröhnende Stimme aus dem Hintergrund, was sich wie ein schlecht eingestellter Rundfunksender anhörte.

      Nach Terribles Einäscherung erwiesen die Pagans ihm die letzte Ehre, indem sie im Clubhaus in der Stadt, vor dem sie auf einer Koppel Hühner und einen Ziegenbock hielten, Bier tranken und Angel Dust rauchten. Abgemagerte Hunde streunten über das Gelände. Ich schlich mich nach draußen, um frei atmen zu können, und hoffte, dass mich niemand bemerkt.

      Ohne ersichtlichen Grund waren um mich herum Schlägereien entbrannt. Der Anlass dafür lag bei den von Drogen induzierten Halluzinationen, durch die die Leute Dinge sahen, die gar nicht da waren – Schattenmenschen, Geister und sogar Terrible, der mit halb weggeblasenem Kopf auf dem Schaukelstuhl sitzt. Keiner sprach über ihn. Das aufrichtige Mitleid drückte sich in Gewaltschüben aus. Evil Ed saß im Schneidersitz auf einem Heuballen mitten in dem Gehege. Er heulte den Mond an: „Terrible!!!“ Er fand keine anderen Worte. Stattdessen schüttelte er die Bierdose und goss sich alles über den Kopf.

      „Teeeerrrible!!!“

      „Halt dein verdammtes Maul.“

      Evild Ed blickte erschrocken zu Bull, einem Dachdecker und ehemaligen Pagan, mit einem Gesicht wie rohes Fleisch. Bull, der eine Zeit lang mit Maria verheiratet gewesen war, verprügelte mich regelmäßig als Kind, jagte mich mit einer Kette und einem Baseballschläger durch den eisigen Keller, bis ich eines Morgens vor ihm stand – mit einem abgesägten Schrotgewehr.

      „Du hättest ihn wegblasen sollen“, meinte ein Freund viele Jahre später.

      „Vielleicht.“ Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern, obwohl ich mir damals überhaupt nicht vorstellen konnte, einen Menschen zu töten.

      „Was hätten sie denn gegen dich unternehmen können?“ Er runzelte die Stirn.

      „Stimmt. Ich steckte ja schon in einer Art Knast.“

      „Für dich hätte ich den Typen um die Ecke gebracht“, dröhnte Terribles Stimme wie ein Dämon in meinen Gedanken.

      „Das hier mache ich für dich, Kid.“ Mühselig kam Evil Ed auf die Beine, zerschlug seine Bierpulle an einem Stein und begutachtete sein Werk – eine scharfe Klinge aus Glas! Die Szene erinnerte mich an einen Western, in dem zwei alte Cowboys sich schließlich auf einer staubigen Straße mitten im Nirgendwo gegenüber stehen. Bulls schmierige Haare hingen in seinem Gesicht wie eine zerfetzte Kopfbedeckung. Seine tätowierten Arme baumelten herunter. Er schrie. Die Venen zeichneten sich an seinem Hals ab. Bull wirkte wie ein sich zusammen brauender Wüstensturm, und ich musste an meine Kindheit denken. Kein Wort, nur unheilvolle Geräusche. Wie damals schaltete ich ab, wurde zu einem unbeteiligten Beobachter. Evil Ed ging zum Angriff über und fuhr Bull mit einem Hieb durchs Gesicht. Er wollte ihn nicht töten, ihm nur eine Narbe verpassen, so wie Bull auch mir Narben verpasst hatte. Jedes Mal, wenn Bull in den Spiegel gaffte, sollte er daran denken. Für dich hätte ich den Typen um die Ecke gebracht! Wieder hallten Terribles Worte in meinem Kopf.

      Eine tiefe Schnittwunde zog sich durch die Haut unterhalb von Bulls Auge. Das Blut lief tränengleich sein Gesicht runter. Wie gelähmt stand ich da. Andere Biker kamen, hämmerten mit dem Griff ihrer Pistolen auf seinen Schädel, bis er zu Boden ging, traten ihm den Kiefer ein und pressten seinen Kopf in den Dreck, bis er um Luft rang. Evil Ed riss Bull an den Haaren hoch und drehte ihn zu meiner Seite. „Das hier ist für dich, Kid“, wiederholte Evil Ed. Bull, über und über mit Dreck verschmiert, japste nach Luft. „Kill ihn, kill ihn, kill ihn“, ertönten die Worte in einem Rhythmus, der dem Gesang eines Indianerstamms ähnelte. Nach Sekunden hatten sie eine fieberhafte Intensität erreicht. Evil Ed grinste zu mir herüber und schnitt Bull in einem dramatischen Finale das Ohr ab.

      Mit einem unwirklichen Heulen schnellten Bulls Hände an den Kopf. Blut sickerte zwischen seinen Fingern durch. Die anderen Biker wandten sich von Evil Ed ab und lösten sich in Angel-Dust-Wolken auf. Ed mühte sich auf die Beine, schlug sich den Staub von der Hose und warf den Flaschenrest auf einen Müllhaufen. In aller Seelenruhe hob er das blutige und mit Dreck beschmierte Ohr auf, kniete sich vor Bull, schaute ihm erbarmungslos in die Augen und sagte: „Vielleicht wird dich mein Geschrei jetzt nicht mehr so stören.“

      Mir war zum Kotzen zumute und ich stand wie angewurzelt vor der Wand. Ich konnte das Bild nicht aus meinem Gedächtnis löschen – Bull, zusammengekauert auf dem Boden, gefangen in einem nicht enden wollenden Schmerzensschrei.

      Es war spät, schon nach Mitternacht, und höchste Zeit abzuhauen. Karl und Mum torkelten zum Wagen, bis zum Anschlag voll mit Angel Dust.

      „Lass mich fahren.“ Ich schnappte mir die Schlüssel aus Karls Händen. Nur wegen ihm wollte ich nicht in einem Crash sterben – einen Scheiß würde ich!

      „Los, in den Wagen.“ Karl versetzte mir einen Schubs.

      „Gib mir die verfluchten Schlüssel.“ Ich bedrängte ihn und versuchte sie Karl abzunehmen.

      „Du bist erst 13. Wir fahren doch nur nach Hause.“ Mutter glotzte mich mit blutunterlaufenen Augen an.

      Ich zögerte und wog meine Chancen ab – ich konnte zu Fuß gehen, bei der Beerdigung bleiben oder mit einem anderen fahren, der genauso breit war. Ich rutschte auf den Rücksitz. Durch die Fahrt auf der holperigen und kurvigen Straße rebellierte mein Magen. Der Roosevelt Boulevard war ein vierspuriger Highway. Weiße Nebelscheinwerfer durchschnitten die Nacht. Rücklichter tanzten über die Straße wie rote Schlangen. Autos wichen panisch aus, während wir im Zickzackkurs über den Asphalt bretterten. Bei der Vorstellung, Karls Kopf auf das Lenkrad zu donnern, beschleunigte sich mein Puls. Unterdrückte Wut staunte sich immer mehr auf. Mum hatte ihr Gesicht stark geschminkt, doch die brüchigen Lippen waren von verkrustetem Blut überzogen. Sie biss sich oft auf die Lippen. Der am Armaturenbrett aufgehängte Eispickel glitzerte mich verheißungsvoll an, und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, ihn in Karls Wirbelsäule zu rammen, ihn nach oben zu reißen und dann wie einen ausgenommenen Fisch liegen zu lassen.

      Der überwältigende Drang


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